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ClydeFans

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Insgesamt 5 Bewertungen
Bewertung vom 29.10.2013
Heute ist dein Glückstag!
Masztalerz, Piero

Heute ist dein Glückstag!


ausgezeichnet

Der Cartoonist Piero Masztalerz hat einen vorzüglichen Humor, der in "Heute ist dein Glückstag!" voll durchschlägt. Die einseitigen Cartoons bestechen durch eine genaue Beobachtung der Alltagskultur und der Menschen. Masztalerz thematisiert wiederkehrende Themen wie die sozialen Netzwerke, Mode, Gesundheitswahn oder Pop-Kultur, aber auch stets auch außergewöhnliche Sujets wie die Liebesbeziehung eines Einhorns mit einem Mann.

Es macht nicht nur Spaß, von Gag zu Gag zu springen. Vielmehr gibt es auch immer wieder witzige, kleine Denkanstöße. Masztalerz kritisiert eben auch, da er als Cartoonist auch Idealist ist, der die kleinen und großen Schwächen der Welt entlarvt und in bissiger Weise offenlegt.

Die farbenfrohen Zeichnugnen wirken klar und zugespitzt. Wie für Cartoons typisch, arbeitet Masztalerz mit der Karikatur. Die Menschen haben oft keinen Hals, aber im Gegenzug überproportionale Kinnpartien und k(l)eine Augen. Er konzntriert sich auf das Wesentliche, ohne ganz auf Details zu verzichten.

Manchmal muss man schon zweimal lesen oder hinschauen, bevor sich ein Gag erschließt. Und das steht symptomatisch für Masztalerz' brillanten Humor, der häufig mit der Übertreibung, dem Wortwitz oder dem Missverständis funktioniert. "Heute ist dein Glückstag!" bringt dem Leser vielleicht kein Glück (wer weiß das schon?). Aber der schöne Cartoonband garantiert auf alle Fälle unterhaltsame und (irr)witzige Stunden.

"Heute ist dein Glückstag" enthält außerdem ein einführendes Vorwort des Comicautors Jamiri sowie ein Nachwort des Cartoonisten selbst. Masztalerz offenbart darin seine Vorgehensweise bei der Arbeit und gewährt dadurch einen interessanten "Blick hinter die Kulisse".

Bewertung vom 11.06.2013
Bleierne Hitze
Baru;Vautrin, Jean

Bleierne Hitze


ausgezeichnet

Knarre in der Hand, Sonne im Nacken. Joachim, der Protagonist von "Bleierne Hitze", schaut auf dem Cover grimmig drein. Und er hat auch allen Grund dazu. Denn er lebt mit seiner Mutter bei seinem gewalttätigen Stiefvater und seiner sexsüchtigen Halbschwester. "Jo" träumt davon, einmal ein waschechter Gangsterboss wie Aniello Dellacroce zu werden.

Dann taucht auf einmal Jimmy Cobbs auf. Der Kleinkriminelle ist auf der Flucht. Er hat mit anderen lausigen Gaunern einen Überfall durchgeführt und ist mit der Beute abgehauen. Er versteckt sein Diebesgut auf dem Acker und sich selbst bei Jos Familie auf dem Bauernhof. Alle suchen ihn: die Polizei, die Gangster und die sexsüchtige Halbschwester Jos.

Die Geschichte ist ein klassischer Roman Noir, in dem der Autor Jean Vautrin den Niederungen des Menschen auf unterhaltsame Weise nachgegangen ist. Vautrin hat in dem Bereich auch als Drehbuchautor und Regisseur Erfahrungen gesammelt und es wurden schon mehrere seiner Romane als Comics umgesetzt. Nun legt Baru eine weitere Adaption nach.

Baru gelingt es fabelhaft, die schrägen Charaktere und die verzwickte Handlung als Comic umzusetzen. Vautrin liefert ihm allerdings auch die entsprechenden Steilvorlagen, da auch Baru für derartige Geschichten bekannt ist. Auch er bevorzugt soziale Außenseiter und Ganoven als Charaktere. Auch er nimmt mit zynischen und gewalttätigen Geschichten vorlieb.

Hinzu kommen Barus unvergleichliche Zeichnungen. Die Bilder wirken dank herrlicher Farben und einer spitzen Feder zurückhaltend, satirisch, elegant, ausdrucksstark und kraftvoll. Bei ihm fahren die Charaktere regelmäßig aus der Haut und an die Decke. Sie fluchen und beschimpfen sich. Die Bilder wirken wie choreografierte Miniaturen des Bösen und Niederträchtigen, das sich bei ihm schnell zur Groteske wandelt. Aber er ergreift auch Partei für die Schwachen, die sich bei ihm zur Wehr setzen - auch mit Gewalt. So wird der Gewaltexzess zur logischen Schlussfolgerung sozialer Umstände und ungerechter (Verhaltens-)Strukturen.

"Bleierne Hitze" zählt zu Barus besten Arbeiten. Eine derart perfekte Balance zwischen Charakterstudie und Unterhaltung gelingt nur ihm. Deshalb kann die Graphic Novel nur jedem ans Herz gelegt werden, der genung Nerven und schwarzen Humor mitbringt, sich in die komplexe wie exzessive Spirale aus Niedertracht und Karikatur hineinzuwagen.

Bewertung vom 10.06.2013
A Tribute to Robert Crumb

A Tribute to Robert Crumb


ausgezeichnet

"Perhaps in another life we will achieve enlightenment!" (- Mr. Natural)
"Aw, who the fuck gives a shit? Here, have a beer!" (- Fat Freddy)
"I bow before thy vastly superior wisdom, o spiritual master! This shall be my new Mantra: 'Who the fuck gives a shit'!" (Mr. Natural)

Dieser Dialog stammt von Gilbert Shelton und ist frei nach Robert Crumb entstanden. Weitere 79 Künstler haben sich in "A Tribute to Robert Crumb" versammelt, um dem Meister der Comix ein Denkmal zu setzen. Und herausgekommen ist ein aberwitziger, oft absurder und nicht frauenfreundlicher Spaß.

Die respektzollenden Comiczeichner verneigen sich in ihrem individuellen Stil oder in Anlehnung an Crumbs Stil vor der Underground-Legende. Die Zeichungen sind ganzseitig oder sequentiell und schwarz-weiß oder bunt angelegt. Die Palette ist stilistisch vielseitig, oft auch direkt vom Meister übernommen.

Pointierte Gags, haarsträubende Geständnisse, selbstreflexive Abgründe und durchgeknallte Szenarien sind die typischen Charakteristika des Hommage-Bandes. Nicht zu knapp kommt die Darstellung weiblicher Hinterteile und Beine in typischer Crumb-Manier. Gehuldigt und fortgesetzt wird Fritz the Cat oder Mr. Natural.

"A Tribute to Robert Crumb" zeigt nicht nur, welche Türen Crumb damals aufgestoßen hatte, sondern auch die zeitlose Wirkmächtigkeit seines Werkes. Nun sind US-Indie-Comicutoren wie Joe Matt oder deutsche Zeichner wie Calle Claus oder Jamiri in das vielschichtige Crumb-Universum eingedrungen und haben es durch ihre Beiträge gewissermaßen erleuchtet, bereichert und festgehalten.

So können sich Crumb-Kenner motivisch auf Altbekanntes und stilistisch auf sehr viel Abwechslung und Neues freuen. Der Sammelband hat ein perfektes Format und gute Papierqualität, die sowohl die Schwarzweißzeichnungen als auch die modern-kolorierten Bilder gut in Szene setzt.

Als Einleitung enthält "A Tribute to Robert Crumb" ein witziges Vorwort des Zeichners FIL, der vor allem auf die Wirkungsgeschichte des bessesenen und exhibitionistischen Comix-Zeichners eingeht. Abgerundet wird die Hommage durch eine eindrucksvolle Umschlagsgestaltung mit einer Illustration des gefeierten US-Indie-Zeichners Charles Burns.

Bewertung vom 06.05.2013
Liverfool - Die (wahre) Geschichte des ersten Managers der Beatles
Liverfool

Liverfool - Die (wahre) Geschichte des ersten Managers der Beatles


ausgezeichnet

Wer ist Allan Williams? Das ist der Liverpooler Clubbesitzer, der zur Zeit des Mersey Rocks die Szene über die lokale Grenze hinaus geprägt hat, indem er Musiker entdeckt, gefördert und gemanaget hat. Ihm ist es auch zu verdanken, so die Graphic Novel "Liverfool", dass die Beatles von einem untalentierten Haufen zu Ikonen der Popkultur wurden.

"Liverfool" beginnt damit, dass Beatles-Touristen in Liverpool von einem gealterten Allan Williams angesprochen werden, der behauptet, eine interessante Geschichte über die "Fab Four" erzählen zu können. Es stellt sich nach anfänglichen Zweifeln heraus, dass er tatsächlich am Schicksal der Pilzköpfe beteiligt und ihr erster Manager war.

Der Autor Gihef überfrachtet die Leser nicht mit nackten Fakten, sondern verbindet diese mit einer packenden und amüsanten Geschichte über Williams und die Beatles. Die Dialoge wirken genauso lebendig wie die vom Zeichner Vanders humoristisch gestalteten Charaktere. Dagegen wirkt der realistischer illustrierte Hintergrund authentisch. Egal ob Liverpool oder Hamburg - die Straßen, die Mode, die Atmosphäre der vergangenen Zeit wird durch die gefälligen Schwarzweißbilder zu neuem Leben erweckt.

Als Bonusmaterial enthält das schön gestaltete Buch ein "Making Off". Darin beschreiben die Comicautoren ihre Recherchezeit in Liverpool, bei der sie gestehen, dass sie Williams niemals begegnet sind. Doch bis auf die erfundenen Dialoge und einzelne Szenen, halten sich Gihef und Vanders an die historischen Wahrheiten und beleuchten ein oft vergessenes Kapitel der Musikgeschichte. Zur Lektüre von "Liverfool" braucht man jedoch weder jemals einen Song der Beatles gehört zu haben, noch ein leidenschaftlicher Rock-Fan zu sein. Denn das amüsante Biopic erweist sich zugleich als packende Sozialreportage und zeitgeschichtliche Rückschau.