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Benutzername: 
Mandy
Wohnort: 
KN

Bewertungen

Insgesamt 2 Bewertungen
Bewertung vom 13.03.2021
Die dritte Frau
Fleischhauer, Wolfram

Die dritte Frau


weniger gut

Meine Meinung zu diesem Werk ist zwiegespalten. Als jemand, der sich von Haus aus für Kunstgeschichte und die Geheimnisse hinter den Bildern begeistern kann, oder für Menschen, die eine Faszination für die Verwicklungen zwischen dem französischen Hof und den Medici zu dieser Zeit hegen, ist besonders die erste Hälfte unterhaltsam. Für alle anderen wird es vermutlich da schon eher schwierig. Besonders das letzte Drittel hat seine Schwächen, die dann vom letzten Kapitel und dem Schluss zumindest ansatzweise wieder gutgemacht werden.

Aber von Anfang an. Das Buch beginnt im Heute, ein Ausflug des Protagonisten, dem namenlosen Autor, löst einen Flashback bei eben diesem aus. Es wird angedeutet, dass etwas Traumatisierendes geschehen sein muss: „Es ist ein ehernes Gesetz: Unglück zieht an. Nach dem ersten Schreck will man sofort die Gründe erforschen, die dazu geführt haben.“ (S. 5) So beginnt er die Geschehnisse von damals zu rekapitulieren.

Der namenloser Autor selbst bleibt jedoch farblos und fast langweilig. Er steckt in einer Krise und kommt irgendwie nicht richtig aus dem Tritt. Man weiß nicht, ob man ihn bemitleiden oder schütteln soll. Zudem vermischt er in seiner Erzählung das Wissen von damals und heute, zB an der Stelle, als er Camille zum ersten Mal trifft. Hier erwähnt er, dass der Bruder die Tür öffnet, obwohl er das zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht wissen konnte. Das ist etwas irritierend.

Der Rest der Geschichte wird leider im Verlauf immer schwächer. Zwischendrin glaubt ich, einen Hauch von Feminismus durch die Erzählung schimmern zu sehen, was kurz wieder mein Interesse weckte. Sehr kurz. Camille kommt zu Beginn als starke Frau daher, auch ihre Ausführungen zur Bedeutung des Bildes und der Dargestellten besaß einen spannenden Ansatz, der ja tatsächlich in der Historie oft keine Rolle spielt. Mein wiederaufkeimendes Interesse schlug um in Wissen wollen, worauf die Erzählung eigentlich hinaus will: Ich schwankte zwischen dem klassischen „Männer!“-Kopfschütteln und nicht nachvollziehen können, welches Frauenbild Fleischhauer hier eigentlich darstellen will. Das stieß mir – als jemand, der sich als nicht besonders feministisch betrachtet – teilweise doch recht übel auf. Denn diese vermeintlich starke Frau, die sich nimmt was sie will, manifestiert sich ziemlich plump ausgerechnet in Sex ohne Kondom gegen den Wunsch des Partners. Eine Botschaft die ich problematisch finde und nicht weiter aufgearbeitet wird. Also was soll das? Because sex sells? Darüber hinaus bleibt die Beschreibung der weiteren Affäre oberflächlich, verleiht auch dem Protagonisten nicht wirklich mehr Tiefe, auch wenn er diese Verbindung noch so sehr zerdenkt. Am Ende wird diese Oberflächlichkeit vielleicht nachvollziehbar, aber der Sinn dieser Sex-ohne-Kondom-Szene erschließt sich mir dennoch nicht.

Das Frauenbild – egal ob durch die auf dem Gemälde dargestellten Gabrielle und Henriette oder durch die Nachfahrin Camille – bleibt oberflächlich. Dabei fand ich den Ansatz wirklich spannend und es ist schade, dass dieser nicht intensiver verfolgt wurde.

Leider wirkt auf mich auch die dramatische Wendung sehr konstruiert und übertrieben; Camilles Verhalten passt nicht zu dem, wie sie zuvor beschrieben sowie zu den Aussagen und Ansichten, die ihr in den Mund gelegt wurden. Denn Camillas Monologe finde ich sprachlich eindrucksvoller als die des Autors, besonders im letzten Kapitel hat mir ihre Ausführung gut gefallen.

Das letztes Treffen der beiden ist nochmal stark, aber auch erschütternd, voll gefasster Resignation. Folgenden Aussage des Protagonisten fasst es sehr gut zusammen, wie ich finde: „Da ist sonst nichts […] Ich will es auch nicht anders.“ (S. 214) Es wäre eine deprimierende Geschichte, wenn nicht die letzten drei Sätze im Buch wären, die seinen 268 Seiten etwas an Sinn zurückgeben, den ich zuvor aus den Augen verloren habe. Es sind auch diese drei Sätze und der starke letzte Monolog von Camille, welche mich am Ende milder sti

Bewertung vom 24.02.2021
Der Zirkus von Girifalco
Dara, Domenico

Der Zirkus von Girifalco


sehr gut

Eine Geschichte, in denen ein Zirkus vorkommt ist meiner Meinung nach schon von Haus aus vielversprechend. Spielt diese dann noch in Italien, hat sie mich als heimlicher Brunetti-Fan spätestens dann am Haken. Und ja, Der Zirkus von Girifalco hat mich nicht enttäuscht und ist mein persönliches Heilmittel gegen den aktuellen Lagerkoller.

"...zwei breite Straßen, zwei Kirchen, zwei Brunnen und zwei Märkte, so als bildete sich in diesem Fleckchen kalabrischer Erde das Gleichgewicht des gesamten Sonnensystems ab, die Stabilität der Sterne, die Regelmäßigkeit der planetaren Umlaufbahnen, das Überleben des Kosmos insgesamt.“ (S. 103)

Das ist das Dorf Girifalco. Domenico Dara beschreibt den Ort und seine Bewohner mit einer wunderbaren Leichtigkeit (hier kann ich mich dem Klappentext nur anschließen). So kennt man es offenbar von ihm schon aus seinem ersten Roman Der Postbote von Girifalco, den ich (noch) nicht gelesen habe. Mit frischen Bildern erzählt er unaufgeregt von den Ereignissen während der Festwoche zu Ehren des Dorfheiligen San Rocco, als anstatt des erwarteten Karussells ein Zirkus im Ort Station macht.

Die leise, feinfühlig beschriebene Handlung wird immer wieder aus der Perspektive verschiedener Dorfbewohner erzählt. Ein bisschen wie in einem Märchen, schildert Dara, wie schon die kleinste Änderung gewohnter Abläufe ein ganzes Leben verändern kann. Gleichzeitig stellt er die Frage nach Zufall, Schicksal oder Vorsehung und ob vielleicht nicht einfach alles – wie in unserem Sonnensystem – miteinander verknüpft ist. Dara ist es gelungen, vielfältige und doch besondere Charaktere zu schaffen, die alle auf ihre Art ihr Päckchen zu tragen haben und dabei nicht immer sympathisch daherkommen. Aber dennoch fühlt man mit jedem von ihnen mit und es ist leicht, sich vom Fluss der Handlung mitnehmen zu lassen.

Die liebevolle und atmosphärische Erzählung, die Schönheit seiner Sprache ließ mich leicht verzeihen, dass ich im letzten Drittel des Buches der zeitlichen Abfolge nicht ganz folgen konnte – was aber eigentlich auch keine Rolle für das Verständnis der Geschichte spielt, da sich am Schluss alles fügt – und das gegen Ende die philosophisch anmutenden Einschübe etwas langatmig wurden – was sich wiederum auf zwei Seufzer meinerseits beschränkte.

Das Ende lässt das aber alles vergessen und ganz ohne Kitsch, hat Der Zirkus von Girifalco mich ein bisschen glücklicher gemacht.