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booklooker2
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Neuburg an der Donau

Bewertungen

Insgesamt 36 Bewertungen
Bewertung vom 07.04.2024
Die Sehenden und die Toten / Ein Carla-Seidel-Krimi Bd.1
Piontek, Sia

Die Sehenden und die Toten / Ein Carla-Seidel-Krimi Bd.1


ausgezeichnet

Spannende neue Krimireihe
Als großer Krimileser freue ich mich immer über neue Autoren und Gegenden, in denen Krimis spielen. Allerdings nicht die meist eher humorlosen Provinzkrimis, sondern spannende Surroundings mit einem ernsthaften Ermittlerteam.
Genau das habe ich in diesem Krimi von Sia Piontek gefunden, der im Wendland spielt. Äh, wo ? Wieder was gelernt !
Der Fall selbst hat mich mitgerissen, klar konstruiert, mit einer aus Hamburg geflüchteten Ermittlerin, die große Erfahrung mitbringt. Die Hintergründe dieser als Versetzung kaschierten Flucht aufgrund einer Bedrohung ihrer Familie spielt die ganze Zeit im Hintergrund mit.
Im Mordfall geht es um Mord an einem hochbegabten jungen Mann aus reichem Haus, der gleichzeitig in einer Parallelwelt lebt. Dort geht es um Mutproben, geheime Treffen, Sex, Gewalt, Unterwerfung. Mit Hilfe ihrer Tochter und dem Ermittlerteam um Carla Seidel gelingt es, diese Verflechtungen aufzudecken. Der Fall ist nie langweilig, ständig geht es voran, tauchen neue Spuren auf. Ich habe mich sehr gut unterhalten und freue mich schon auf eine Fortsetzung aus dem Wendland.

Bewertung vom 07.04.2024
Der Sommer, in dem alles begann
Léost, Claire

Der Sommer, in dem alles begann


ausgezeichnet

Tragische Beziehungen
Der Sommer, in dem alles begann und im Grund auch wieder endet. Drei Generationen von Frauen - die junge Hèlene, kurz vor dem Schulabschluß, Marguerite , eine Suchende aus Paris und Odette, eine unzufriedene alte Frau aus dem Ort, die letztlich das tragische Ende der Geschichte auslöst. Die Männer in der Geschichte sind eher Beiwerk, müssen als Zündschnur dienen.
Ein eher schmales Büchlein, früher hätte man das eine Novelle genannt. Daher kann die Autorin auch keine allzu lange Beschreibungen von Natur, Stimmung, Personen machen. Sie konzentriert sich allein auf das Wesentliche: Die Entwicklong der drei Hauptfiguren, ihrer jeweiligen Herkunftsgeschichte und der Beziehung zueinander.
Es liegt wohl im Wesen der Franzosen bzw. hier einer Französin, in Kürze Liebe, Drama, Alltägliches, eine traumhafte Landschaft wie im Kino zu erschaffen, das Kopfkino war beim Lesen immer dabei.
Bereits zu Beginn zeichnet sich durch die Darstellung zweier Beerdigungen nacheinander in einem kleinen Dorf ab, dass hier der Abschluss der Geschichte liegt. Wie es dazu gekommen ist, was die eine mit der anderen zu tun hat, erschließt sich erst langsam, behutsam aufgebaut und fulminant gesteigert.
Claire Lèost ist für mich eine großartige Neuentdeckung. Empfehlung: sehr lesenswert.

Bewertung vom 29.10.2023
Ich träumte von einer Bestie
Blazon, Nina

Ich träumte von einer Bestie


sehr gut

Träume in der Dunkelheit
Für mich war das Buch mit seiner fiktionalen Note Neuland, ebenso die Autorin Nina Blazon, die aber im Jugendbuchbereich schon einige ausgezeichnete Bücher geschrieben hat. Ich bin eigentlich keine Fantasy-Buch Leserin, das Buch hat mich aber trotzdem gefangen genommen. Denn es beginnt zunächst sehr real. Fleur ist Datenforensikerin und als Einstieg erfahren die Leser viel von diesem Beruf und ihrer Vorgehensweise. Für mich sah sas also eher nach einem Krimi aus.
Aber dann erfahren wir immer mehr von der Person Fleur, eine intellektuelle junge Frau, die bindungsscheu ist, sich aber trotzdem gern mit Männern für One-Night-Stands trifft. Als ihr leiblicher Vater stirbt - sie ist mit ihrer Mutter und einem liebevollen Stiefvater aufgewachsen- reist sie nach Frankreich, um das Erbe der Großmutter anzutreten. Und hier wird es fantastischer und gruseliger, immer in einer Mischung mit der Realität. Wir tauchen ab in das 18. Jahrhundert in Frankreich es geht um die Bestie des Gévaudan, um Wölfe und die Vorfahren von Fleur. Richtig gut geschrieben, verbinden sich das Heute und das Gestern. Manchmal merkte ich schon, dass hier eine Jugendbuchautorin am Werk ist, vor allem in den Fantasyteilen. Auf jeden Fall sehr lesenswert mit einem wunderbar romantischen Buchcover.

Bewertung vom 24.09.2023
Kajzer
Kaiser, Menachem

Kajzer


sehr gut

Archäologische Grabung in der Familiengeschichte...
.. so kommt mir das Lesen von Menachem Kaisers Buch vor. Dieser ist inmitten einer großen Familie in Toronto aufgewachsen, seine jüdischen Wurzeln sind nach seinen Angaben eher wässrig ( die Mutter ist keine Jüdin mehr), dennoch interessiert ihn die Geschichte seiner Familie, als er Dokumente des verstorbenen Großvaters findet. Danach soll es ein Haus in Polen, in Sosnowiec, geben, das der Großvater wohl rückfordern wollte. Da das niemand in der Familie wusste, reist er nach Polen, wo er im Rahmen seiner journalistischen Tätigkeiten eh schon öfter war, um sich vor Ort eine Bild zu machen und diese Rückforderung tatsächlich zu erreichen. Damit tritt er eine Lawine los, denn er benötigt Vollmachten aus seiner Familie, Toterklärungen, Suchanträge , eine Anwältin, die er selbst als "Killerin" bezeichnet und viel Geduld.
Da das Buch bewusst als Sachbuch gehalten ist, möchte der Autor viel erzählen, erklären, sein Wissen ausbreiten. Und das ist groß. Er berichtet in Nebenhandlungen viel von der Geschichte Polens zur Jetztzeit, aber auch von früher, besucht "Riese", ein von Hitler veranlasstes riesiges Stollensystem, die Entdeckung von familiären Seitenzweigen samt deren Geschichte und verlässt mir persönlich zu oft die eigentliche spannende Geschichte.
Letztlich endet er bisher ( die Rückforderung ist noch nicht abgeschlossen) im Sumpf der polnischen Bürokratie, klar, wer will auch hier so alte Geschichten wieder aufleben lassen und alte Wunden aufreißen.
Als Ergebnis seiner umfangreichen Recherchen resümiert er selber, dass es ihm eigentlich um die Geschichte seiner Ahnen dahinter geht. "Es ist eine Art Sehnsucht nach der Sehnsucht. Ich möchte trauern können ". Denn "die Rückforderung war nur eine verzweifelte Reaktion auf den Verlust, und da Haus war bloß ein Symbol". Hier ist es für mich eben kein Sachbuch mehr, letztlich ist es weder ganz Sachbuch noch Roman.
Durch die vielen Seitenstränge, Erklärungen und wörtlichen Darstellungen ( z.B. Gerichtsprotokolle) wird die eigentlich gute und interessante Geschichte auch stark ausgebremst. Eine Kürzung auf Wesentliches hätte dem Buch gutgetan.

Bewertung vom 08.09.2023
Kleine Probleme
Pollatschek, Nele

Kleine Probleme


gut

Probleme ? Was für Probleme ?
.. denn eigentlich geht es nicht um Probleme, sondern um einen Typ Mensch, der in seinem Leben so gut wie gar nicht vorangekommen ist, eine Familie gründete, sich eher von seiner Frau unterhalten lässt und zum unsypathischen Phlegmatiker mutiert ist.
Dieser liegt gerade daheim auf der Couch, für ein "Time out" von seiner Ehefrau verlassen, Kinder unterwegs, nun soll er bis zur heutigen Rückkehr seiner besseren Hälfte endlich eine Liste von 13 aufgeschobenen Dingen abarbeiten, die unterschiedlicher nicht sein und eigentlich kaum in der verbliebenen Zeit erledigt werden können.
Er soll u.a. das Haus putzen, Geschenke einpacken, Steuer und Post machen ( in ein paar Stunden (!) aber auch den lang vernachlässigten Vater anrufen und sein Lebenswerk vollenden (!). Denn "Larsmännchen" ist ein ambitionierter Schriftsteller ohne eigenes Buch, der für dieses Projekt sogar seinen Job gekündigt hat.
Doch langsam kommt er in die Pötte, bei jeder Aufgabe sinniert er über die Gegebenheiten zur jeweiligen Tätigkeit nach. Das ist teilweise ganz interessant und man findet sich durchaus beim ein oder anderen Thema wieder, teilweise klingt es für mich auch wie philosophisches Geschwurbel, für das zumindest ich viel zu praktisch veranlagt bin. So löst man keine Probleme, schiebt sie eben nur auf und wird selbst zum Problem.... hat mich insgesamt nicht umgehauen.

Bewertung vom 14.08.2023
Die Akte Madrid / Lennard Lomberg Bd.2
Storm, Andreas

Die Akte Madrid / Lennard Lomberg Bd.2


sehr gut

Spannung mit viel geschichtlichem Hintergrund
Der Diebstahl eines Gemäldes macht nach Jahrzehnten erneut Aufsehen: im Spanien der Franco-Diktatur wohl entwendet und heimlich in einem Nebengebäude der berühmten Alhambra untergebracht, bringt es erneut alle möglichen Kriegsgewinnler und Kunstdetektive in Wallung. Das Gemälde könnte Franziskus Ritter in politische Schwierigkeiten bringen, seine in Kürze anstehende anstehenden Ernennung zum deutschen Verteidigungsminister könnte dadurch gefährdet sein. Denn das Gemälde hatte zwischenzeitlich seinem Vater "gehört", nun wird der Sohn damit erpresst. Den Auftrag, das Gemälde stillschweigend wieder zu beschaffen erhält Lennard Lomberg, Kunsthistoriker und Experte für Beutekunst-Forschung. Im Zuge seiner Ermittlungen merkt er schnell, dass sein Auftraggeber keine so weiße Weste besitzt, wie er vorgibt. Mehrere Beteiligte in den letzten Jahrzehnten müssen Angst haben, alles zu verlieren...
Ich fand die Geschichte spannend, habe sehr viel über Spanien in den 30er Jahren, der Zeit im 2. Wltkrieg, die Franco-Diktatur danach und die gegenseitigen Beziehungen besonders zu Deutschland auch noch in den 1968er Jahren erfahren. Immer wider gibt es interessante Wendungen, Schicht für Schicht werden die Schleier der Vergangenheit gelüftet.
Das ist für mich aber ein Problem bei diesem Krimi: extrem viel Personal in ca. drei bis vier Zeitsträngen, wenn man es nicht schafft, das Buch relativ schnell durchzulesen, muss man sich immer wieder neu orientieren. Nach ca. 100 Seiten fand ich endlich das umfangreiche Glosser, in Namen und Zeiten untergliedert. Eine Riesenhilfe !
Unterm Strich fand ich das Buch wirklich spannend und lohnend, aber es ist nicht ganz einfach zu lesen und den vielen ausführlichen Beschreibungen zu folgen.

Bewertung vom 16.07.2023
Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe
Knecht, Doris

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe


ausgezeichnet

Volltreffer !
Die Heldin in Doris Knechts neuestem Roman steht an einem Scheidepunkt in ihem Leben: um die 40, geschieden, die Kinder flügge und auf dem Weg ins Abenteuer "Alleine leben", ist sie sich klar darüber, dass sie ihr Leben nicht so weiterführen kann. Allein in einer viel zu großen Wohnung, die sie einst mit Mann und Zwillingen bewohnte, kann sie sich diese nach Wegfall des Kindesuntehalts nicht mehr leisten, ein Umzug rückt näher. Und doch kann sie diese Wohnung nicht einfach aufgeben, abgesehen von der nahzu hoffungslosen Suche nach einer kleineren bezahlbaren Wohnung in Wien.
Diese Rahmenhandlung bildet die Klammer um die einzelnen Kapitel, in denen vieles aus der Vergangenheit an ihr vorbeizieht, angefangen in ihrer Kindheit mit zwei Zwillingspaaren als jüngere Geschwister (!), lauter Mädchen, einer großen Familie, in der sie sich als als ältestes Kind an der Spitze immer allein fühlt.
Kunterbunt sind die Gedanken, die in den einzelnen Kapiteln ans Tageslicht aus dem Vergessen geholt, erzählt, verarbeitet und analysiert werden.
Der Schreibstil ist sehr flüssig und prägnant, voll von Weisheiten, die ich unterschreiben könnte. Das ist auch das für mich Faszinierende an diesem Buch , alles wirkt authentisch, als ob Doris Knecht wirklich von sich und nicht von einer fiktiven Person erzählt. Oder doch ? In der Danksagung am Ende scheint ihr eigenes Familienkonstrukt doch deutlich anders zu sein.
Das Titelbild ist ungewöhnlich, stellt Teile der vergessenen Gedanken dar, gefällt mir in seiner Farbgebung richtig gut.

Bewertung vom 04.06.2023
Die Revanche des Monsieur Lipaire / Die Unverbesserlichen Bd.2
Klüpfel, Volker;Kobr, Michael

Die Revanche des Monsieur Lipaire / Die Unverbesserlichen Bd.2


sehr gut

Die fabelhaften Sechs üben Rache
Das Buch knüpft nahtlos an den ersten Band an, der sechs komplett verschiedene Charaktere unter der Führung von Guillaume Lipaire zu einer trickreichen Gang an der Cote d`Azur vereint. Das war der erste Streich der Truppe, die sich danach aber erst mal verloren hatte. Dennoch müssen sie sich wieder zusammenfinden, als die Familie Vicomte, denen sie mit Hilfe eines alten Schriftstücks zum Fürstentitel verholfen hatten, die ganze Küste terrorisiert. Alles muss besser werden in ihrem Operettenstaat, die alten Fischer und Geschäftsleute sollen für mondäne neue Geschäftsideen weichen. Der Ruhm ist ihnen zu Kopf gestiegen und bedroht auch die Lebensgrundlage der sechs Freunde.
Das alles wird mit einem Augenzwinkern und viel Humor erzählt, mir gefällt das sogar besser als die schon etwas bräsigen Kluftinger Romane. Und das Wetter ist auch schöner, man fühlt förmlich den südlichen Blumenduft beim Lesen, hilfreich auch das Glossar am Ende des Buches ( ein Hinweis darauf am Anfang wäre schön gewesen )... sicher ist das keine große Literatur, auch nicht unbedingt der spannenste Krimi, aber es macht Spaß und ist die perfekte Urlaubslektüre.

Bewertung vom 14.05.2023
Die einzige Frau im Raum / Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte Bd.4
Benedict, Marie

Die einzige Frau im Raum / Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte Bd.4


ausgezeichnet

Zunächst mal find ich das Cover des Buchers ausgeprochen schön. Eine geheimnisvolle Frau im Hintergrund in dunklen Farben gehalten, von sanftem blaugrün umgeben.
So war auch Hedy Lamarr in ihrer Jugend, als sie noch Hedwig Kiesler hieß und mit blutjungen 18 Jahren das Wiener Theaterpublikum in ihrer Darstellung als Sissy zu Beifallsstürmen hinriss.
Das Buch beginnt 1933 in Wien, als sich erst dunkle Wolken über Europa legen. Hitler ist an der Macht und zeigt früh Interesse an Österreich. Hedwigs - so hieß sie in diesen Jahren noch - Familie ist wohlhabend, lebt in einem jüdischen Viertel in Wien und hat selbst einen jüdischen Hintergrund. Der Großater ist erst bei der Hochzeit mit einer Katholikin konvertiert.
Daher ist Hedwigs Vater einer Verbindung von ihr mit dem mächtigen Wafffenhändler Fritz Mandl nicht abgeneigt, er erhofft sich Schutz von einem Gegner Hitlers mit großem Netzwerk.
Dass er mit seinen Altersunterschied von 20 Jahren, seiner Eifersucht, Machtgier und brutalem Durchsetzungswillen doch keine Rettung versspricht, stellt sich den Jahren nach der Hochzeit schnell heraus.
Hedy muss das Theater verlassen, wird als Vorzeigeehefrau mißbraucht, die Fritz den Glanz bringt und ihn in beste Kreise katapultiert.
Zunächst macht Hedy das noch gern mit, Fritz ist duchaus charmant und freigiebig. Doch kaum wagt sie Widerspruch als sie erwachsener und selbständiger wird, lässt Fritz sie auch seine körperliche Übermacht spüren.
Sie bereitet ihre Flucht vor und gelangt endlich 1937 nach London und später mit ihrem Entdecker Louis B. Mayer nach Los Angeles, wo ein komplett neues Leben beginnt.
Bereits in Wien, als Tochter mit höherer Bildung und einem intellektuellen Vater, hatte sie sich für Wissenschaft interessiert und beginnt nun jenseits des Atlantiks , ihre Kenntnisse in Hochfrequenztechnologie zu vertiefen und einen Weg zu suchen, die Amerikaner in ihrem Kampf gegen Hitler zu unterstützen. Zwar scheitert sie zunächst, doch heute kennt man Hedy Lamarr neben ihren Rollen mit der schönsten Frau der Welt auch als ernsthafte Erfinderin.
Marie Benedict beschreibt die Jugendjahre und Wandlung des jungen, naiven, doch klugen und emotionalen Mädchens zu einer Erwachsenen im goldenen Käfig - ähnlich der von ihr so verehrten Kaiserin Sissy.
Hedy wird durchaus als raffiniert, leidenschaftlich und Schauspielerin auch im wirklichen Leben beschrieben. Nur so konnte sie die Zeit mit ihrem ersten Ehemann überleben. Nebenbei: sie war insgesamt sechs Mal verheiratet, hat wohl den echten Mann fürs Leben nie gefunden.
Ich fand das Buch vor allem auch wegen dem historischen Hintergrund sehr fesselnd, wenn Fritz Mandl z.B. Hitler trifft, um mit ihm und anderen hochrangigen Personen über den Einmarsch in Österreich zu reden. Dazu die Situation in Hedys Familie, die zwischen Hoffen und Bangen liegt, niemand weiß, wie ernst das mit Hitler wird. Erst spät gelingt es Hedy dank ihrer Beziehungen, die Mutter aus Wien herauszuholen. Vor den Augen entsteht eine Dokumentation, von der man aber nicht weiß, wie weit alles im Privaten abgelaufen ist und was dem Kopf der Autorin entspringt. Das Gerüst stimmt aber, der Schreibstil ist mir manchmal ein bisschen zu einfach. Trotzdem würde ich mir eine Fortsetzung übe die weiteren Jahre Hedys in Hollywood wünschen. Klare Leseempfehlung !

Bewertung vom 22.04.2023
Solange wir leben
Safier, David

Solange wir leben


ausgezeichnet

David Safier kennt man eher als Autor humoristischer Bücher wie "Mieses Karma" oder seine neue Krimireihe "Miss Merkel". Hier überrascht er mit einem ernsten geschichtlichen Thema, der Biografie seiner Familie.
Als Sohn eines österreichischen jüdischen Vaters und einer deutschen Mutter ( eher nicht religiös) erzählt er die Geschichte der Liebe seiner sehr unterschiedlichen Eltern nach.
Vater Joschi muss vor den Nazis aus Wien nach Israel fliehen und landet in einem heißen, staubigen, für ihn völlig fremden Land, wo er sich ohne Ausbildung rumschlägt, bis er zur See fährt.
Seine Mutter Waltraut wächst im Nachkriegsdeutschland ärmlichst in einem Eisenbahnwaggon auf, der noch lange die Heimat für die Familie ist. Ihr erster Mann stirbt und sie bleibt als Verkäuferin mit einer kleinen Tochter zurück.
Waltraud und der 20 Jahre ältere Joschi lernen sich in Bremen kennen, es ist eine große Liebe, aus der David hervorgeht.
Doch es gibt kein Happy End in der Geschichte. Mühselig verlaufen die weiteren Jahre, Waltraut ist völlig überfordert mit der Pflege ihrer Mutter, später ihres alkoholkranken Mannes und der krebskranken erwachsenen Tochter.
Joschi versucht sich in vielen selbständigen Unternehmungen, er scheitert meist grandios.
Ich war von dem Buch gefesselt, hier wird nichts beschönigt. David berichtet distanziert, wenn er im Buch vorkommt , bleibt er "David". Er erzählt von längst vergangenen Zeiten im alten Wien vor den Nazis, dem Untergang der jüdischen Kultur dort und den Härten, die die Flüchtlinge im gelobten Land erwartet hat.
Waltraut lebt nur für die Familie, bügelt vieles aus, ist ein Anker in schwierigen Zeiten, gibt ihr Bestes und sich selbst auf. Gerade die letzten Kapitel zeigen Resignation und Melancholie und man mag sich vorstellen, wie David unter all dem gelitten hat und dass er im Grund sehr allein mit seiner jungen Familie übrig geblieben ist. Der alte Spruch : "Solange man an jemanden denkt, ist er nicht ganz tot" ist ihm ein Trost. Denn: "Ich denke jeden Tag an meine Eltern."