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Benutzername: 
Michael S.
Wohnort: 
Hamburg

Bewertungen

Bewertung vom 17.08.2017
Mieses Karma
Safier, David

Mieses Karma


schlecht

Wenn schon die BILD-Zeitung ein Buch als "Superwitzig und schräg" bejubelt - dann sollte man wohl alle Hoffungen auf ein spannendes Buch fahren lassen. Denn ungewollt verrät das dünne Blatt mit den dicken Buchstaben so bereits, was den Leser auf rund 283 Seiten erwartet bzw. welche Käufergruppe dieses Buch kaufen (lesen?) soll: Eine endlose Aneinanderreihung mittelmäßiger Slapstick-gags und (abwertender) Wortspielchen, die notdürftig über das uralte literarische Thema der 'moralischen Läuterung der Hauptfigur' eine reichlich dürre Story hergeben.
Der Inhalt ist entsprechend schnell zusammengefasst: Die zunächst egoistische und skrupellose Romanheldin durchleidet die Konsequenzen ihres destruktiven Handelns - und wird dadurch ein besserer Mensch (gäähn...). Das ist natürlich in etwa so spannend wie Verkehrsschilder zu beobachten - und entsprechend pimpt Safier sein Werk für seine BILD-Zeitungs-verwöhnten Leserklientel mit ein wenig "Angst, Hass, Sex"-Content. Die Heldin, 'Kim Lange', wird als verlottertes Pop-Flittchen lächerlich gemacht, der "Buddha" wird als 'deus-ex-machina' genutzt, damit er für den Leser (dem man offensichtlich nicht zutraut, dass er selbst über Figuren und deren Handlungsmotive nachdenken kann) die Handlung kommentiert und nochmal haarklein erklärt. Da hat man sogar bei Hollywood- Blockbustern wie "Täglich grüßt das Murmeltier" oder "As good as it gets" mehr auf den Intellekt des Lesers vertraut, der die Prozesse des Selbstreflexion und Katharsis selbst aus den kontinuierlichen Verhaltensänderungen der (viel komplexeren) Figuren schlussfolgern darf.
Es gäbe noch vieles mehr an "Mieses Karma" zu beklagen, aber das hat weniger mit dem Buch selbst als mit dem (geringen) Selbstanspruch dieses Genres und seiner Zielgruppe zu tun: Es bietet schnelle und flüchtige Unterhaltung - ideal für Zugreisende, die im ICE Zeit totschlagen müssen, aber ihre BILD schon zwei Mal gelesen haben. Nur anspruchsvolle LeserInnen werden ggfs. entdecken, wie Safier durch das Hintertürchen das erzkonservative Frauenbild vom "Heimchen am Herd" idealisiert, indem er im Umkehrschluss eine karrierefokussierte Frau brutalstmöglich zur Schlampe und Rabenmutter herabstuft und - unter Missbrauch eines obendrein missverstandenen/fehlinterpretierten Hindusmus (nicht Buddhismus!) - solange waterboarded, bis sich die Heldin gefälligst endlich auf den ihr angemessenen Platz in der Gesellschaft als Ehefrau, Mutter und Putze mit ihrem Schicksal zwischen Windelwechseln, Suppe kochen und den Ehemann anhimmeln zufrieden gibt (S.282). Buh, Herr Safier!

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