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Aischa

Bewertungen

Insgesamt 563 Bewertungen
Bewertung vom 19.05.2025
Hauptsache Salat
Raffaelli, Valentina

Hauptsache Salat


sehr gut

Mit "Hauptsache Salat" verleiht Valentina Raffaelli dem Salat den Rang, den er viel zu oft nicht bekommt: den des Hauptdarstellers auf dem Teller. In 60 kreativen Rezepten zeigt die Autorin, dass Salat weit mehr sein kann als bloßes Grünzeug am Tellerrand. Modern, oft ungewöhnlich kombiniert und durchweg ansprechend präsentiert, laden die Gerichte dazu ein, das Konzept „Salat“ ganz neu zu denken – als vollwertiges, oft überraschendes Hauptgericht.

Besonders lobenswert ist der saisonale Aufbau des Buches. Jedes Rezept orientiert sich an der jeweiligen Jahreszeit und verwendet – zumindest dem Anspruch nach – Produkte, die in dieser Zeit frisch erhältlich sind. Damit verfolgt Raffaelli ein wichtiges Ziel: die Vielfalt von Obst- und Gemüsesorten zu bewahren und bewusster zu konsumieren. Allerdings zeigt sich hier auch eine gewisse Diskrepanz: Die Einteilung basiert auf italienischen Reife- und Erntezeiten und lässt sich nicht ohne Weiteres auf Deutschland übertragen. Gerade weil die italienische Köchin mehrere Jahre in Amsterdam gelebt hat, hätte man erwarten dürfen, dass sie diesen Umstand berücksichtigt – oder zumindest Alternativen für den mitteleuropäischen Raum nennt.

Ähnliches gilt für ihren gut gemeinten Rat, vorzugsweise auf lokalen Märkten einzukaufen. In der Theorie charmant, in der Praxis aber nicht für alle Leserinnen umsetzbar – insbesondere, wenn viele der verwendeten Zutaten hierzulande schwer erhältlich sind. Exotisch klingende Produkte wie Mizuna, Bottarga, Pioppini-Pilze oder Lampascioni mögen Feinschmeckerinnen begeistern, erschweren aber den Zugang für den Durchschnittskoch. Eine Liste mit gängigeren Alternativen hätte dem Buch gutgetan und es alltagstauglicher gemacht.

Dafür punktet Hauptsache Salat an anderer Stelle: Die Mengenangaben beziehen sich meist auf eine Portion – eine simple, aber äußerst praktische Lösung, die das Hochrechnen für mehrere Personen deutlich erleichtert. Auch die Vorstellung unterschiedlicher Essig- und Ölsorten sowie die Grundrezepte für Würzöle, Konfitüren und Fermentiertes bieten Mehrwert, gerade für Leser*innen, die gern experimentieren oder auf der Suche nach neuen Basics für die Küche sind.

Nicht zuletzt überzeugt die Gestaltung: Die stimmungsvollen Fotos von Laura Spinelli und die charmanten Illustrationen von Luca Boscardin machen das Blättern zum Genuss und wecken Lust, gleich in der Küche loszulegen. Die hochwertige Aufmachung unterstreicht den Anspruch, Salat aus der Nische der langweiligen Beilage zu befreien.

Fazit: "Hauptsache Salat" ist ein visuell ansprechendes, ideenreiches Kochbuch, das Salat in seiner ganzen Vielfalt feiert. Kleinere Schwächen in der regionalen Übertragbarkeit und bei der Zutatenauswahl trüben den Gesamteindruck etwas, schmälert aber nicht das Potenzial für kulinarische Neuentdeckungen. Wer offen für neue Kombinationen ist – und bereit, auch mal etwas zu improvisieren – wird mit diesem Buch viele frische Impulse bekommen.

Bewertung vom 19.05.2025
Für Polina
Würger, Takis

Für Polina


gut

Takis Würgers neuer Roman "Für Polina" beginnt durchaus vielversprechend: Mit einem feinen Gespür für Sprache und Atmosphäre führt uns der Autor in die Welt seines Protagonisten Hannes ein, dessen Leben durch den frühen Tod der Mutter eine jähe Wendung nimmt. Anfangs wirkt die Geschichte eindringlich, beinahe poetisch. Doch was als sensibles Porträt eines traumatisierten Jungen beginnt, verliert sich bald in einer überkonstruierten und vorhersehbaren Liebesgeschichte, die am Ende mehr Sentimentalität als Substanz bietet.

Hannes hört nach dem Tod seiner Mutter nicht nur auf zu sprechen, sondern stellt auch sein Wachstum ein – ein literarisches Motiv, das unweigerlich an Oskar Matzerath aus Grass' Blechtrommel erinnert, ohne allerdings dessen vielschichtige Dimensionen zu erreichen. Stattdessen wirkt diese Anleihe wie ein bloßes Stilmittel, das den Eindruck von Tiefe eher vortäuscht als tatsächlich herstellt.

Die größte Zumutung für mich stellt jedoch die Entwicklung von Hannes zum gefeierten Konzertpianisten dar. Obwohl er sich über Jahre hinweg weigert zu spielen und zudem einen Finger verloren hat, steht dieser offenkundige Widerspruch seinem internationalen Erfolg nicht im Weg – hier verliert die Story jegliche erzählerische Glaubwürdigkeit. Die Realität wird glattgebügelt, jede Widrigkeit des Lebens erscheint letztlich nur wie ein Stolperstein auf dem Weg zu einem kitschigen Happy End, das so süß daherkommt, dass es beinahe schmerzt.

Auch das Frauenbild des Romans bleibt fragwürdig. Mit Ausnahme von Hannes’ Mutter Fritzi wirken die weiblichen Figuren entweder platt oder klischeehaft überzeichnet. Wenn sich Männer verlieben, dann stets auf Grundlage äußerlicher Reize – innere Konflikte oder Persönlichkeitsmerkmale scheinen zweitrangig. Besonders ärgerlich ist dabei die Darstellung der titelgebenden Polina: Als Projektionsfläche männlicher Sehnsüchte steht sie im Mittelpunkt, doch sobald sie sich für ein selbstbestimmtes Leben entscheidet, wird ihre Perspektive weitgehend ausgeblendet. Ihr Weg ohne Mann an der Seite bleibt nicht nur unbeleuchtet – er scheint erzählerisch kaum von Bedeutung zu sein.

So bleibt "Für Polina" ein Roman, der auf den ersten Blick zu unterhalten weiß, aber bei näherem Hinsehen enttäuscht. Zu glatt, zu sentimental, zu schematisch. Statt die Widersprüche des Lebens ernst zu nehmen, schiebt Würger sie beiseite – und liefert ein Werk, das mit großer Geste von Liebe spricht, letztlich aber an der Oberfläche bleibt. Schade, denn der Anfang zeigte, dass da mehr möglich gewesen wäre.

Fazit: Ein ambitioniert beginnender Roman, der leider in Kitsch und klischeehafter Konstruktion versinkt – mit einem Frauenbild, das mehr Fragen aufwirft als Charaktertiefe liefert.

Bewertung vom 29.04.2025
Das Haus der Türen
Eng, Tan Twan

Das Haus der Türen


ausgezeichnet

Was für ein Buch! Das Haus der Türen ist eine jener seltenen Entdeckungen, bei denen man schon nach den ersten Seiten spürt: Hier entfaltet sich etwas Großes, Feinsinniges, Bleibendes. Tan Twan Eng hat einen Roman geschrieben, der auf eindringliche und zugleich elegante Weise unter die Haut geht – und lange dort bleibt.

Die Geschichte spielt größtenteils im kolonialen Penang des Jahres 1921, einer faszinierend ambivalenten Welt, in der gesellschaftliche Konventionen, Rassenschranken und Machtverhältnisse unter der tropischen Sonne brodeln. In diesem atmosphärisch dichten Setting verwebt Eng historische Realität und Fiktion zu einem ebenso klugen wie emotional bewegenden Text. Im Zentrum steht der Besuch des englischen Schriftstellers William Somerset Maugham – begleitet von seinem (damals geheim gehaltenen) Liebhaber – bei einem britischen Ehepaar. Doch was zunächst wie ein kultivierter Rückzugsort wirkt, entpuppt sich schnell als Bühne für unterdrückte Wünsche, verschüttete Wahrheiten und gesellschaftliche Zwänge.

Der Roman basiert auf einem wahren Kriminalfall, der Maugham zu seiner berühmten Erzählung "Der Brief" inspirierte. Doch Tan Twan Eng belässt es nicht bei einer literarischen Hommage: Er gräbt tiefer, legt die psychologischen Risse in den scheinbar makellosen Fassaden seiner Figuren offen und verwebt persönliche mit politischen Befreiungskämpfen – von der Unabhängigkeit asiatischer Kulturen bis zum Ringen einzelner Frauen um ihre Stimme.

Was "Das Haus der Türen" so besonders macht, ist nicht nur die Komplexität seiner Themen, sondern auch Engs meisterhafte Sprache. Die Geschichte ist durchzogen von poetischen, bildstarken Formulierungen, wie diesem herrlichen Satz: „Am Ende der Bucht simmerte ein kaum zwei Schritt breiter Bach in seinem flachen Sandbett und sog das Regenwasser aus den Bergen, um den unstillbaren Durst des Meeres zu stillen.“ Man möchte innehalten, zurückblättern, noch einmal lesen – und gleichzeitig unbedingt weiter.

Dass Tan Twan Eng eigentlich Jurist ist, lässt einen staunen: Wie er zum Schreiben kam, weiß ich nicht – aber es ist ein Glücksfall, dass er diesen Weg gegangen ist. Das Haus der Türen ist ein Roman von großer stilistischer Eleganz und emotionaler Tiefe. Vielschichtig, berührend, literarisch herausragend.

Für mich ganz klar eines der Lesehighlights des Jahres. Absolute Empfehlung!

Bewertung vom 28.04.2025
MARCO POLO Reiseführer Barcelona
Macher, Julia;Massmann, Dorothea;Timmermann, Ingrid

MARCO POLO Reiseführer Barcelona


ausgezeichnet

Barcelona ist mir durch mehrere Aufenthalte bestens vertraut, dennoch hat mich der Marco Polo Reiseführer in der 21. Auflage (Februar 2025) positiv überrascht. Die kompakte Klappenbroschur im praktischen Taschenbuchformat liefert trotz sehr knapp gehaltener Texte eine beeindruckende Fülle an Informationen, die auch für Kenner der Stadt noch neue Entdeckungen bereithält.
Die klassische Einteilung in Kategorien wie Sightseeing, Essen & Trinken sowie Shoppen sorgt für eine übersichtliche Struktur. Besonders hervorzuheben ist jedoch das Kapitel mit vier ausgewählten Erlebnistouren. Diese bieten einen echten Mehrwert für alle, die sich nicht selbst aufwendig Routen zusammenstellen möchten. Praktischerweise lassen sich die Touren über einen QR-Code aufs Smartphone laden – perfekt auch für die Offline-Nutzung unterwegs.
Neben den reinen Informationstexten überzeugt der Reiseführer mit vielen nützlichen Extras: Tipps zu typischen Fettnäpfchen, ein aktueller Metroplan sowie eine herausnehmbare Faltkarte helfen, sich mühelos in der katalanischen Hauptstadt zurechtzufinden. Sehr gut gefallen haben mir außerdem die beigefügte Spotify-Playlist sowie die inspirierenden Film- und Literaturtipps – ideale Features, um sich schon vor der Reise auf das besondere Flair Barcelonas einzustimmen.
Fazit: Der Marco Polo Reiseführer "Barcelona" ist eine empfehlenswerte, kompakte Hilfe – sowohl für Erstbesucher als auch für erfahrene Barcelona-Liebhaber, die noch einmal neue Facetten der Stadt entdecken möchten.

Bewertung vom 17.04.2025
Auf allen vieren
July, Miranda

Auf allen vieren


gut

Mit ihrem Roman Auf allen Vieren wagt sich Miranda July in gewohnt eigenwilliger Manier an die Ränder gesellschaftlicher und persönlicher Selbstverständlichkeiten. Wer bereits mit Julys künstlerischem Werk vertraut ist — sei es ihre Filmkunst, ihre Kurzgeschichten oder Performances — wird in der Protagonistin dieses Romans unschwer Parallelen zur Autorin selbst erkennen. Julys Blick auf das Alltägliche, ihr oft schonungsloser Humor und ihre Fähigkeit, das Intime mit dem Skurrilen zu verweben, scheinen hier fast direkt aus dem eigenen Leben in die Romanhandlung überzugehen. Es fällt schwer zu glauben, dass Auf allen Vieren rein fiktional ist; zu sehr klingen autobiografische Anteil zwischen den Zeilen an.
Zu Beginn habe ich die Geschichte mit großem Vergnügen und ehrlichem Interesse verfolgt. Sowohl inhaltlich als auch sprachlich liegt der Roman außerhalb dessen, was ich üblicherweise lese — und genau das hat mich fasziniert. Besonders angenehm empfand ich die beiläufige Selbstverständlichkeit, mit der die Protagonistin ein nonbinäres Kind hat: Die Verwendung geschlechtsneutraler Pronomen wie dey, dem und deren geschieht unaufgeregt, ohne belehrenden Ton, und ist genau deshalb so wirksam.
Ein weiteres großes Plus ist die Thematisierung weiblicher Sexualität in unterschiedlichen Lebensphasen und der Veränderungen, die die (Prä-)Menopause für das Selbstbild einer Frau mit sich bringen kann. Dies findet in der Gegenwartsliteratur, abseits von Sachbüchern, bisher viel zu selten Platz, und es ist erfrischend wie selbstverständlich July diese Erfahrung ins Zentrum rückt.
Doch trotz all dieser spannenden und wichtigen Aspekte hat mich die Story im Verlauf zunehmend verloren. Gegen explizite Darstellungen sexueller Fantasien oder Selbstbefriedigung habe ich keinerlei Einwände — im Gegenteil, Offenheit an dieser Stelle ist bereichernd. Allerdings kippte für mich das Gleichgewicht, als sich der Roman fast ausschließlich um Sex, Begierde und Masturbation zu drehen begann. Die Handlung geriet ins Stocken, die Figuren blieben oft skizzenhaft, und manches Verhalten wirkte auf mich schlichtweg unplausibel. Die Frage, ob befreundete Mittvierzigerinnen sich tatsächlich regelmäßig Nacktselfies schicken — und warum — blieb für mich ebenso unbeantwortet wie die Ursachen für die emotionale Distanz der Protagonistin zu ihrem Ehemann.
So bleibt mein Leseerlebnis am Ende zwiegespalten: ein Roman, der wichtige Themen anspricht und mit erfrischender Offenheit aufwartet, der aber erzählerisch nicht immer überzeugt und mich schließlich eher ratlos als begeistert zurückließ. Für mich leider nur ein mittleres Leseerlebnis — originell, aber unausgewogen.

Bewertung vom 17.04.2025
Die Vergangenheit kennt kein Ende
Schweiger, Wolfgang

Die Vergangenheit kennt kein Ende


sehr gut

Wolfgang Schweiger entführt seine Leserinnen und Leser mit "Die Vergangenheit kennt kein Ende" in das Chiemgau Mitte der 1950er Jahre — eine Region, die auf den ersten Blick idyllisch wirkt, unter der Oberfläche jedoch noch tief von den Schatten des Nationalsozialismus geprägt ist. Mit sicherem Gespür für historische Atmosphäre und detailreiche Milieuschilderungen gelingt es Schweiger, die Stimmung im ländlichen Nachkriegsdeutschland eindrucksvoll einzufangen.
Besonders überzeugt hat mich die Authentizität der Figuren. Allen voran Kriminalkommissar Mehringer, der mit seinem ausgeprägten moralischen Kompass nicht davor zurückschreckt, auch unbequeme Wege zu gehen. und sich gegen das teils noch immer menschenverachtende Gedankengut in Polizei und Justiz zu stellen. Schweiger zeigt schonungslos, wie tief rassistische und nationalsozialistische Überzeugungen auch Jahre nach Kriegsende noch in den Köpfen verankert waren, selbst bei Polizei und Justiz — ein Aspekt, der dem Roman eine bedrückende Aktualität verleiht.
Die Handlung selbst ist äußerst temporeich und hält den Spannungsbogen konstant auf hohem Niveau. Ein Kriminalfall reiht sich an den nächsten, sodass kaum Zeit zum Durchatmen bleibt. Einziger Wermutstropfen: Aufgrund der Vielzahl an handelnden Personen fiel es mir zu Beginn nicht leicht, den Überblick zu behalten. Ein Personenverzeichnis hätte hier für Orientierung sorgen können.
Kritisch anmerken möchte ich die Darstellung einer wahrsagenden sogenannten „Zigeunerin“. Hier bedient Schweiger leider ein klischeehaftes Stereotyp, das die Ausgrenzung von Sinti und Roma als „andersartig“ weiter zementiert — ein bedauerlicher Bruch in einem ansonsten sehr feinfühligen Roman.
Abgesehen davon überzeugt "Die Vergangenheit kennt kein Ende" als fesselnder Kriminalroman, der nicht nur durch Nervenkitzel, sondern auch durch sein nuanciertes und atmosphärisch dichtes Bild der deutschen Nachkriegsgesellschaft besticht. Ein Buch, das unterhält und nachdenklich stimmt. Gerne mehr davon!

Bewertung vom 10.04.2025
Einfach herzhaft & süß
Süss, Dominik

Einfach herzhaft & süß


weniger gut

Dominik Süss präsentiert mit „Einfach herzhaft & süß“ sein erstes Kochbuch, das zunächst viel verspricht – und optisch auch absolut überzeugt. Das Buch punktet mit einem modernen, ansprechenden Layout, das gleichzeitig übersichtlich und einladend wirkt. Die rustikalen, bodenständigen Rezepte spiegeln den sympathischen Anspruch wider, klassische Hausmannskost neu zu beleben. Besonders nett: Bonusmaterial wie eine persönliche Spotify-Kochplaylist des Autors und begleitende Videos zu einigen Rezepten – wobei ich Letztere leider nicht bewerten kann, da sie nur via Instagram abrufbar sind und ich keinen Account habe.
Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Nichts gegen Selbstbewusstsein – das gehört zum Auftreten eines jungen Kochs durchaus dazu –, aber Dominik Süss schießt hier regelmäßig übers Ziel hinaus. Sein „bester Eierlikör deines Lebens“, der „weltbeste Kartoffelsalat“ oder gar „weltberühmte Kaspressknödel“ klingen eher nach Marketingfloskeln als nach kulinarischer Bescheidenheit. Ein sparsamerer Einsatz von Superlativen und dafür mehr Substanz hätten dem Ton des Buches gutgetan.
Ebenfalls kritisch sehe ich die penetrante Werbung für einen bekannten Küchengerätehersteller. Dass gutes Equipment hilfreich ist, steht außer Frage – aber die Behauptung, man könne damit den Alltag „millionenfach angenehmer“ machen, wirkt eher wie ein PR-Text als wie ein Teil eines authentischen Kochbuchs.
Und die Rezepte selbst? Alles, was ich ausprobiert habe, war solide und schmeckte gut – aber die ganz großen Aha-Momente blieben aus. Wer schon länger kocht, wird hier wenig Neues entdecken. Das mag aber auch gar nicht die Zielgruppe sein: Dominik möchte junge Menschen zum Kochen motivieren. Ein ehrenwertes Ziel, aber in der Umsetzung hapert es: Mengenangaben sind mitunter ungenau, Zubereitungsschritte zu knapp gehalten und Angaben zur Dauer fehlen leider komplett – für Einsteiger*innen ist das eine unnötige Hürde. Süss mag ein guter Koch sein, zum guten Kochbuchautor fehlt in meinen Augen noch Einiges
Fazit: „Einfach herzhaft & süß“ ist ein hübsch gestaltetes Debüt mit guten Ansätzen und einigen sympathischen Extras. Wer frisch in die Welt des Kochens eintaucht, könnte hier Inspiration finden – vorausgesetzt, man bringt etwas Erfahrung oder Geduld mit. Für ambitioniertere Hobbyköch*innen bleibt es eher ein nettes, aber nicht essentielles Werk im Regal.

Bewertung vom 10.04.2025
30 Pflanzen pro Woche
Seiser, Katharina

30 Pflanzen pro Woche


ausgezeichnet

Katharina Seiser hat es wieder geschafft: Mit „30 Pflanzen pro Woche“ legt die vielfach ausgezeichnete Kochbuchautorin ein Werk vor, das mich inspiriert und begeistert. Dieses Buch ist weit mehr als ein klassisches Kochbuch – es ist ein kluger und zugleich äußerst zugänglicher Leitfaden für alle, die sich gesund, genussvoll und nachhaltig ernähren möchten.

Am Anfang steht ein fundierter Theorieteil: Gemeinsam mit der Ernährungswissenschaftlerin Theres Rathmanner und der Professorin für Umweltbiotechnologie Gabriele Berg gelingt es Seiser, aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse verständlich und praxisnah zu vermitteln. Die zentrale Botschaft – möglichst viele verschiedene Pflanzen pro Woche zu essen – wird überzeugend dargelegt und mit spannenden Hintergründen untermauert.

Dass diese Vielfalt weder kompliziert noch langweilig sein muss, beweist der umfangreiche Rezeptteil. Ich habe schon zahlreiche Gerichte nachgekocht und war jedes Mal begeistert vom Geschmack! Die Rezepte sind kreativ, alltagstauglich und international inspiriert – von türkisch, japanisch oder indisch bis hin zu italienisch und deutsch. Einziger kleiner Wermutstropfen: Die Rezepte wurden bereits in verschiedenen anderen Kochbüchern veröffentlicht, so dass sie Manchem schon bekannt sein können,was jedoch der Qualität dieses Buches keinen Abbruch tut.

Besonders gelungen finde ich die beiliegende Checkliste, mit der man erfassen kann, wie viele verschiedene Pflanzen man pro Woche zu sich genommen hat. Sie macht nicht nur Spaß, sondern motiviert auf wunderbare Weise dazu, die eigene Ernährung abwechslungs- und pflanzenreicher zu gestalten.

Kurzum: „30 Pflanzen pro Woche“ ist ein wirklich gelungenes Werk – informativ, inspirierend und voll köstlicher Rezepte. Für mich definitiv ein neues Lieblingsbuch im Küchenregal. Beide Daumen hoch!

Bewertung vom 02.04.2025
Wiener Zuckerbäckerei
Wörndl, Bernadette

Wiener Zuckerbäckerei


ausgezeichnet

Was für ein traumhaftes Backbuch! Mit "Wiener Zuckerbäckerei" hat die talentierte Autorin und Foodstylistin Bernadette Wörndl ein wahres Meisterwerk geschaffen, das Nostalgie, Tradition und moderne Backkunst auf wunderschöne Weise vereint.

Die Geschichte hinter diesem Buch ist ebenso faszinierend wie die enthaltenen Rezepte: Die 1884 geborene Therese Schulz, einst aus einfachen Verhältnissen stammend, brachte es im Wiener Grandhotel zur Direktrice der Zuckerbäckerei. Ihr handgeschriebenes Rezeptbuch diente Wörndl als Grundlage für dieses beeindruckende Werk. Und was für eine Hommage ist es geworden! Mit viel Fingerspitzengefühl hat sie die historischen Rezepte behutsam modernisiert, ohne ihnen den einzigartigen Charme der Wiener Kaffeehauskultur zu nehmen.

Bereits die Einleitung entführt in das pulsierende Wien der 1920er Jahre. Die vielen stimmungsvollen Fotos und liebevollen Details lassen einen tief eintauchen in die Welt der Zuckerbäcker und Mehlspeisenkünstler jener Zeit. Doch es ist der Rezeptteil, der das Herz aller Backbegeisterten höherschlagen lässt!

Von traditionellen Weihnachtsklassikern wie Vanillekipferl und Zimtsternen bis hin zu längst vergessenen Köstlichkeiten wie Reis à la Trauttmansdorf oder gesulzten Orangen – hier findet sich eine unvergleichliche Vielfalt an süßen Verführungen. Wer sich an aufwendigen Kunstwerken wie den Esterházy-Schnitten oder der filigranen spanischen Windtorte versuchen möchte, findet hier eine perfekte Anleitung. Aber auch für weniger Geübte ist das Buch geeignet: Der Marmorgugelhupf ist ein guter einfacher Einstieg, und dank detaillierter Schritt-für-Schritt-Anleitungen zu verschiedenen Teigsorten gelingen bald auch Hefe-, Biskuit- oder Strudelteig.

Besonders hervorheben möchte ich die hochwertige Aufmachung des Buches. Das Jugendstilmuster in Goldprägung macht das edle Hardcover zu einem wahren Schmuckstück – und zu einem idealen Geschenk für alle Backliebhaber*innen. Auch das österreichisch-deutsche Glossar im Anhang ist eine schöne Ergänzung, um kleinere Sprachbarrieren zu überwinden.

Doch das Allerwichtigste ist und bleibt der Geschmack. Und hier überzeugt "Wiener Zuckerbäckerei" auf ganzer Linie! Die Kuchen, Torten, Plätzchen und Desserts sind nicht nur auf großformatigen Farbfotos umwerfend in Szene gesetzt, sondern schmecken auch himmlisch. Ich habe selten einen so grandiosen Kaiserschmarren wie nach dem hier enthaltenen Rezept gegessen, und die Marillenknödel sind einfach ein Traum!

Für alle Naschkatzen, Hobbybäcker*innen und Liebhaberinnen der Wiener Mehlspeiskultur ist dieses Buch ein absolutes Muss. Meine klare und begeisterte Empfehlung, beide Daumen nach oben!

Bewertung vom 31.03.2025
Ein geschwind listig Wib
Zürcher, Dorothe

Ein geschwind listig Wib


gut

Dorothe Zürchers Romanbiografie "Ein geschwind listig Wib" bietet eine faszinierende und umfassend recherchierte Neudarstellung von Agnes von Ungarn. Die schweizerische Autorin revidiert mit diesem Werk das überlieferte Bild von Agnes als grausame und kaltherzige Königswitwe. Stattdessen zeichnet Zürcher das Porträt einer intelligenten, gebildeten Frau, die ihr Potenzial als Herrscherin leider in der kurzen Ehe mit dem ungarischen König Andreas III. nie voll entfalten konnte und sich nach dessen Tod tief in den christlichen Glauben und karitative Tätigkeiten stürzte.

Die akribische Recherchearbeit, die der Autorin hoch anzurechnen ist, macht sich in einer unglaublichen Fülle an Details bemerkbar. Diese Detailtreue ist gleichzeitig die größte Stärke wie auch – für mich persönlich – die größte Herausforderung des Romans. Trotz eines hilfreichen Anhangs mit Zeittafel und Personenverzeichnis hatte ich immer wieder Schwierigkeiten, den Überblick über die Vielzahl an Figuren und politischen Verflechtungen zu behalten. Mein Lesefluss wurde regelmäßig unterbrochen, weil ich oft zwischen Text und Anhang hin- und herblättern musste, um Zusammenhänge besser zu verstehen. Dies liegt sicherlich auch daran, dass ich nicht über ein tiefgehendes geschichtliches Vorwissen verfüge, dennoch hätte eine etwas entschlackte Darstellung den Lesegenuss für mich erhöht.

Auch die Gestaltung des Buches verdient eine Erwähnung: Das hübsche Hardcover wird durch eine historische Karte ergänzt. Leider enthält diese jedoch nicht alle für Agnes wichtigen Stationen, was den Nutzen für die Leserschaft schmälert. Eine detailliertere und auf den Roman abgestimmte Kartengestaltung mit Kennzeichnung der wichtigen in der Geschichte erwähnten Orte hätte das Leseerlebnis sinnvoll unterstützt.

Trotz dieser Kritikpunkte bleibt "Ein geschwind listig Wib" eine bemerkenswerte Romanbiografie, die es verdient, gelesen zu werden – insbesondere von historisch versierten Leser*innen, die sich für die oft vergessenen weiblichen Perspektiven der Geschichte interessieren. Dorothe Zürcher gelingt es, Agnes von Habsburg eine neue, differenziertere Stimme zu verleihen, die ihr in der Geschichtsschreibung bislang oft verwehrt wurde.