Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Sica

Bewertungen

Bewertung vom 11.08.2021
Frau Merian und die Wunder der Welt
Kornberger, Ruth

Frau Merian und die Wunder der Welt


sehr gut

Maria Sibylla Merian, aus einer Künstlerfamilie stammend und von einem Blumenmaler ausgebildet, war schon früh von Insekten und Schmetterlingen fasziniert. Auch als Künstlerin und Forscherin lag ihr Fokus auf ihnen. Als ihre Töchter 17 und 7 Jahre alt waren, verließ sie ihren Ehemann und zog in die Niederlande. Einige Jahre lebte sie mit ihrem Halbbruder und ihrer Mutter bei einer Gruppe von Labadisten, einer Religionsgemeinschaft/Sekte, die unter anderem auch eine Niederlassung in Surinam hatten, wodurch Maria in Berührung mit von dort stammenden Präparaten von Schmetterlingen kam. Um ihren Wunsch, selbst nach Surinam zu reisen, um die dortige Flora und Fauna zu erforschen und abzubilden, zog sie nach Amsterdam, in der Hoffnung, Förderer zu gewinnen, die ihr eine solche Reise ermöglichen würden.

An diesem Punkt in Marias Leben setzt Ruth Kornberger ihre Geschichte an und erzählt in „Frau Merian und die Wunder der Welt“ vom Ankommen in Amsterdam und den Schwierigkeiten der kleinen Familie, für ihren Lebensunterhalt zu sorgen sowie von dem Wunsch auf die Reise nach Surinam und den Anstrengungen, diese irgendwie möglich zu machen.

Wohl aus dramaturgischen Gründen führt Ruth Kornberger eine historisch nicht verbürgte Figur ein, den sehr mysteriösen Jan de Jong, mit dem Maria eine Art Liebesbeziehung eingeht. Im Laufe der Geschichte nimmt er eine unverhältnismäßig große Rolle in ihren Gedanken und in ihrem Gefühlsleben ein und bestimmt immer wieder ihr Verhalten. Leider konzentriert sich die Autorin zunehmend stark auf diese Beziehung, hinter der sogar die Erlebnisse in Surinam zurücktreten.

Die Geschichte wird flüssig und bildgewaltig erzählt, gerade wenn es um die Naturbeschreibungen geht, wird die Vorstellungsgabe sehr angeregt, so dass man alles bildlich vor Augen hat, Amsterdam ebenso wie Surinam, die Schmetterlinge und andere Tiere ebenso wie die Lebensumstände der Sklaven und Entflohenen auf Surinam.

Maria ist eine starke und selbstbewusste Frau, die weiß, was sie will und dafür kämpft, das auch zu bekommen. Sie kennt ihren Wert als Künstlerin und als Forscherin und die Ignoranz der Wohlhabenden, von denen sie sich Unterstützung erhofft, deprimiert sie immer wieder. Als Figur wird sie sehr lebendig geschildert, man kann sich gut mir ihr identifizieren.

„So begeistert war sie von ihren Plänen, dass sie sich nicht hatte vorstellen können, auf völliges Desinteresse zu treffen. Waren diese Menschen denn nie durch Flure und Wälder gestreift, hatten sich an der wilden Schönheit von Feldblumen erfreut, die zwischen dem Korn sprossen, und den torkelnden Tanz von Faltern über den Blüten bewundert? War ihnen der Drang, die Geheimnisse dieser Tierchen zu enthüllen, vollkommen fremd?“ (S. 139)

Da ich mich schon lange einmal mit Maria Sibylla Merian beschäftigen wollte und sich Romanbiographien meiner Meinung gut als Medium für eine erste Annäherung an historische Personen eignen, war ich sehr gespannt auf „Frau Merian und die Wunder der Welt“, zumal sich die Autorin hier auch auf einige entscheidende Jahre in Marias Leben konzentriert und es so schafft, sie den Leser:innen nahezubringen. Tatsächlich empfand ich auch darum die Liebesgeschichte als etwas störend, es hätte sie nicht unbedingt gebraucht und ein stärkerer Fokus auf insbesondere die Zeit in Surinam wäre interessanter gewesen.

Abgesehen von der etwas unpassenden Liebesgeschichte war es ein gut und spannend zu lesendes Buch, durch das man Maria Sibylla Merian und ihre Kunst kennenlernen kann (und es hat mein Interesse noch stärker entfacht, mich mehr und ausgiebiger mit ihr zu beschäftigen). Daher kann ich es all denen, die sich für sie interessieren, aber auch denen, die gerne historische Romane über starke Frauenfiguren lesen, empfehlen.