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Benutzername: 
JF
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Karl

Bewertungen

Bewertung vom 04.07.2023
Einen Herbst und einen Winter lang
Steinborn, Margit

Einen Herbst und einen Winter lang


sehr gut

Die Geschichte spielt in Berlin in der Zeit von 1908 - 1914. Auf der einen Seite ist Isa, das 10-jährige Mädchen, was in großer Armut aufwächst und versucht, mit Betteleien und Taschendiebstählen die Familie zu ernähren. Auf der anderen Seite Henning, der Sohn eines Fabrikbesitzers, der ohne finanzielle Nöte aufwächst, aber trotzdem sein Päckchen zu tragen hat. Und dazwischen auch noch Viktor, Isas Nachbarsjunge und enger Freund, der ihr in jeder Situation beisteht und auf sie aufpasst.

Ein Unfall führt dazu, dass sich Isa und Henning zufällig und kurz über den Weg laufen, sich danach aber wieder aus den Augen verlieren. Erst Jahre später führen verschiedene Zufälle dazu, dass Isa und Henning sich wieder begegnen. Isa lernt Hennings Familie kennen, und Henning zeigt ihr Möglichkeiten auf, wie sie aus ihrer Armut entkommen kann. Allerdings hat alles seine Schattenseiten und das zarte Band der Liebe zwischen den beiden ist auch geprägt von den unterschiedlichen gesellschaftlichen Zwängen.

Zwischenzeitlich kommt es auch zu ernsten politischen Ereignissen, der Erste Weltkrieg beginnt und Isas langjähriger, enger Freund Viktor wird zum Militärdienst und kurze Zeit später an die Westfront einberufen. Damit nimmt die Geschichte noch einmal an Dramatik auf und hebt mit einem offenen Ende den Spannungsbogen zum folgenden Teil an.

Der Roman ist sehr flüssig, ohne viel Schnickschnack und ohne unnötige Längen geschrieben, was ihn positiv von anderen historischen Romanen und Familiengeschichten abhebt. Der lebendige Schreibstil lässt einen tief in die Berliner Welt eintauchen und die drei Hauptprotagonisten sind gut herausgearbeitet.

Einen Stern Abzug bekommt der Roman von mir, weil mir manche Szenen dann doch zu einfach und "glatt" erschienen, z.B. der plötzliche Sinneswandel von Hennings Vater oder die vielen Zufälle, die die Protagonisten in einer großen Stadt wie Berlin dann doch immer wieder zusammen führten. Das tat dem Fortlaufen der Geschichte sicherlich gut, wirkte aber ab und zu doch eher unrealistisch und ich hätte mir an diesen Stellen doch noch mal etwas mehr Tiefgang gewünscht. Nichtsdestotrotz werde ich den 2. Teil lesen, um zu erfahren, wie es mit Isa, Henning und Viktor weitergeht.