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bernschneider
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Winsen (Luhe)

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Bewertung vom 10.06.2021
In Zeiten der Maske
Knaack, Monika

In Zeiten der Maske


ausgezeichnet

Was haben Angela Merkel und Donald Trump gemeinsam?

In Zeiten der Maske ist es nicht immer leicht, einem eigentlich bekannte Gesichter zu erkennen. Noch schwieriger ist es, den Gemütszustand des Gegenübers einzuschätzen: Sehe ich da ein Lächeln? Verzieht jemand die Mundwinkel, um Ablehnung auszudrücken? 

In Zeiten der Maske sehen sich Menschen auf andere Weise an. So ähnlich ergeht es mir mit den Fotografien in Monika Knaacks neuem Buch. Ist das wirklich Angela Merkel, diese grimmig-ängstlich dreinblickende Person mit den tiefen Falten um den Mund und um die Augen?

Kunst kann mehr als nur Abbilden, manchmal verfremdet sie ihr Objekt. Wenn dies glückt, wird etwas vom Wesen des Abgebildeten sichtbar, das vorher nicht zu sehen war. Kunst bringt Erkenntnisse. Monika Knaacks künstlerische Technik transformiert die abgebildete Person zweifach: Im ersten Schritt zeichnet oder malt sie ein Kopfbild einer Person des öffentlichen Lebens mit verschiedenen Techniken mit schwarzer Farbe auf handgeschöpftes koreanisches Papier. Einige wenige der so entstandenen „Zwischenprodukte“ sind im Buch zu sehen. In einem zweiten Schritt fotografiert sie ihr Bild durch einen Glasbaustein aus dem Baumarkt hindurch. Dabei werden die Linien und Konturen verzerrt - viel schöner als in den einschlägigen TikTok-Filtern. Man erkennt die Person manchmal erst auf den zweiten Blick. Und bei näherem Hinsehen scheint ein Aspekt ihrer Persönlichkeit auf, der einem zuvor entgangen ist. Durch vielfach veränderte Blickwinkel der Kamera entstehen immer neue Facetten der Person. Das ist famos!

Die Künstlerin hat acht Personen ausgewählt, die in den Zeiten der Pandemie im öffentlichen Rampenlicht standen und von diesen Porträts in sehr unterschiedlichen Gemütszuständen angefertigt. Häufig beginnt sie mit der Person, die gerade herzlich lacht. Zum Beispiel erscheinen Olaf Scholz und Karl Lauterbach zunächst überraschend locker und sympathisch. Im weiteren Verlauf werden ihre Mienen ernster. Ein Jens Spahn kann dann aussehen wie ein verbissener Dr. Frankenstein, und Angela Merkel wie ein grimmig-ängstlicher Donald Trump.

Das Buch zu betrachten ist unterhaltsam, anregend und erkenntnisfördernd. Es eröffnet einen erhellenden Blick auf die Zeiten der Maske. Und dieser Blick wird über die Zeit der Pandemie hinaus Bestand haben.