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Jens R.

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Insgesamt 2 Bewertungen
Bewertung vom 14.04.2019
So kocht Afrika
Sitole, Dorah

So kocht Afrika


gut

Während sich die asiatischen und südamerikanischen Küchen schon vor Jahren im kulinarischen Bewusstsein zentraleuropäischer Köpfe manifestiert haben, ist die Kochkultur Afrikas in Deutschland noch immer kaum mehr als eine Randerscheinung. Dieser Eindruck wird nicht nur bei einem Blick auf die Restaurantszenen deutscher Großstädte deutlich, sondern stellt sich auch bei einem Streifzug durch gut sortierte Supermärkte ein: Anders als für Wok-, Sushi- und Tex-Mex-Gerichte findet sich nirgends ein Themenregal für den zweitgrößten Kontinent unseres Planeten. Häufig reicht das Warenangebot für die afrikanische Küche hierzulande kaum über eine verlegene Zulu-Gewürzmühle aus dem Weltladen mit Chiliflocken und getrocknetem Ingwer hinaus. Fragen Sie sich selbst: Was wissen Sie über die Esskultur Lesothos? Wovon ernähren sich die Menschen in Malawi oder auf Sansibar? Oder wann waren Sie eigentlich das letzte Mal beim Kenianer zum Essen?

Nach der Lektüre von Dorah Sitoles Übersichtswerk „So kocht Afrika“, in dem sie die populärsten Gerichte ihres Heimatkontinents vorstellt, drängt sich die Erkenntnis auf, dass es nur eine Frage der Zeit sein kann, bis die afrikanische Küche in Deutschland großflächig zum Trend wird. Denn vieles, wodurch sie sich auszeichnet, charakterisiert auch andere zurzeit populäre Ernährungsphilosophien: Eiweißreiche Kost, nachhaltiger Umgang mit Lebensmitteln, wenig Fett und Zucker, regionale Prägung. Bei den Rezepten fällt außerdem beim ersten Durchblättern des Buches auf, dass die Köche – abgesehen von der stark arabisch geprägten nordafrikanischen Küche – weitgehend ohne Gewürze auskommen. Geschmacklich im Vordergrund stehen die Grundzutaten selbst: Fleisch schmeckt nach Fleisch, Gemüse nach Gemüse, Fisch nach Fisch. Hier wird nichts nachträglich mit Sahne abgebunden, aufwändig vorbehandelt, verfeinert oder nach dem Kochen als malerisches Kunstwerk inszeniert. Vieles wird eingekocht, zu Brei verarbeitet und in handlichen Schüsseln serviert. Die Küche wirkt aus diesem Grund gelegentlich simpel, sollte aber keinesfalls als primitiv abgetan werden. Vielmehr spiegelt sich in diesem (teils stärker oder schwächer ausgeprägten) Minimalismus ein zentraler Aspekt afrikanischer Mentalität wieder: Hier wird einfach mit den Dingen gearbeitet, die vorhanden sind.

Genau dieser Punkt macht es für Hobbyköche hierzulande jedoch kompliziert, sich in die afrikanische Küche hineinzuarbeiten: Denn viele der für Afrika typischen Zutaten sind hier nur äußerst schwierig zu bekommen. Egal ob Maniokknollen, Morogo-Blattgemüse, Tambi-Nudeln oder der kleine Schwarmfisch Kapenta – diese Dinge sind in deutschen Supermärkten, wie eingangs erwähnt, selten in der Auslage zu finden. Die Beschaffung der Zutaten ist damit in vielen Fällen weit herausfordernder, als deren Zubereitung. Handwerklich sollte jeder halbwegs geübte Koch gut mit den Rezepten zurechtkommen.

Besonders gelungen an dem Buch ist jedoch, dass die Autorin die Gerichte nach Herkunftsländern ordnet und jedes Kapitel mit einer Ländercharakteristik einleitet. Auf diese Weise erreicht das Werk das, was wir in Europa längst kapieren sollten: Afrika ist eben nicht einfach nur Afrika, sondern eine Vielzahl unterschiedlichster Länder mit Geschichte, Tradition, Kultur – und Küche.

Bewertung vom 09.02.2019
La Cuisine de Paris
Dusoulier, Clotilde

La Cuisine de Paris


ausgezeichnet

Es gibt viele Superlative, die die Franzosen für sich beanspruchen: Die blumigste Sprache, die malerischsten Küsten und Landschaften, die schickste Mode, die lebhafteste Demokratie und seit vergangenem Sommer sind sie die beste Fußballnation der Welt. Westeuropas größtes Land und seine Bewohner sind zudem kaum für ihre Zurückhaltung bekannt, sondern geben dem Rest der Welt hin und wieder das Gefühl, in jeder Hinsicht überlegen zu sein. Das trifft besonders auf die Kulinarik zu: Die französische Küche wähnt sich dank der Anerkennung aus aller Welt seit Jahrhunderten in der Gewissheit, die Kochkunst perfektioniert zu haben. Doch wie im Fußball muss man sportlich fair anerkennen: Dieser Titel geht in Ordnung.
Handwerklich vereint die typisch französische Küche die besten Tugenden ihrer Nachbarn: Deutsche Akribie trifft auf spanische Lockerheit und die Emotionalität Italiens. Für zusätzliche Bereicherungen sorgen die kulturellen Einflüsse, die sich durch Einwanderung in das Land gemischt haben. So hat auch die Gewürzpalette der Maghreb-Staaten mittlerweile einen festen Platz in der Cuisine der Grande Nation. An keinem anderen Ort tritt diese Vielfalt so auffällig zu Tage wie in Paris, wo die Dichte an überragenden Restaurants und Pâtisserien höchstens von der Exorbitanz der Immobilienpreise übertroffen wird.
Die gebürtige Pariser Buchautorin und Food-Bloggerin Clotilde Dusoulier hat sich zum wiederholten Male auf kulinarische Streifzüge durch ihre Heimatstadt begeben und mit „La Cuisine de Paris“ ein Standardwerk über die Vielfältigkeit und Finesse der französischen Hauptstadtküche verfasst. Anders als in ihrem vielbeachteten ersten Buch „Schokolade & Zucchini“, das sich auf extravagante Wildwüchse in der Restaurantszene konzentrierte, sortiert sie in „La Cuisine de Paris“ die typischen Lieblingsgerichte der Pariser nach der Tageszeit ihres Verspeisens ein.
Gleich zu Beginn des Buchs lernt der Leser somit etwas sehr Grundsätzliches über die Essgewohnheiten der Franzosen: Anders als die deutsche sieht die französische Ernährungsphilosophie sechs Mahlzeiten pro Tag vor, allein drei davon am Abend und einige von ihnen mit mehreren Gängen. Eine tagfüllende Nahrungssuche durch die laut Dusoulier (Achtung: Superlativ) „schönste Stadt der Welt“ könnte exemplarisch also folgendermaßen aussehen: Nach einem Schokoladenbrot in der Rue des Martyrs geht es am Mittag mit herzhaften Buchweizen-Crêpes in der bretonischen Gemeinde weiter. Nachmittags legt die Autorin ihren Lesern einen Flan auf Mürbeteig nahe, den viele Hauptstädter als ihren Kindheitsfavoriten bezeichnen. In den Abend kann man mit einer Hähnchenterrine mit Pistazien, gratinierten Muscheln oder gebackenem Camembert starten, bevor man sich zum Abendessen über den Lammrollbraten eines stadtbekannten Metzgers hermachen darf. Spät am Abend, während sich Nachtschwärmer in Deutschland vor Dönerbuden tummeln, zieht der Hauptstadtfranzose ein Tässchen Zwiebelsuppe nach Art der Cité vor.
Erwartungsgemäß sind die Rezepte in „La Cuisine de Paris“ sehr ausführlich, hin und wieder recht komplex und verlangen Hobbyköchen viel Sorgfalt ab. Ein wenig Erfahrung mit Kochmesser, Springform und Eisenpfanne setzt die Französin voraus. In ihren Beschreibungen ist die Autorin ausgesprochen explizit, die Dicke einer Brot- oder Bratenscheibe gibt sie beispielsweise gerne in Zentimetern mit zwei Stellen nach dem Komma an oder präzisiert Mengenangaben sehr exakt. Doch mit etwas Geduld sollte es jedem Leser gelingen, sich anhand des Buchs einen kulinarischen Tag durch die französische Hauptstadt zu gestalten.
Ganz ohne Arroganz oder Kitsch gelingt es Dusoulier quasi nebenbei, die Touristenmetropole Paris durch die Augen einer Einheimischen zu porträtieren. Wer nach einem Nachschlagewerk für französische Klassiker sucht, wird im Übrigen nicht enttäuscht: Von der Quiche Lorraine über Madeleines bis zu Brathähnchen und Schoko-Mousse beinhaltet das Werk viele Rezepte, für die Frankreich bekannt ist.