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Benutzername: 
lesley
Wohnort: 
Österreich

Bewertungen

Bewertung vom 29.06.2019
Pechmarie
Siema, G.

Pechmarie


ausgezeichnet

Von der ersten Seite an übt die Geschichte von Marie eine verstörende Faszination aus. Einerseits erschüttert durch die pragmatische Brutalität, die sich in der Welt dieses Mädchens wie ein wucherndes Krebsgeschwür ausgebreitet hat, andererseits hoffend und bangend, es möge jenes Ereignis eintreten, welches den schier unabänderlichen Kurs Richtung Eskalation doch noch zu verändern vermag. Doch diese Hoffnung wird nicht erfüllt. Mit beinahe stoischer Gelassenheit in ihrem Erzählstil führt GSiema konsequent zu Ende, was sie begonnen hat. Pechmarie ist keine leichte Kost, kein Buch für Zwischendurch. Es fordert von seinem Leser und seiner Leserin dem Worst Case-Szenario bis zum bitteren Ende zu folgen und bewegt sich dabei – leider – stets in einem realistischen Bereich.
Detailreich zeichnet GSiema eine Kindheit nach, die gar nicht anders verlaufen kann. Schule, familiäres Umfeld, Nachbarschaft … allesamt Schauplätze von physischer und psychischer Gewalt, wobei letztere sich wie ein subtiler roter Faden durch das Leben von Marie zieht. Bis auf ihre Freundin Elfie scheint niemand Interesse für sie zu haben. Im selben Ausmaß verliert auch Marie das Interesse an ihrer Umwelt, fokussiert sich nur noch darauf, nicht „anzuecken“, und erlebt regelmäßig ihr eigenes Scheitern.
Die einzelnen Teile des Buches folgen keinem chronologischen Ablauf und können für sich allein stehen. Während Teil 1 bereits das Ende des „Prozesses Kindheit“ markiert, schildert Teil 2 eine prägende Phase im Leben Maries, quasi die Grundlage für die späteren Ereignisse. Der Zeitsprung ins Erwachsenenalter im Teil lässt zu Beginn noch etwas Hoffnung zu, Maries Leben könnte sich durch eine junge Liebe in „normale“ Bahnen entwickeln. Doch bereits nach kurzer Zeit lassen beiläufige Ereignisse vermuten, dass dies niemals der Fall werden wird. Auch dies wird Marie nicht auf die Butterseite des Lebens fallen.
Ein erschütternder Einblick in eine (fiktive) traumatisierte Seele, jedoch näher an der Realität als manche vermuten mögen.
Lesley B. Strong
Autorin & Borderlinerin