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Hennie
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Chemnitz

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Insgesamt 276 Bewertungen
Bewertung vom 25.08.2025
Engler, Leon

Botanik des Wahnsinns


ausgezeichnet

Zuerst ist mir das verrückt schöne Cover aufgefallen. Da sind weder bestimmte Blumen noch bekannte Vögel abgebildet! Nach der Lektüre des Buches fiel mir auf, wie natürlich und unverkrampft der Titel und die Illustration bei dem Thema zusammenpassen.

Autor Leon Engler verarbeitet mit Botanik des Wahnsinns seine eigene familiäre Geschichte, ein Stammbaum des Wahnsinns. Die Großmutter bipolar, zwölf Suizidversuche, der Großvater Stammkunde in Steinhof, die Mutter Alkoholikerin, der Vater depressiv. Und er blickt auf seinen eigenen Weg: Eine Kindheit im Münchner Arbeiterviertel. Die frühe Angst, verrückt zu werden. Die Flucht vor der Familie ins entfernte New York. Jahre in Wien mit Freud im Kaffeehaus. Und wie er schließlich doch in der Anstalt landet – als Psychologe. (Auszug aus dem Klappentext)

In 46 kurzen Kapiteln gelingt es ihm sehr eindrucksvoll episodische Einblicke in diese emotional komplizierte Familiengeschichte zu geben. Der Roman beginnt ungewollt komisch mit der Verwechslung des Hausrats der Mutter bei der Zwangsräumung ihrer Wohnung. Alles von Wert und damit auch die Erinnerungen landen in der Müllverbrennungsanlage. Es verbleiben die wert- und belanglosen Überreste.
Fragmentarisch springt er zwischen den Generationen seiner Familie hin und her. In die Biografie seiner Mutter gibt er tiefere episodenhafte Einblicke. Auch mit dem Vater setzt er sich intensiver auseinander. Dabei gefällt mir, wie der Ich-Erzähler es versteht, nicht zu urteilen oder zu verurteilen. Die Authentizität berührt mich. Es wird berichtet mit einer Wahrhaftigkeit, mit einer Klarheit, mit wunderbarer Echtheit, die mich tief beeindruckt. Seine Gedanken, die er ohne Anklage gegen irgendwen niederschreibt, sind wohlformuliert, mit Zitaten durchsetzt und durch seine Arbeit als Psychologe sehr professionell. Es gibt höchstens mal klitzekleine Anklänge von Wut, die hervorblitzen, aber wer will ihm das bei solch einer Häufung von psychischen Erkrankungen in einer, nämlich seiner Familie verdenken!? Ganz stark auch, wie er das mitteilt, wie heute in der Psychiatrie die Menschen gegenüber früheren Zeiten behandelt werden. Jede Person in der Klinik ist ein Individuum, nicht die Diagnose.
"Die Psychiatrie ist alles mögliche, aber kein Ort für einfache Antworten... Die Psychiatrie ist kein Ort für gesellschaftliche Fragen.“ S. 96

Leon Engler hat mir mit dieser Erzählung den Wahnsinn relativiert. Was und wer ist schon normal?

Ich vergebe meine Lese- und Kaufempfehlung mit der Höchstbewertung!

Bewertung vom 15.08.2025
Hausmann, Romy

Himmelerdenblau


sehr gut

Die vermisste Tochter und der demente Vater
Die Begeisterung, die Romy Hausmanns Thrillerdebüt „Liebes Kind" bei mir auslöste, vermochte „Himmelerdenblau" nicht zu erreichen. Was mir am meisten fehlte, war leider die kontinuierliche Spannung. Den teilweise überbordenden Hype um dieses neue Buch teile ich nicht.

Bis ich mich in diese Geschichte so richtig einfinden konnte, dauerte es ziemlich lang. Es gab viele Hemmnisse, zu viele Nebenschauplätze, die sich am Ende für mein Verständnis als überflüssig erwiesen. Auch die Podcast-Szenen fand ich entbehrlich.

Aus wechselnden Perspektiven erfahren wir, wie erneut zu der vor 20 Jahren spurlos verschwundenen Julie intensive Nachforschungen betrieben werden. Die junge Podcasterin Liv Keller nimmt den Fall wieder auf und gewinnt Julies Vater Theo für das Vorhaben, bevor er durch die fortschreitende Demenz sein Gedächtnis vollends verliert. Die jüngere Tochter Sophia zeigt wenig Begeisterung für das Vorhaben

Der Fokus liegt mehr auf dem Verschwinden des Vaters in seiner Demenz als auf dem Vermisstenfall der Tochter, der oft im Hintergrund verschwindet und zu verblassen droht. Die eindringliche Schilderung des Verlaufs der Krankheit berührt und macht betroffen. Die Erkrankung führt die Autorin sehr eindrucksvoll aus. Sie bringt das Vergessen, die langsame Auflösung der Persönlichkeit, die schrägen bzw. falschen Wörter, die Wortfindungsstörungen, kurz die allgemeine Hilflosigkeit sehr gut in dem kleingeschriebenen Text sowie in den Aktionen zum Ausdruck.

Ich nenne diesen Roman nicht Thriller, sondern eine tragische Geschichte, die viele Menschen ins Unglück stürzt. Falsche Entscheidungen ziehen ungeahnte Konsequenzen nach sich und beeinflussen mehrere Leben negativ. Die meisten der Protagonisten blieben mir fremd, da sie auch sehr unschöne Charaktereigenschaften offenbarten. Für Julies Exfreund Daniel allerdings empfand ich Mitgefühl.
Im gesamten Kontext betrachtet und beim nochmaligen Lesen einiger Sachverhalte, bspw. die Rolle Laras, schätze ich ein, dass das Buch gut durchdacht und nachvollziehbar erzählt wurde. Indes gab es für mich einige Längen und es hätte auf einiges verzichtet werden können.

Das verschwommene blaue Cover und der romantische Titel sind gut gewählt und passen hervorragend zu der Geschichte.

Soweit meine Beurteilung! Trotz der Kritikpunkte gebe ich meine Lese- und Kaufempfehlung. Ich ziehe einen Stern ab und bewerte mit vier von fünf Punkten.

Bewertung vom 08.07.2025
Berkel, Christian

Sputnik


sehr gut

Vom Embryo zum Schauspielstar
In seinem ersten Buch „Der Apfelbaum“ beschreibt Christian Berkel in eindrucksvoller Weise ein ganzes Jahrhundert deutscher Geschichte anhand der ungewöhnlichen Liebe seiner Eltern Sala und Otto in der Zeit der Nationalsozialisten. Diese aufregende, oft quälende und bittere Story der beiden aus sehr unterschiedlichen Schichten stammenden Menschen bildete den Kern des Buches. In „Ada“ wird aus der Ich-Perspektive der Hauptfigur eine wesentlich dichtere autofiktionale Geschichte abgebildet. Das geschieht über einen Zeitraum von fast 50 Jahren. Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf den 50er und 60er Jahren, die 70er und 80er sind ausgeblendet. Aus dem Bruder Peter des Autors in der Realität wurde in der Fiktion die Schwester Ada, die 1945 nach einer schwierigen Geburt in Leipzig das Licht der Welt erblickt.
Auch der dritte Roman Christian Berkels ist autofiktional. Die Erzählung erfolgt aus der Ich-Perspektive und ist in drei Teile gegliedert.
Mit Sputnik verfasste Berkel weitgehend seine eigene Lebensgeschichte, sein Werden, Wachsen und Fortkommen. Es ist für mich sehr beeindruckend, wie er das literarisch beginnt. Er fängt nämlich an mit der vorgeburtlichen Erinnerung. Sehr außergewöhnlich und lesenswert! Das muss einem erst einmal einfallen! Später kommen wiederholt die Erinnerungen an Mutter und Vater hinzu, die der Autor in seinen vorherigen Büchern ausführlich beschrieben hatte – die nicht alltägliche, schmerzvolle und komplizierte Geschichte der Eltern, die immer wieder thematisiert wird.
In sehr jungen Jahren darf Sputnik in Frankreich seine Erfahrungen sammeln, sowohl in sexueller Hinsicht als auch erste prägende Erkenntnisse für den schauspielerischen Beruf. Der Autor lässt uns teilhaben an seiner Entwicklung und zeigt dabei viele Facetten der Orientierungs- und Hilflosigkeit, Zerrissenheit und Selbstzweifel. Die Liebe zum Theater und der Literatur weisen ihm den Weg. Er kehrt zurück nach Deutschland.

Alles habe ich nicht verstanden bzw. kann es nicht einordnen. Was ist Wahrheit, was Fiktion? Im Gegensatz zum Apfelbaum und Ada, die ich mit fünf Sternen bewertete, ziehe ich hier einen Stern ab. Vier von fünf Sternen und meine Kauf- und Leseempfehlung!

Fazit:
Mich faszinierte erneut der gewandte, detaillierte, wohlformulierte Sprachstil des Autors.

Bewertung vom 19.05.2025
Koppelstätter, Lenz

Was am Ufer lauert / Ermittlungen am Gardasee Bd.2


sehr gut

Churchills Geheimnis, bleibt es eins?
Wie schon im ersten Teil findet die junge Gianna Pitti, die als Polizeireporterin bei der Zeitung Messagero di Riva arbeitet, im Wasser des Gardasees eine Leiche. Dieses Mal ist es eine Frau und wie sich bald herausstellt, war das ihre Informantin. Im Auftrag ihres Vaters sollte Gianna eine CD-Rom mit wichtigen Daten übernehmen. Leider findet sie nur die Hülle mit unvollständigem Hinweis zu Churchills Geheimnis...

Das ist der spannende Ausgangspunkt und ich begann mit großer Erwartung zu lesen. Wie im ersten Teil wird das italienische Flair, die Urlaubsstimmung am Gardasee, die italienische Art zu leben, wunderbar eingefangen. Die eigentliche Geschichte mit dem grandiosen historischen Hintergrund unter Beteiligung großer Namen ist für meinen Lesegeschmack ein wenig zu ausufernd geraten. Viel Raum nehmen die Geschichte der Adelsfamilie Pitti-Sanbaldi und die Macken des Marchese Francesco (Bruder von Arnaldo und Onkel von Gianna) ein. Dazu gibt es noch einige Protagonisten im Arbeitsumfeld Giannas, ihre Chefin Elvira Sondrini, dann die Exfrau Arnaldos, Clara sowie deren jungen Lebensgefährten Patrick, ein Historiker... Aus wechselnden Perspektiven setzt sich die Handlung fort, erst gemächlich bis es immer brisanter wird. Am Ende gibt es eine Auflösung, aber nicht die erwartete. Churchills Geheimnis, bleibt es eins?

Interessante Beigaben:
Giannas sich ständig ändernde To-Do-Liste, ein Kreuzworträtsel und ein Plätzchenrezept, das eine wichtige Rolle spielt.

Fazit:
Ich wiederhole meine Einschätzung vom ersten Teil: Auch Was am Ufer lauert ist eine Werbung für die Urlaubsregion Gardasee, eine schöne Urlaubslektüre. Ich freue mich auf Teil 3 und auf die Lösung noch ungeklärter Fragen.

Bewertung vom 20.04.2025
Raabe, Marc

Die Nacht / Art Mayer-Serie Bd.3


ausgezeichnet

Danas Geschichte
Ich habe schon einige Thriller von Marc Raabe gelesen. Der Morgen war dabei, aber leider nicht der 2. Band Die Dämmerung der Art Mayer-Reihe. Das werde ich sehr bald nachholen. Es ist aber in meinen Augen nicht zwingend notwendig die beiden Bücher gelesen zu haben, bevor man den dritten Band beginnt. Sie sind auch für sich verständlich.

Nun, Die Nacht ist sehr dramatisch und handelt von Dana Karasch, der Mutter von Milla und Art Mayers Nachbarin. Sie ist seit 1 ½ Jahren spurlos verschwunden. Genauso wie ihr kleiner Bruder vor 15 Jahren. Der als barsch und unnahbar geltende Mayer interessiert sich als einziger für den Fall. Die kleine Milla hat sein Herz erobert. Er muss dem Mädchen und der inzwischen dementen Großmutter Christine Karasch unbedingt helfen und bittet einen einflussreichen Freund um Hilfe. Bald darauf erhält er einen Hinweis, der ihn zu einer verlassenen Wohnwagensiedlung mitten im Wald führt. Nele Tschaikowski und er finden neben Fotos von Jugendlichen einen bekannten Berliner Richter vom Oberlandesgericht ermordet vor. Sie fotografieren in großer Eile den Tatort, da sich ein Waldbrand in rasender Geschwindigkeit ausbreitet...

In 40 Kapiteln, dem Prolog und drei Teilen, die mit knappen, aber treffenden Überschriften betitelt sind: I. Die Lügner; II. Die Wahrheit; III. Die andere Wahrheit und mit wechselnden Perspektiven, folgte ich der spannenden Handlung.
In Rückblicken erfahren die Lesenden vom Leben Danas und sind damit mit ihrem Wissen gegenüber den Ermittlern im Vorteil. Sie erleben dabei das Geschehen recht anschaulich und sehr spannend in kleinen Häppchen, da sich die Schauplätze stets ändern, was dem Mädchen, bzw. später der jungen Frau, widerfährt. Von der Vergangenheit wechseln die Kapitel in die Gegenwart und umgekehrt.
Es beginnt als Dana noch ein Mädchen ist und in einer Wohnwagensiedlung mit dem kleinen Bruder, der Mutter und dem gewalttätigen Stiefvater lebt. Die Atmosphäre dort ist düster und unheimlich. Es gibt dubiose Charaktere. Marc Raabe versteht es erneut die Figuren lebensecht zu beschreiben. Beim Lesen überkam mich wiederholt ein beklemmendes Gefühl.
Zum Ende hin gibt es zumindest einen optimistischen Ausgang für die achtjährige Milla, die ich ins Herz geschlossen habe durch ihre erfrischende Art. Warum ist die Kleine schon so abgeklärt? Es bleiben noch einige Fragen offen für die nächste Folge. Ich hoffe zumindest, dass es Antworten geben wird!

Teil vier der Art Mayer-Reihe Im Morgengrauen erscheint im nächsten Frühjahr 2026, am 26. März 2026. Darauf freue ich mich sehr!

Ich vergebe die Höchstbewertung und meine unbedingte Lese- und Kaufempfehlung, vor allem für Thrillerfans.

Bewertung vom 07.04.2025
Fuchs, Katharina

Vor hundert Sommern


sehr gut

100 Jahre Familiengeschichte (1924 bis 2024)
Wäre diese traumatische Geschichte von vor hundert Jahren ans Tageslicht gekommen, wenn Elisabeth in ihrem Zuhause hätte bleiben können bis zu ihrem Tod? Ich glaube nicht. Doch die 94jährige kann sich nicht mehr allein versorgen und wechselt in ein Pflegeheim. Tochter Anja und Enkelin Lena kümmern sich um die Wohnung und den Nachlass. Dabei fallen der jungen Kunststudentin verschiedene Dinge in die Hände, die Fragen aufwerfen und nach Klärung verlangen. Sie forscht bei der Großmutter nach der Vergangenheit und nach dem aufschlussreichen Leben ihrer Tante Clara, Lenas Urgroßtante...

Für mich war es die zweite erfreuliche Begegnung mit einer Geschichte von Katharina Fuchs.
Ihr Schreibstil und die Darstellung ihrer Charaktere in dem jeweiligen Kontext, ob nun in der Gegenwart oder vor über 100 Jahren (hier 1924), sagen mir sehr zu. Der Roman springt in den Zeitebenen zwischen Lena, Anja, und Clara hin und her und die Kapitel sind zusätzlich überschrieben mit Ort, Monat und Jahreszahl. So konnte ich mich leicht in den Zeiten zurechtfinden. Die Handlungsorte sind Berlin und Hamburg. Die einprägsamen Schilderungen verschafften mir recht schnell lebendige Szenen und Bilder. Vor allem entsteht eine besondere Atmosphäre, wenn man eintauchen darf in die Erlebniswelt von Clara. Da hätte ich gern mehr davon erfahren.
Mir gefällt es, dass in beiden Zeitebenen geschichtliche, politische Ereignisse ins Geschehen mit einfließen. 1924 ist es u.a. die Währungsreform, die den Menschen neue Hoffnung bringt und den Grundstein legt für eine finanzielle Stabilisierung. Diskriminierende Ungerechtigkeiten bei der der Bezahlung von Frauen und Männern in der Flaschenreinigung der Berliner Kindl-Brauerei kommen zur Sprache (1 Pfennig für 20 gespülte Flaschen durch Frauen gegen 1Pf. für 12 gespülte Flaschen durch Männer). Solche Diskrepanzen werden mit fadenscheinigen Begründungen abgetan. In der Gegenwart sind es Demonstrationen und das Wiedererstarken des Antisemitismus, eine sehr beunruhigende Entwicklung, die Parallelen zur Geschichte aufweist. Die Autorin greift viele Themen auf, die Doppelbelastung der Frau in Familie und Beruf, Mobbing, politische Stimmung an Unis, veganes Leben...

Das Buch hat mich gut unterhalten. Es zeigte mir aber auch eindringlich die Entwicklung der Emanzipation der Frauen. Da gibt es heute noch viel zu tun!
Zum Ende hin wird ein wenig hastig das tragische Familiengeheimnis abgehandelt. Da hätte es noch die eine oder andere Erklärung bedurft. Die NS-Zeit war eine unfassbar schlimme Zeit und was mit den Juden geschehen ist, darf sich niemals wiederholen! Der jetzigen gesellschaftlichen Entwicklung mit ihren Auswüchsen muss dringendst entgegengewirkt werden.

Fazit:
Das Buch umfasst mehrere Generationen und wird lebendig und einfühlsam erzählt. Die Grundlage für den Teil von vor hundert Jahren bildet die Großtante Clara von Katharina Fuchs. Das erfährt man im aufschlussreichen, erklärenden Nachwort.

Meine Empfehlung für die Lektüre, die sich mit der Historie und der Zeitgeschichte befasst. Ich bewerte mit vier von fünf Sternen.

Bewertung vom 17.03.2025
Rabisch, Birgit

Tod der Autorin


ausgezeichnet

Das fiktive Universum der Autorin
Die Idee der Schriftstellerin, die Romanfiguren aus ihren elf Büchern zu einem fiktiven Dinner einzuladen, finde ich grandios. Anlässlich ihres 70. Geburtstages lädt sie die Gäste zu ihrer Tafelrunde ein. Sie werden wohlüberlegt an sechs Tischen platziert und schon kann die Party losgehen:
Meine Meinung zu diesem Buch:
Ich habe noch nichts von der Autorin Birgit Rabisch gelesen und hatte zu Beginn Bedenken, dass ich in dieses Werk nicht hineinfinde. Doch es ist so leicht verständlich und mich in angenehmer Weise einnehmend in einem humorvollen Sprachstil geschrieben. Mir gefällt es, wie sie ihre Figuren nacheinander vorstellt und mit dem verstorbenen Mann kommuniziert, der ab und zu recht lebhaft ihre Gedankengänge mitbestimmt. Sie betreibt eine kluge Gesprächsführung, die durch die wohldurchdachte Sitzordnung unterstützt wird.
Meine anfänglichen Bedenken wurden schnell zerstreut. Auf geeignete Art und Weise beginnt sie mit der Vorstellung ihrer Romanfiguren, gibt nach und nach Einblicke ins eigene Leben. Erstaunlich und für mich sehr interessant die Vielfalt der Genres ihrer Romane. Gefällt mir außerordentlich und trifft in besonderem Maße meinen Lesegeschmack!
Das schönste Geburtstagsgeschenk zum 70. macht sie sich selbst. Die geliebte Oma Rosa hat sie ebenfalls eingeladen. Was für eine Überraschung für mich. Die Oma Rosa und ihre reale dunkle deutsche Vergangenheit. Das Buch muss ich als Fan historischer Lektüre unbedingt lesen!
Mich beeindruckte wie die Autorin die verschiedensten Themen mit ihren fiktiven Gästen diskutiert, die vielseitigen Tischgespräche lenkt, leitet und versteht diese in ihr eigenes Leben einzubinden.
Es geht um die kleinen wie die großen Dinge, um Persönliches wie um die Weltgeschichte, es wird diskutiert und philosophiert. Dabei werden auch die speziellen Frauenthemen nicht ausgelassen. Die Politik spielt oft eine Rolle und dabei lassen sich die Bezüge zu den aktuellen Ereignissen für mich leicht herleiten. Es entwickeln sich Gespräche über viele Arten der Liebe, zu vielen Gebieten der Wissenschaft wie z. B. der Gentechnologie und nicht zuletzt über Religion.
Birgit Rabisch empfinde ich als sehr nahbar durch ihre Ansichten, die meinen sehr ähnlich sind.
So selbstverständlich und unaufdringlich wie die Autorin zu Beginn und im Verlaufe des Dinners mit ihren Gästen auf dem Fest zu ihrem 70. Geburtstag plauderte, so leise und (fast) unbemerkt verschwindet sie wieder aus ihrer gedachten Tafelrunde und geht müde und wahrscheinlich erkenntnisreich ins Bett. So ist meine Erklärung für den Titel.

Ich kann den Klappentext nur bestätigen: „Tod der Autorin" ist ein kurzweiliges und bereicherndes Leseerlebnis! Dafür gebe ich meine Lese- und Kaufempfehlung mit fünf von fünf Sternen!

Bewertung vom 03.02.2025
King, S. J.

Jagd um den Eiffelturm / Die Zeit-Agenten Bd.3


sehr gut

Zeitreise nach Paris mit Hannah und Alex
Wer sind die Zeitreiseagenten? Das sind acht Kinder, von denen in dieser Geschichte nur zwei in Aktion sind: Hannah und Alex. Die Zeitagenten werden aus dem Jetzt und Hier abberufen, wenn der böse Mora die Abläufe in der Vergangenheit ändern bzw. rückgängig machen will. Er stiehlt über die Jahrhunderte wertvolle Gegenstände, um die Gegenwart zu verändern.
Wenn die Agentenuhr rückwärts läuft, wissen die Kinder, Mora war wieder aktiv und sie reisen an den Ort des Geschehens. Währenddessen bleibt die Zeit in der Gegenwart stillstehen.
Hannah und Alex erhalten einen dringenden Hilferuf aus Paris. Man schreibt das Jahr 1889 und der Architekt Gustave Eiffel baut noch an seinen berühmten Turm, der das Symbol der Weltausstellung in diesem Jahr wird und später zum bekannten Wahrzeichen von Paris, der Hauptstadt Frankreichs. Soll der Turm fertiggebaut werden, müssen die beiden Kinder in die Machenschaften Moras aktiv eingreifen. Ein kleiner Kuckuck namens Tempo dient den jungen Agenten als fliegender Gehilfe.
Die Geschichte wird einfach und kindgerecht erzählt. Dabei bleiben nähere Beschreibungen der Personen und die Beweggründe für die Handlung – das woher, warum wieso... – außen vor. Evtl. erfolgt eine nähere Erklärung in den anderen drei Büchern? Für mich ist dieses Buch das erste. Positiv möchte ich die große Schrift erwähnen. Sie ist gut zu lesen für Leseanfänger.
Ein Glossar dient der Erklärungshilfe. Für jüngere Kinder sind sicher trotz Glossar zusätzliche Erklärungen notwendig.
Fantasie und Realität treffen aufeinander in einfacher Betrachtungsweise. Die Abläufe sind sehr schnell abgehandelt und alles wieder in schönster Ordnung.
Ich bin gespannt, wie die Erzählung meiner Nichte gefällt, die das Buch zum 9. Geburtstag bekam.

Die Zeitagenten – Jagd um den Eiffelturm – ist eine Reise ins Paris vor 136 Jahren, ein Abenteuerbuch, das durch die Zeit führt.
Im Anhang gibt es außer dem kleinen Glossar noch Informationen zum Eiffelturm und zu seinem Erbauer sowie ein kurzes Quiz.
Alle vier Bücher erscheinen am 31.01.2025.

Fazit:
Zeigt, dass auch sehr junge Menschen hilfreich und handlungsfähig sein können, wenn sie selbstbewusst und umsichtig auftreten.
Für Leser ab 7 Jahren

Bewertung vom 07.10.2024
Peters, Caroline

Ein anderes Leben


sehr gut

Eine Frau, drei Männer, drei Töchter

Caroline Peters, die bekannte und beliebte Schauspielerin, gibt mit der Geschichte ihr Debüt.

Die Ich-Erzählerin ohne Namen, wird nur die Kleine genannt, steht mit ihrer Patchworkfamilie am Grab ihres Vaters. Bei seiner Beerdigung resümiert die Jüngste der drei Halbschwestern das Leben der längst verstorbenen gemeinsamen Mutter. Das gesamte Buch über gibt es von diesem Tag der Beisetzung Rückblicke in einer ständig in den Zeiten wechselnden Erzählweise, manchmal etwas abrupt, auf die bewegte Vergangenheit der Mutter. Also nicht der gerade gestorbene Vater ist die Hauptperson, sondern Hanna. Sie hatte ihre drei Studienkollegen, einen nach dem anderen, geheiratet. Von jedem bekam sie eine Tochter.

Bereits nach wenigen Seiten las ich den Grund, warum Hanna auch ihren letzten Partner (Peter/Bow) und die Kleine verließ. Sie wollte mehr Raum zur eigenen Entfaltung, fühlte sich erdrückt von den vielfachen Verpflichtungen, die von der großen Familie und der Gesellschaft von ihr erwartet wurden. Sie hatte den dringenden Wunsch ein anderes Leben führen. Hier ergibt sich für mich der Bezug zum Titel. EIN ANDERES LEBEN.
Die jüngste Tochter versucht durch Fragen das Leben ihrer Mutter und ihr oft ambivalentes Verhalten zu verstehen. Jede der Schwestern erinnert sich anders. Erinnerungen sind trügerisch stellt die Erzählerin fest, verwischen sich, setzen sich aus vielen Geschichten zusammen. Außerdem führte sie Dialoge mit ihrer Mutter, die sich in ihrer Vorstellung abspielten, nicht in der Realität. Diese zeigten mir, wie hilflos und vielleicht auch unverstanden sie sich als Kind fühlte.

Das Buch wirkt auf mich wie ein liebevoller Nachruf auf eine Mutter, die alles andere als perfekt war. Mit viel Einfühlungsvermögen und mit humoriger Ausdrucksweise reflektiert die Autorin den Werdegang von Hanna und ihr stetes Bemühen es allen recht zu machen.

Bewertung vom 01.10.2024
Haig, Matt

Die Unmöglichkeit des Lebens


gut

La Presencia

Ich war zunächst einmal von der Leseprobe angetan, aus zwei Gründen. Mir gefällt Matt Haigs Schreibstil und seine Protagonistin Grace Winters ist im gleichen Alter wie ich. Deshalb wollte ich die Story im Ganzen lesen.

Das Buch beginnt mit einer E-Mail, welche die Basis, einen elektronischen Briefwechsel zwischen Lehrerin und ehemaligem Schüler für das ganze Buch bildet. Schon sehr ungewöhnlich. Es entwickelt sich daraus eine unglaubliche Geschichte!

Grace, die 72jährige pensionierte Mathematiklehrerin ist eine einsame Frau, deren Tage nach immer dem gleichen Muster ablaufen. Ihr ging der Lebenssinn verloren nach dem frühen Unfalltod des Sohnes und dem Ableben ihres Mannes, ihres langjährigen Partners. Zudem verlor sie ihre Ersparnisse durch einen Betrüger und befindet sich finanziell in der Klemme. Plötzlich erbt Grace ein altes, ziemlich ramponiertes Haus auf Ibiza. Die verstorbene Bekannte aus ihrem Berufsleben zeigte sich wegen einer guten Tat, die sie längst vergessen hatte, auf diese Weise erkenntlich.
Mit Ibiza bietet sich ihr nun eine neue Perspektive. Es klingt nach ziemlichen Herausforderungen. Sie hat jedoch nichts zu verlieren und macht sich auf den Weg.
Auf der Insel angekommen, fühlt sie sich aber zunächst ebenso einsam wie zu Hause. Der Tapetenwechsel bewirkte keine Änderung ihrer Probleme mit den traurigen Erinnerungen. Doch das sollte sich bald ändern. Sie will unbedingt herausfinden, wer Christina (ihre Bekannte/Kollegin) nach dem Leben trachtete, ob sie wirklich tot ist. Mit dem einheimischen Alberto geht sie auf Tauchgang abends im Dunkeln, um die Wahrheit herauszufinden. Sie begegnet La Presencia und danach wird es für mich chaotisch.

Matt Haig hat für mich in diesem Roman zu dick aufgetragen. Ich konnte zwar ein ganzes Stück mitgehen mit den Ereignissen, die Grace von Beginn an widerfahren. Doch nachdem sie im Meer war, wurde das Paranormale zuviel, die übernatürlichen Fähigkeiten von Grace sind sehr übertrieben. Die Wunder nehmen überhand. Die Realität spielt nur noch eine kleine Rolle. Die Story wirkte auf mich wie ein Märchen für Erwachsene. Wem es gefällt! Mir hat es leider nicht zugesagt.

Der Autor hat eine ganz besondere Art die Dinge des Lebens zu verstehen und darzustellen. Er ist ein intelligenter Mann, der viele kluge, philosophische Gedanken und Alltagsweisheiten in seine Erzählung einfließen ließ.
Den Zauber, den sein Werk "Die Mitternachtsbibliothek" in mir entfachte, konnte er leider mit dieser Erzählung nicht wieder auslösen. Trotzdem werde ich auch sein nächstes Buch lesen!