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Winterkind
Wohnort: 
Süddeutschland

Bewertungen

Insgesamt 2 Bewertungen
Bewertung vom 22.02.2023
Der Hoffnungsvogel
Boie, Kirsten

Der Hoffnungsvogel


sehr gut

In dem Buch „Der Hoffnungsvogel“ geht um den jungen Königssohn Jabu, der sich seiner Verantwortung stellt, sich bei der Suche nach dem Hoffnungsvogel auf eine abenteuerliche Reise begeben muss und dabei weit über sich hinauswächst.

Jabu lebt zusammen mit seiner Mutter, der Guten Königin, im Glücklichen Land, das geprägt ist von einem friedlichen Miteinander, frei von Neid, Zorn, Hass oder Missgunst. Eines Tages findet diese Idylle jedoch ein jähes Ende: So singt der Hoffnungsvogel des Landes plötzlich nicht mehr, und die Stimmung im Lande kippt. Da bittet die Königin ihren Sohn um Hilfe und appelliert an dessen Verantwortung, das Land wieder zu einem Besseren zu machen, indem er den Vogel zurückbringen würde. Auch, wenn Jabu anfänglich große Ängste und Bedenken hat, stimmt er zu und begibt sich auf die abenteuerliche Reise ins Land jenseits des Meeres, wo er den Vogel vermutet. Wie gut, dass Jabu vielen starken Mädchen und Jungen sowie Männern und Frauen begegnet, die ihm mit Rat und Tat zur Seite stehen und ihr Möglichstes geben, um diesen Auftrag zu erfüllen.

Im Klappentext des Buches wird verraten, dass es sich bei der Geschichte rund um den Hoffnungsvogel um ein Märchen zum Vorlesen und Selberlesen handeln solle.

Nun, ich finde, es ist tatsächlich in Wahrheit so viel mehr, als nur ein Märchen!

Die Autorin setzt zwar durchwegs auf altbewährte Märchen-Motive, setzt diese jedoch in einen ganz neuen Kontext und bewertet diese gänzlich neu.

So spielt sie zum Beispiel gekonnt mit den konventionellen Rollen-Klischees: Dieser Prinz ist nicht vorwiegend mutig, furchtlos und draufgängerisch- nein! Er ist zunächst zögerlich, ängstlich, zurückhaltend und sehr sensibel. Dennoch beweist er seine immense Stärke, indem er sich seinen Ängsten stellt. Die Mädchen und Prinzessinnen in der Geschichte sind nicht die „armen, furchtsamen Wesen, die es zu beschützen gilt". Nein! Diese sind selbstbewusst, reflektiert und stehen ihren Mann, wenn es sein muss.

Typische „Männer-Berufe“ werden hier explizit von Frauen ausgeübt, „harte Kerle“ trinken aus geblümten Teekannen, fürchten sich vor so Einigem und lassen sich nur allzu gern von starken Frauen das Wasser reichen. Allein das ist schon wahnsinnig innovativ und würde uns so in einem typischen „Märchen“ niemals begegnen.

Die Autorin setzt außerdem auf die Vielfältigkeit: So ist der Fröhliche Prinz als PoC dargestellt, ohne dies zu benennen oder infrage zu stellen.

Alles ist so normal, dass es keiner Worte bedarf, um es genauer zu thematisieren.

Alleine schon das macht dieses Buch zu einem unfassbar wertvollen Buch für die Kinder in unserer heutigen Gesellschaft. Ich bin wirklich begeistert, und meine Kinder sind es auch!

Toll sind zudem die wunderschönen Illustrationen von Katrin Engelking. Ihr ist es gelungen, die Handlung des Buches abzubilden. Durch Spielereien mit Farben und Nuancen gelingt es ihr ganz subtil, Stimmungen und Entwicklungen im Buch zu verdeutlichen. Dies hat mich sehr beeindruckt.

Den Schreibstil fand ich zunächst etwas gewöhnungsbedürftig, da die Autorin ein lyrisches-Ich erschafft, das immer wieder selbst in Erscheinung tritt und die Zuhörer anspricht. Die Moral, die hierdurch immer wieder vermittelt werden soll, ist sinnvoll und nachvollziehbar, jedoch empfand ich die Einwände teilweise als etwas sehr „belehrend“. Aufgrund dieser sprachlichen Eigenheit empfehle ich das Buch auch eher zum Vorlesen, als zum Selberlesen. Zudem handelt es sich bei der Schrift um eine Serifen-Schrift, deren Zeilenabstand recht eng gesetzt ist. Daher würde ich das Buch frühestens ab 9 Jahren zum Selberlesen empfehlen.

Zum Vorlesen eignet es sich meiner Meinung nach bereits ab 5-6 Jahren sehr gut.

Alles in Allem ist Kirsten Boie hier mal wieder ein Meisterwerk gelungen, das alle Kinder mindestens einmal vorgelesen bekommen sollten! Und auch für die VorleserInnen ist das Buch ein wahrer Genuss!

Bewertung vom 15.01.2023
In der Stille der Polarnacht
Macallister, Greer

In der Stille der Polarnacht


ausgezeichnet

In einer Zeit, in der die Frau als Person nicht zählt, in der gesellschaftliche Vorgaben starr und erbarmungslos sind, machen sich 13 wagemutige Frauen auf, um im ewigen Eis dem Schicksal einer verschollenen Expeditions-Gruppe auf den Grund zu gehen.
Leider fordert dieses Abenteuer seinen Tribut und nicht alle Frauen kommen (gesund) wieder zurück, woraufhin die Anführerin der Gruppe, Virginia Reeve, des Mordes angeklagt wird. In einem spannenden und von Lügen und Intrigen geprägten Gerichtsprozess gilt es nun, ihre Unschuld zu beweisen und sie so vor dem drohenden Strick zu retten.
Als ich das Buch das erste Mal in Händen hielt, mir den Titel uns das Titelbild anschaute, stellte ich mich auf eine spannende Abenteuergeschichte inmitten der arktischen Wüste ein.
Schnell wurde klar, dass sich meine Vorstellungen nicht ganz bewahrheiteten:
So liegt der Fokus des Romans nichts auf den Gefahren, die die arktische Landschaft und die Beschwernisse einer Expedition bergen, sondern eher auf zwischenmenschlichen Beziehungen, der persönlichen Weiterentwicklung der Figuren und vor allen Dingen den konservativen und frauenverachtenden Vorgaben der damaligen Zeit. Hierbei gelingt es der Autorin ganz hervorragend, die damaligen Missstände aufzuzeigen und darzustellen, wie starke Frauen sich gegen diese Vorgaben aufgelehnt haben oder am Ende einknicken mussten. Es wird sehr deutlich, dass alle Facetten der Gesellschaft (Homosexualität, Rassendiskriminierung, Ehebruch, ungewollte Schwangerschaften, Gewalt in der Beziehung, Transgender, etc.) auch damals schon Thema waren, dass aber ganz anders damit umgegangen wurde, als heute.
Obwohl der Roman einen wahren historischen Kern hat (Die Polarexpeditionen des John Franklin), darf man keine realitätsgetreue Darstellung erwarten. Viele Schilderungen kratzen nur an der Oberfläche und sind recht unglaubwürdig (z.B. dass einige Frauen „mal eben so schnell entscheiden“, sich von jemand Fremden in eine ungewisse Zukunft führen zu lassen, ohne jedwede Vorbereitung). Nichtsdestotrotz gelingt es der Autorin auch durch ihre (bis auf wenige Ausnahmen) gekonnte Sprache, den/ die LeserIn bis zum letzten Satz zu fesseln!
Ich selbst habe den Roman gespannt verfolgt und konnte ihn zeitweise gar nicht mehr aus der Hand legen. Die Frauen sind grandios, jede hat ihren eigenen Hintergrund und ihre individuellen Beweggründe, an dieser Expedition teilzunehmen. Diese regten mich intensiv zum Nachdenken an. Dadurch, dass man am Anfang schon erfährt, dass nur noch 5 Frauen von der Expedition zurückgekehrt sind, will man unbedingt wissen, was genau auf der Reise geschehen sein mag. Auch die Geschehnisse im Gerichtssaal lassen einen nicht los und die Spannung bleibt bis zur letzten Seite erhalten.
Nicht zuletzt motivierte mich der wahre Kern des Romans dazu, mich historisch weiterzubilden und mich nochmal in die realen geschichtlichen Ereignisse einzulesen. Somit hatte ich in diesem Buch am Ende neben einem wirklich großartigen Roman ebenso eine lehrreiche Lektüre, die mir wertvolle Impulse für die Auswahl meiner kommenden Lesevorhaben gab.
Das Buch bekommt von mir eine klare Lese- und Kaufempfehlung!