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frau.gedankenreich

Bewertungen

Insgesamt 2 Bewertungen
Bewertung vom 17.04.2022
Die Wächterinnen von New York
Jemisin, N. K.

Die Wächterinnen von New York


ausgezeichnet

Ich habe mir mit dem neusten Werk von N.K. Jemisin sehr viel Zeit gelassen.
1. weil ihre Bücher aufgrund ihrer Komplexität keine "Pageturner" im klassischen Sinne sind und man eine gewisse Zeit braucht um das "Wie, was und Warum" zu verstehen und ich
2. so viel Zeit wie möglich mit dem Buch verbringen wollte.
Für mich ist N.K. Jemisin ein liter. Rockstar; eine der wichtigsten, ehrlichsten, kreativsten, authentischsten und innovativsten ErzählerInnen des Genres, und ich werde jedes ihrer übersetzten Bücher lesen, das mir der deutsche Büchermarkt anbietet.

Der Plot von "Die Wächterinnen von New York" lässt sich im Gegensatz zur "Broken Earth"-Reihe in ein paar wenigen Sätzen zusammenfassen:
Städte sind lebende, atmende Organismen, die ihre Seelen in menschlichen Avataren manifestieren können. So auch New York. Hier gibt es allerdings die Besonderheit, dass es neben dem primären Avatar noch 5 weitere gibt, die einzelne Stadtteile wie die Bronx, Manhattan usw. verkörpern. Als eine fremde Macht aus einem anderen Universum New York bedroht, die das Ende von allem im Sinn hat, müssen sich die Avatare zusammenschließen, um alles, was ihnen lieb und teuer ist, zu beschützen, doch dazu müssten sie sich gegenseitig ersteinmal finden, aber genau das will der Feind auf jeden Fall verhindern.

So einfach wie das klingt, so komplex sind die Themen, die Jemisin in ihrem Buch verarbeitet, denn das Besondere ist, dass die Geschichte an einem realen Ort mit realen Problemen spielt. Modern, poetisch, philosophisch, wütend, queer, wild, laut, wunderschön und in gewohnt beeindruckender schriftstellerischer Qualität verbindet Jemisin Urban- Fantasy und lovecraft'schem SciFi-Horror mit gesellschaftskritischen Themen wie Rassismus, Diskriminierung, Armut, LGBTQIA+ und und und..
Ich habe irgendwo gelesen, dass das Buch noch mehr Spaß macht, wenn man selbst in New York lebt oder sich regelmäßig in der Stadt aufhält, weil die Avatare den Charakter der einzelnen Stadtteile wohl 1:1 widerspiegeln, aber das hat meiner Lesefreude nicht geschadet.
Bücher wie dieses sind der Grund warum ich überhaupt lese und wenn möglich, niemals wieder damit aufhören möchte.
Ich kann absolut verstehen, wenn man zu Büchern greift, weil man sich einfach und schnell unterhalten lassen, den Kopf abschalten und entspannen möchte, das geht mir auch so, aber hin und wieder brauche ich mehr als das und dieses "Mehr" wird einem mit den preisgekrönten Büchern von N.K.Jemisin definitiv geboten.

Bewertung vom 24.02.2021
Der Wald der verlorenen Schatten
Eo, Danbi

Der Wald der verlorenen Schatten


weniger gut

Mit "Geschichten aus Fernost" tue ich mich schwer. Die kühle Distanziertheit lässt mich meist keinen Zugang finden. Das ging mir zuletzt bei "Im Zeichen der Mohnblume" so und ist auch hier leider der Fall gewesen.
Mir ist natürlich klar, dass Faktoren wie z.B. mir fremde Traditionen, Lebensweisen und Bräuche eine Rolle spielen und versuche daher stets offen zu bleiben, aber ich brauche nunmal Bücher, in denen die Gedanken und Gefühle der Charaktere zumindest so weit ausformuliert sind, dass ich den Weg mit ihnen gehen und ansatzweise mitfühlen kann.
Hyoju hat in ihrem Leben viele traurige Dinge erlebt, die ihr Dasein beschwert haben und darauf hätte die Autorin aufbauen können, anstatt das in kurzen Tatsachenberichten oder Nebensätzen abzuhandeln. Auf die Art gibt die Geschichte natürlich nicht viel her, um ein Buch von knapp 250 Seiten zu füllen. Stattdessen findet sich in dem Buch viel unnötiger Füllstoff: ewig lange Beschreibungen darüber, wie Hyoju immer mit ein und der selben Person zusammen isst, auf der Veranda sitzt, die Gegend oder das Wetter beobachtet, den Geräuschen in ihrer unmittelbaren Umgebung lauscht oder ihren Gedanken zu Muyeong nachhängt.
Solange sie sich im Wald aufhällt, funktionieren zumindest die Bechreibungen von Geräuschen und Beobachtungen ab und an ganz gut, weil damit eine stimmige Atmosphäre geschaffen wird, die wunderbar mit dem Fantasyanteil des Buches harmoniert; abgesehen davon verliert sich das Stilmittel aber irgendo im Nirgendwo und nutzt mit der Zeit ab.
Auch mit den anderen Bewohnern des Dorfes, in dem ihre verstorbene Großmutter gelebt hat, finden kaum Interaktionen statt. Da hätte es mit Sicherheit das Potenzial gegeben, dem Buch ein bisschen mehr Dynamik mitzugeben.
Einzig die Liebesgeschichte konnte mich überzeugen, hier zeigt die Autorin ihr schriftstellerisches Können. Viele schöne Momente, große Gefühle und ein nachvollziehbares Miteinander. Ich glaube, dass die Geschichte als Novelle einen bleibenderen Eindruck bei mir hinterlassen hätte, aber so werde ich das Buch wahrscheinlich bald wieder vergessen haben.