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Benutzername: 
Walter Dombrowsky
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Bewertung vom 31.03.2020
Morgendusche
Silber, Herwig

Morgendusche


ausgezeichnet

Herwig Silber hat als präziser Beobachter eine Menge Stoff in 34 Kurzgeschichten zusammengetragen. Detailverliebt wie in der komplexen Welt einer Modelleisenbahn lädt er zum Staunen ein. Seine tragischen Geschichten, seine Plots oder Storys eint, das die Ideen dahinter immer für überraschende Wendungen stehen. Und man merkt, das man es mit einem schreiberfahrenen Autoren zu tun hat.
Herwig Silbers Figuren sind von Alltagsroutinen gezeichnet. Sie wirken oft ein bisschen lebensmüde, bauernschlau, uneinsichtig, desillusioniert, gescheitert. Er nimmt seinen Figuren jedoch niemals die Würde. Sie dürfen ruppig bleiben, fluchen und sich benehmen, wie sie wollen. Sie dürfen das, weil sie nicht selten am Textende über Irrwege am Abgrund stehen werden. Bei aller Tragik stattet er seine Geschichten komisch und witzig aus. Das macht sie unterhaltsam. Manchmal ist Herwig Silber zu verliebt in die Bestandteile einer Abhandlung. Es sind dann zu viele präzis geschilderte Einzelteile, die den Plot klebrig werden lassen. Aber das kann man aushalten. Weil er schreibt wie ein Schelm.

Meine Lieblingsgeschichte ist „Das 8. Gebot“. Eine mit dem Motorrad verunfallte Seele muss sich an der Himmelspforte in der „Läuterungssphäre“ einer Befragung zu dem Guten und dem Schlechten unterziehen. Und hier füttert er den Lesenden unterhaltsam mit pikanten Details eines selbstgerechten zweifelsfreien Lebensstils. Was die Concierge am Ende veranlasst, die arrogante Seele abzuweisen und einer Wiedergeburt zuzuführen. Durch eine Frau, die im Leben zuvor Hass und Demütigung durch den Protagonisten erfahren hat. Herwig Silber hat halt auch eine Moral. Der Titel seines Buches „Morgendusche – Geschichten zum Wachwerden“ ist Programm. Lesen.