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Daniela

Bewertungen

Insgesamt 8 Bewertungen
Bewertung vom 15.08.2021
Unter dem Sturm
Carlsson, Christoffer

Unter dem Sturm


sehr gut

Nachhall einer Novembernacht

In einer Novembernacht 1994 brennt ein Haus nieder und eine junge Frau stirbt. Polizist Vidar findet in der Nähe den bewusstlosen Freund der Toten, der später für das Verbrechen verurteilt wird, obwohl er immer seine Unschuld beteuert.
Die Schwester des vermeintlichen Mörders Edvard Christensson bricht den Kontakt ab. Darunter leidet der kleine Neffe Isak, der nicht verstehen kann, warum sein Onkel die Tat begangen haben könnte und auch nicht, warum ihn alle auf einmal so merkwürdig behandeln. Als hätte die Tat seines Onkels Edvard auch ihn befleckt.
Die Geschehnisse der Novembernacht werden sowohl Vidar als auch Isak für die nächsten 23 Jahre nicht loslassen.

Dass es bei einem Verbrechen nicht nur Täter und Opfer gibt, die verurteilt oder traumatisiert werden, sondern auch Familien und Freunde, darum geht es in Christoffer Carlssons Kriminalroman „Unter dem Sturm“.
Der Autor bedient sich dabei eher einer leisen Erzählung, die dennoch eine düstere, melancholische Stimmung erzeugt. Gewaltbeschreibungen und Spannung findet man hier weniger, es ist eher eine psychologische Studie. Dieser Ansatz des Autors gefiel mir sehr gut. Carlsson geht sogar soweit, dass Edvard Christensson zwar fast ständig in den Gedanken der Protagonisten präsent ist, selbst als handelnde Person aber so gut wie gar nicht auftritt.

Mit psychologischer Finesse werden die Auswirkungen des Vorfalls auf Isak und Vidar geschildert:

Isak wird durch die Ereignisse von einer großen Wut auf andere, seinen Onkel und sich selbst erfüllt. Der Widerspruch zwischen dem Verbrechen und seinem Onkel, der für ihn ein Vorbild war lässt ihn jahrelang verzweifeln und an einen Makel in sich selbst glauben. Während Isak voll Wut auf sich und den vererbten Hang zu Gewalt und Mord in sich ist, schlittert er in eine sich selbst erfüllende Prophezeiung hinein.

Dass die Familie des vermeintlichen Täters im ländlichen Schweden Verleumdungen und Gerüchten ausgesetzt ist, war für mich einerseits sehr krass und unglaublich, andererseits beschreibt der Autor die Mentalität der Menschen, geprägt durch die Landwirtschaft bis heute, sehr gut, wodurch ihre Denkweise glaubhaft wird. Die Familie von Edvard und Isak fiel schon durch einen gewaltbereiten Großvater auf, warum sollte sich dies nach Meinung der Leute nicht vererben?Zumal Edvard kein Ausbund an Friedfertigkeit war.

Vidar ist mit dem Ermittlungserfolg und sich selbst als Polizist zufrieden, bis er 9 Jahre später berechtigte Zweifel an der Täterschaft Edvard Christenssons bekommt. Seine Kollegen und Vorgesetzten schmettern Vidars Zweifel selbstgerecht ab. Christensson war schließlich der Polizei bereits bekannt. Vidar macht sich eigenständig auf die Suche nach Beweisen für Christenssons Unschuld, wodurch seine berufliche Laufbahn und damit seine Lebensorientierung nachhaltig verändert werden.

Wie ein Verbrechen das Leben zweier Menschen, die vermeintlich nicht direkt betroffen waren, verändern und prägen kann, hat der Autor meiner Meinung nach sehr gut dargestellt. Christoffer Carlsson schildert das soziale Netz der Protagonisten, die Landschaft des Dorfes und die Veränderungen über die Zeit hinweg sehr detailliert. Manchmal erschien mir die Handlung dadurch aber auch langatmig.
Selbst die Auswirkungen eines verheerenden Sturm namens Gudrun, welcher im Jahr 2005 über Schweden fegte, werden in die Handlung eingebunden.

Bis der wahre Täter offenbart wird, vergehen 23 Jahre. Am Ende erhält der Leser nur noch einen kurzen, vage bleibenden Blick auf Isak und Vidar. Nach 23 Jahren hätte ich mir dann doch etwas mehr Beschreibung gewünscht, wie es den beiden mit dem Wissen um die Wahrheit geht.

Im Großen und Ganzen hat mir „Unter dem Sturm“ gut gefallen. Wer auf der Suche nach Nervenkitzel ist, sollte sich lieber einen anderen Roman vornehmen. Wer auf gute Charakterdarstellungen Wert legt und Freude an atmosphärischen Erzählungen hat, findet bestimmt Gefallen an Christoffer Carlsso

Bewertung vom 04.07.2021
Die Morgenröte - Sie nehmen dir dein Leben
Richter, Noah

Die Morgenröte - Sie nehmen dir dein Leben


weniger gut

Brisantes Thema, enttäuschend umgesetzt!

Noah Richters Buch „Die Morgenröte – Sie nehmen dir dein Leben“ ist definitiv am Puls der Zeit: Verschwörungstheorien (Qanon), Populismus, die „Querdenker“ und der Einfluss der sozialen Medien, die ihrerseits leicht manipuliert werden können. All dies ist brandaktuell und gefährdet unsere Demokratie und die Stabilität der Gesellschaft.
Wie leicht durch Manipulation der „Verlierer der Gesellschaft“ durch die Auswirkungen beispielsweise der Corona-Pandemie, durch machtgierige Drahtzieher und durch ausländischen Einfluss eine faschistische Diktatur entstehen könnte, halte ich für authentisch und plausibel. Hier ist definitiv Aufklärung nötig, damit wir nicht wie Georg erst die Augen öffnen, wenn es zu spät ist.

Was mich an diesem Roman jedoch massiv gestört hat, ist die Umsetzung.
Die Charaktere sind allesamt unsympathisch. Georg ist geil auf Follower und Klicks, Götz Wolf ist ein Narzisst und Lorenz Ziffer einfach nur manipulativ und böse. Die Charaktere weisen keinerlei Facetten auf und sind schablonenhaft. Mögliche Motive für ihr Vorgehen waren meiner Meinung nach nur sehr schwammig dargestellt.

Noah Richters Schreibstil ist sehr umgangssprachlich, oft derb und reißerisch. Literarisch empfinde ich ihn als maximal mittelmäßig.

Der Zeitraum der Handlung war verwirrend dargestellt oder wies Unlogik auf. Alles scheint sich innerhalb eines Jahres, nämlich 2020/21 abzuspielen, es wird auch explizit 2021 erwähnt. Einmal findet allerdings eine Feier zum zweijährigen Bestehen der Morgenröte statt. Dabei wurde es so dargestellt, als sei diese erst nach der Pandemie gegründet worden.
Zu Beginn des Romans spielt der Selbstmordversuch von Georgs Vater eine große Rolle, danach wird er nur noch selten erwähnt, liegt aber wohl über Monate im Koma im Krankenhaus, bevor Georg auch nur nach einer Patientenverfügung schaut. Das empfand ich als höchst unlogisch.

Die Handlung ist nur mäßig spannend. Zu Beginn werden oft Gesetzestexte zitiert (Anzeige gegen Georg), auch später findet man immer wieder Passagen, in denen etwas zitiert wird, um die Seiten zu füllen. Erst gegen Ende wurde es mal richtig spannend, nur um dann mit einem völlig unlogischen, abstrusen und aus dem Zusammenhang gerissenen Ende aufzuwarten. Dies hat mich endgültig von dem Roman enttäuscht! Leider kann ich nicht ins Detail gehen, sonst muss ich spoilern.

Insgesamt wurde im Laufe der Handlung, mein Eindruck, dass hier von Verlag und Autor unbedingt noch etwas vor der diesjährigen Bundestagswahl veröffentlicht werden sollte, immer stärker. Alles wirkte auf die Schnelle zusammengeschrieben, wodurch Fehler und Unlogik entstanden. Das Ende erschien mir geradezu „hingerotzt“. Saß der Verlag dem Autor schon mit einer Deadline im Nacken? Vor lauter Abstrusität war sämtliche Spannung dahin, der Epilog besteht aus einem Monolog Georgs über die Gefahren der Manipulation und des Populismus nach einem nicht nachzuvollziehenden Zeitsprung. Ausgerechnet eine gewisse Instanz, die auch aktuell durch Rechtsextremismus in den eigenen Reihen auffällt, kommt zur Rettung? Hier hätte der Autor durch einen Schockmoment noch Potenzial ausschöpfen können, doch es kam zu einem völlig enttäuschenden Weichspüler-Ende. Schade!

Trotz des brisanten und wichtigen Themas kann ich der „Morgenröte“ aufgrund der meiner Meinung nach unzureichenden und schlechten Umsetzung nur zwei Sterne geben.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.06.2021
Das Lied der Wölfe
Fischer, Rena

Das Lied der Wölfe


sehr gut

Liebesgeschichte mit viel Tiefgang

Die junge Wolfsexpertin Kaya Lehmann wird vom schottischen Millionär Alistair McKinley eingeladen, um sein Projekt, Wölfe in Schottland wieder in der freien Wildbahn anzusiedeln, voranzutreiben. Nach ihrer Ankunft sorgt ein Missverständnis dafür, dass Kaya und Alistairs Sohn Nevis sich erst einmal nicht gut verstehen. Der Elitesoldat Nevis leidet an PTBS, was er aber verheimlicht. Außerdem unterstützt er das Projekt seines Vaters nicht. Schon bald merkt Kaya, dass die McKinleys noch ein dunkles Geheimnis haben, welches auf den Familienmitgliedern lastet.

„Das Lied der Wölfe“ hat mich vor allem durch den Schauplatz Schottland und das Thema Wölfe angesprochen und interessiert. Hier habe ich dank der hervorragenden Recherchearbeit der Autorin auch einige neue Aspekte kennengelernt. Auch Nevis' Erfahrungen in der Eliteeinheit SAS, seine Flashbacks, welche er TikToks nennt und die Auswirkungen von PTBS (Posttraumatisches Belastungssyndrom) sind so authentisch geschildert, dass man glaubt, hier nicht nur einen fiktiven Charakter vor sich zu haben. Auch sein Freund Rory leidet an der Krankheit. Durch ihn erfährt der Leser noch eine weitere Dimension von PTBS.
Ihr Hintergrundwissen hat Rena Fischer geschickt in die Handlung eingebaut, so dass man sich nicht mit Fakten überfrachtet fühlt und eher nebenbei an Wissen gewinnt. All dies gefiel mir extrem gut!

Aber auch Kaya hat ihr Päckchen zu tragen, denn sie war in einer unguten Beziehung mit einem sehr manipulativen Mann. Durch die Hilfe ihrer Schwester Lena, die später ebenfalls an der Handlung teilnimmt, konnte sie zwar aus der Beziehung entkommen, ihre Erfahrungen quälen Kaya aber ebenfalls noch in Form von Träumen oder Flashbacks.

Die beiden Protagonisten sind sehr facettenreich und tiefgründig dargestellt, was ich bei Romanen sehr schätze. Durch ihre Erfahrungen fühlen sie sich voneinander angezogen und verstanden, es geht hier nicht nur um Äußerlichkeiten. So wird aus „Das Lied der Wölfe“ mehr als nur ein einfacher Liebesroman. Trotzdem blieben mir Kaya und Nevis manchmal etwas fremd. Ich vermute, weil ihre Lebenswirklichkeit sich sehr von meiner unterscheidet. Neben den beiden sind aber auch die anderen Charaktere interessant ausgestaltet.

Insgesamt habe ich eine sehr schöne Zeit in Schottland verbracht, viel über Wölfe und PTBS gelernt, so schrecklich sich die Kriegserinnerungen manchmal lasen, es war höchst authentisch und das mag ich! Ich würde mich freuen, noch einen weiteren Roman von Rena Fischer zu lesen!

Bewertung vom 26.06.2021
Die Schattenwölfin der Rocky Mountains
Birovljev, Natascha

Die Schattenwölfin der Rocky Mountains


ausgezeichnet

Wie ein Wiedersehen mit alten Freunden

Zum vierten Mal entführt Natascha Birovljev uns Leser nun auf die Willow Ranch in Kanada. Dieses Mal mit neuen Protagonisten:

Da ist die Pferdepflegerin Rosie, welche davon träumt, eine Ausbildung zur Pferdetrainerin zu machen. Ihr Ex-Freund Calvin möchte seine trächtige Stute bei ihr unterstellen, doch die Abstammung des Fohlens wirft Fragen auf. Der Feuerwehrmann Doug umwirbt sie, doch Rosie fühlt sich mehr zu Nick hingezogen.

Cowboy und Wrangler Cody sieht sich mit einer Zwickmühle konfrontiert und muss darüber nachdenken, die erlterliche Milchfarm zu übernehmen, die nach dem Selbstmord seines Bruders und einem Unfall seines Vaters in immer größere Schwierigkeiten gerät.

Der Cree-Indianer Woodwind Jones, ist nach einer Gefängnisstrafe wieder ins Reservat gezogen, tut sich aber schwer damit, sich einzuleben. Der Schamane Chinook gibt ihm den Rat, sich um die Jugendlichen des Reservats zu kümmern, welche oftmals straffällig werden oder Probleme haben.

Obwohl es jetzt zwei Jahre her ist, dass ich die beiden ersten Teile der Willow Ranch-Reihe gelesen habe, stellte sich recht schnell ein Wiedererkennungseffekt bei mir ein, der sich im Verlaufe der Handlung immer weiter in ein herrliches Wohlfühlen steigerte. Ab der Hälfte der Handlung war der Roman für mich wie ein Wiedersehen mit alten Freunden und ich habe wunderbar vom Alltag abschalten können.

Dabei habe ich mich zu Beginn mit den neuen Charakteren etwas schwer getan, weil ich mich erst einmal wieder orientieren musste und noch die alten Protagonisten im Kopf hatte. Doch diese tauchen schnell wieder als Nebencharaktere auf und so komplettiert sich der Charakterreigen sehr gut. Cody, Woodwind und Rosie sind schön ausgearbeitet, haben alle ihre Träume und müssen Rückschläge verkraften. Ich empfand sie als sehr authentisch und konnte ihre Schwierigkeiten und Motivationen gut nachvollziehen.
Vor allem durch Woodwind und sein Engagement für die Cree-Jugendlichen lernt man als Leser wieder viel über die Spiritualität und Traditionen der „Native Americans“. Das ist mit ein Grund, warum ich Natascha Birovljevs Bücher so gerne lese!

Einen kleinen Kritikpunkt gibt es dennoch, und zwar ging mir am Ende alles etwas zu glatt und glücklich aus für die Protagonisten, am deutlichsten bei Rosie. Trotzdem war mein Leseeindruck insgesamt wieder sehr positiv. Ich habe die Zeit auf der Willow Ranch außerordentlich genossen und möchte unbedingt erfahren, wie es vor allem mit Woodwind weitergeht! Die Willow Ranch ist eine wunderbare Reihe zum Wohlfühlen für mich und ich kann sie euch daher sehr ans Herz legen, vor allem denjenigen, die gerne etwas „Western Flair“ mögen!

Bewertung vom 30.04.2021
Laudatio auf eine kaukasische Kuh
Jodl, Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh


sehr gut

Olga stammt aus Georgien, gehört aber zur Volksgruppe der pontischen Griechen. Nach Georgien und Griechenland ist die Familie seit etlichen Jahren in Deutschland ansässig und Olga steht kurz vor ihrem Abschluss als Ärztin. Da Olga sich für ihre Familie schämt, verheimlicht sie ihre Beziehung mit Felix, Spross aus reichem Hause und ebenfalls angehender Arzt. Alles scheint in geregelten Bahnen zu verlaufen, so wie Olga sich dies wünscht. Doch da tritt der Ghostwriter und Lebenskünstler Jack in ihr Leben. Als Olga unerwarteterweise nach Georgien zur Verwandtschaft reisen muss, folgen ihr sowohl Jack als auch Felix. Es folgen einige deutsch-georgische Verwicklungen, bis Olga endlich ihren Mann fürs Leben auserkoren hat.

Neben einer interessanten, oft humorvollen Dreiecksgeschichte beinhaltet Angelika Jodls „Laudatio auf eine kaukasische Kuh“ auch viele Informationen über Georgien und seine Kultur, vor allem die Gastfreundschaft. Dabei habe ich viel gelernt. Auch vom pontischen Dialekt und den pontischen Griechen hatte ich noch nie gehört. Als Germanistin hat die Autorin auch noch so manch kleines Detail aus ihrem Fachgebiet eingebaut, das alles humorvoll und ohne belehrend zu wirken (Stichwort: deutsche Vorsilben). Dies alles gefiel mir sehr gut.

Protagonistin Olga wirkte recht heimatlos auf mich, was bei ihrer Biografie auch verständlich ist. Im Laufe der Handlung schämt sie sich nicht mehr für ihre Herkunft, sondern akzeptiert ihre georgisch/pontische Seite und kommt damit ins Reine. Diese Entwicklung war gut dargestellt und auch sehr gut nachvollziehbar. Dies gefiel mir sehr gut!

Felix ist ein Langweiler, gewohnt Geld zu haben. Im Gegensatz zu ihm wirkt Jack extrem keck, schlagfertig und humorvoll. Er konnte mich sofort begeistern!

Olgas und Jacks Erlebnisse in Georgien haben das Land von vielen Seiten gut präsentiert. Dazu hat die Autorin noch die Sage um Jason und Medea eingebunden. Letztlich aber gibt es keine Parallelen zu den Hauptfiguren des Romans, was ehrlich gesagt, gut war.

Zum Ende hin ist der Roman nicht mehr so humorvoll und spritzig und wartet mit wenig Dramatik auf. Es wirkte auf mich, als würde die Handlung im Sand versickern, es war eher ein leises Ausklingen statt ein Paukenschlag. Es war nicht schlecht, aber auch nicht das, was ich durch den vorherigen Verlauf erwartet habe.
„Laudatio auf eine kaukasische Kuh“ ist eine spritzige, humorvolle und schöne Liebesgeschichte, bei der man nebenbei auch noch einiges über Georgien erfährt. Ich kann den Roman bedenkenlos allen empfehlen!

Bewertung vom 06.03.2021
Kim Jiyoung, geboren 1982
Cho, Nam-joo

Kim Jiyoung, geboren 1982


sehr gut

Cho Nam-Joos Buch über Kim Jiyoung hat in Korea hohe Wellen geschlagen, denn es zeigt an der Hauptprotagonistin exemplarisch, was der Mehrheit der Mädchen und Frauen in Korea täglich widerfährt.
Schon nach Jiyoungs Geburt entschuldigt sich ihre Mutter bei ihr, für das, was sie erwarten wird. Der jüngere Bruder bekommt immer das beste, die beiden Schwestern müssen teilen. Auch in der Schule wird es nicht anders: Jungen werden bevorzugt. Belästigungen im Alltag oder im Job, sowie eine erfolglose Arbeitssuche nach dem Studium, weil Frauen wegen einer potenziellen Schwangerschaft nicht erwünscht sind, das kennen Frauen und Mädchen auch in Europa. In Korea sind die traditionellen Geschlechterrollen jedoch noch viel stärker verankert. Es wird erwartet, dass eine Frau ihren Beruf aufgibt und sich um den Nachwuchs kümmert. So ergeht es auch Jiyoung und ihrer Mutter. Während die Mutter sich noch um kleine Verbesserungen ihres Lebens bemüht, scheint Jiyoung zu resignieren. Bis sie sich eines Tages merkwürdig verhält und zum Psychologen muss. Dessen Bericht ist im Prinzip der Roman.

Durch die eher sachliche Erzählung dieses Berichts bleibt man etwas außen vor und es wird keine emotionale Verbindung mit der Protagonistin geschaffen. Das ist bei diesem Roman aber auch nicht erwünscht, denn hier soll der Gesellschaft der Spiegel vorgehalten und Missstände aufgedeckt werden. Dies gefiel mir.

Das Cover mit der gesichtslosen Frau deutet es schon an: Jiyoung ist wie jede Frau, ob koreanisch oder europäisch. Was ihr widerfährt, kann jedem widerfahren, wenn man nicht sogar schon Erfahrungen mit Misogynismus gemacht hat. Ob die Zustände in Korea aber genauso krass sind, wie geschildert oder ob die Autorin nur einfach alles mögliche an ihrer Protagonistin „abarbeitet“, kann ich nicht beurteilen. Es ist aber auch nicht wichtig, wichtig ist nur, dass auch nur ein einziger Vorfall von dem was Jiyoung widerfährt, zuviel und untragbar ist. Was aus der Erzählung auch klar wird: solange Frauen sich nicht gegenseitig unterstützen und die Dinge verändern wollen, wird sich nichts ändern. Die Männer können und wollen die weibliche Perspektive nicht einnehmen, außerdem könnte es ja sein, dass eine Veränderung für die männliche gesellschaftliche Dominanz eine Verschlechterung darstellt. Daher bleibt man lieber bequem bei den alten Handlungsmustern, wie der Paukenschlag am Ende des Buches beweist. Dies gefiel mir, hat mich aber auch ernüchtert zurückgelassen.

Meine einzige Kritik an Cho Nam-Joos Roman besteht darin, dass ich als Frau die meisten diskriminierenden Vorfälle schon kannte, wenn ich sie auch nicht alle selbst erlebt habe. Nur die Aspekte aus Jiyoungs Kindheit waren neu und die Erkenntnis, dass es Frauen in Korea noch etwas schwerer haben als hier. Insofern habe ich nicht viel Neues gelernt.
Ich habe auch immer darauf gewartet, dass Jiyoung noch in irgendeiner Art rebelliert und sich auflehnt. Das ist aber nicht geschehen, das Symptom ihrer Unzufriedenheit und ihres Frusts äußert sich nur psychisch, sie bleibt passiver als ihre Mutter.

Insgesamt ist „Kim Jiyoung, geboren 1982“ nicht nur ein brisantes, politisches Buch für die koreanische Gesellschaft geworden, man kann vieles auch direkt für unsere Gesellschaft übernehmen. Was ich daraus mitnehmen werde: Frauen werden noch immer in vielen Bereichen diskriminiert oder angefeindet, wir müssen zusammenhalten und gemeinsam dagegen angehen.

Bewertung vom 25.02.2021
Die Bücherfrauen
Tilghman, Romalyn

Die Bücherfrauen


weniger gut

Abgesehen von einigen punktuellen Momenten, in der mich die Handlung ansprach und interessierte, war „Die Bücherfrauen“ eine sehr enttäuschende Lektüre für mich.

Die drei Protagonistinnen Angelina, Gayle und Traci erzählen abwechselnd aus ihrer Perspektive. Leider blieben sie allesamt blass und konnten mich nicht für sich einnehmen. Gerade Gayles Abschnitte wurden sehr kurz gehalten, so dass sie für mich anfangs nur auf ihr Trauma reduziert wurde und die Entwicklung ihres Charakters am Ende nicht nachvollziehbar war.
Angelina ist mit fast 40 Jahren sehr unreif, initiativlos und naiv.

Die Handlung von Romalyn Tilghmans Roman ist extrem ziellos, es zieht sich nur ein sehr dünner roter Faden durch den Roman, nämlich die öffentlichen Bibliotheken, die Stahltycoon Andrew Carnegie im 19. und 20. Jahrhundert sponsorte.
Ansonsten eiert der Plot zwischen der Rettung eines Kulturzentrums, Beschreibungen des ländlichen Kansas, Quilten, einer Clique schwieriger Jugendlicher, der Suche nach einem Tagebuch, vielen Nebencharakteren und belanglosen Beschreibungen herum. Mir scheint, die Autorin wollte sehr viele Aspekte einfügen, was jedoch damit endete, dass keiner vernünftig durchdacht und ausgeführt wurde.

Wenn einmal ein Ereignis stattfand, dass der Handlung eine Wendung oder zumindest etwas Pep verleihen könnte, wirkten die Protagonistinnen seltsam teilnahmslos und übergingen die Ereignisse. Die Autorin ging bis zum Ende nicht mehr darauf ein! Das empfand ich als sehr frustrierend.
Daneben gibt es noch etliche logische Fehler beim Zeitrahmen und dem Alter verschiedener Charaktere, die beim Leser endgültig Verwirrung stiften.

Die meisten Handlungselemente, vor allem am obligatorischen Happy End, wirkten doch arg konstruiert auf mich, teilweise waren sie mit einem Groschenroman vergleichbar. Zwei Romanzen entstehen aus dem Nichts. Zuletzt wird dem Leser alles hübsch abgerundet mit einer Schleife serviert, als hätte die Autorin eine Liste abgehakt.
Es bleibt die Erkenntnis, dass sich in Kansas vor allem die Frauen für die Erhaltung von Kulturangeboten engagieren, und wenn es mit solch biederen Methoden wie dem Topflappenhäkeln ist.
Mir wird der Roman „Die Bücherfrauen“ leider nicht lange in Erinnerung bleiben, dafür war ich zu frustriert von der ziellosen, fehlerbehafteten Handlung und den oberflächlichen Charakteren.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.02.2021
Der Klang der Wälder
Miyashita, Natsu

Der Klang der Wälder


sehr gut

Das schöne Cover und die Handlung rund um die Musik konnten mich sofort für „Der Klang der Wälder“ einnehmen. Ich spiele selbst nicht Klavier, aber ein Blasinstrument, und es war nicht schwierig, den Ausführungen zu folgen, wenn es ab und zu um Töne und Akkorde ging.

„Der Klang der Wälder“ ist ein coming-of-age-Roman. Eine eher leise, aber sehr poetische Erzählung, die mich vom Stil an andere japanische Autoren erinnert. Die fernöstliche Lebensweise und Kultur ist auch hier präsent: ein respektvoller, etwas distanzierter Umgang mit einander, Verneigungen sowie das Streben nach Perfektionismus und Erfolg. Die Liebe und Zuneigung, die Tomura für Kazune empfindet, wird beinahe nur angedeutet.

Der Ich-Erzähler Tomura hat zwar seinen Weg bis zum Klavierstimmer verfolgt, aber das bedeutet nicht, dass er sein Handwerk schon richtig beherrscht. Er muss weiter üben, man sagt 10.000 Stunden lang. Es gibt viele Aspekte, die Tomura berücksichtigen muss: von den Instrumenten, den Räumlichkeiten bis hin zu den Kundenwünschen. Dabei den richtigen Ton zu treffen, das empfindet er als beinahe unmöglich. Tomura ist voller Selbstzweifel, die auch mit seiner Herkunft aus den „rückständigen“ Bergen Hokkaidos zusammenhängen. Ich frage mich, ob eine solche herabsetzende Denkweise mit der japanischen Gesellschaft zusammenhängt oder ob das nur Tomuras subjektives Empfinden ist? Die rauhe Natur und die Wälder seiner Heimat kommen hin und wieder als Motiv zur Sprache, meiner Meinung nach hätte die Autorin dieses Motiv aber noch weiter ausbauen können. Tomura lebt mittlerweile in der Stadt, vermisst er die Wälder oder nicht?
Insgesamt ist bei dem jungen Mann zwar eine Entwicklung auszumachen, aber mir war er insgesamt doch meist zu phlegmatisch.

Mir kam es so vor, als seien auch die Klaviere, die gestimmt werden, unterschiedliche Charaktere, so unterschiedlich wie ihre Klangfarbe. Dieser Aspekt gefiel mir sehr gut!

„Ich bin nicht begabt. […] Ich tröstete mich mit dem Gedanken, dass Talent nicht das Entscheidende war, um ein Klavier zu stimmen. […] Erfahrung, Übung, Fleiß, Wissen, schnelle Auffassungsgabe, Beharrlichkeit, und nicht zuletzt Leidenschaft. Damit lässt sich mangelndes Talent wettmachen.“ - „Talent zeigt sich in der Hingabe an die Sache, die man liebt. Darin, nicht lockerzulassen. Man könnte es auch Kampfgeist nennen. […] So jedenfalls denke ich darüber.“ (Seite 128,129).
Dieser Austausch zwischen Tomura und seinem Lehrer Yanagi ist stellvertretend für viele Dialoge und das zentrale Thema der Entwicklung des Protagonisten. Schließlich zeigt Tomura doch das Talent, von dem er nicht glaubt, es zu besitzen. Was hilft ihm über seine Selbstzweifel hinweg? Über diese Gedanken lässt sich bestimmt auch prima diskutieren und mit den Ansichten unserer europäischen Kultur vergleichen. Daher liebe ich es, auch mal Bücher aus anderen Kulturkreisen zu lesen.

Zuletzt hat Tomura seinen persönlichen Sinn des Lebens gefunden, in seiner Arbeit und seinem Ziel, Kazunes persönlicher Klavierstimmer zu sein.

Fazit: Mir gefielen viele Aspekte dieses kleinen, aber feinen japanischen Romans. Andererseits bleiben einige Fragen offen und die Entwicklung des Protagonisten geschah beinahe quälend langsam. Ich vergebe vier Sterne für die poetische Sprache und die Liebe und Hingabe zur Musik.