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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Emmmbeee
Wohnort: 
Feldkirch

Bewertungen

Insgesamt 111 Bewertungen
Bewertung vom 28.08.2024
Sing, wilder Vogel, sing
O'Mahony, Jacqueline

Sing, wilder Vogel, sing


ausgezeichnet

Starke Story, starke Frau

Doolouth 1849: Viele hungernde Iren machen sich im Winter auf eine beschwerliche Wanderung, um beim Grundherrn Hilfe zu erbitten. Die Bitte wird rüde abgewiesen, den zerlumpten Menschen bleibt nur der Hunger und der Entschluss, nach Amerika auszuwandern. So der Rahmen, in dem der Fokus auf die sehr junge Honora gerichtet ist.
In größter Not aufgewachsen, wird dem jungen Mädchen buchstäblich alles genommen, was sie je besessen oder sich gewünscht hatte. Da entschließt sie sich zu einem unmöglich scheinenden Schritt, zieht ihn wider Erwarten durch. Sie kämpft sich ohne langes Zögern immer wieder aus Situationen, die andere Frauen längst hätten aufgeben lassen, und geht unbeirrt ihren Weg, dies- und jenseits des Ozeans.
Sie hat die Welt rings um sich nie anders als feindlich erlebt, ist früh vorsichtig geworden und hat nie mehr als das Notwendigste gesprochen, ist teilweise gänzlich verstummt. Dafür hat sie umso mehr beobachtet und verfügt über eine große Menschenkenntnis, viel Überlebenswillen und ist schnell entschlossen. Das ist ihr oft von Nutzen.
Bei ihrer Geburt tauchte ein piseog auf, ein Rotkehlchen, das gemäß des Volksglaubens Unglück ankündigt. Auf diese Weise wird er zum Motto ihres Lebens, „…als wäre der Flug des Vogels ein Faden, der sich durch das Gewebe ihres Lebens zog.“
Und doch scheint er für die junge Frau eher wie ein Hoffnungszeichen. Alles hat sie bisher überlebt und überstanden, sie wird sich auch dem kommenden Ungemach mit erhobenem Kopf entgegenstellen.
Viel wurde bereits über die anlässlich der Hungersnot ausgewanderten Iren geschrieben, selten aber über allein reisende Frauen. Was hat der Hunger mit ihnen gemacht, nicht zu vergessen mit ihrem weiblichen Organismus? Was für Überlebens-Möglichkeiten hatten sie?
In kraftvollem, unprätentiösem Stil gehalten, spannt sich der Handlungsbogen über fünf Jahre und zwei Kontinente hinweg. Die Spannung steigt mit jedem Kapitel, wird manchmal fast unerträglich. Wird das Schicksal eintreffen, was ich für Honora befürchte? Oder wird es in letzter Minute abgewendet? Natürlich nicht.
Bemerkenswert ist auch die Parallele zu manchen indigenen Völkern, die so wie die Iren enteignet und vertrieben, zu Heimat- und Rechtlosen gemacht wurden. Historisch belegt sind, mitten in der schlimmsten Hungersnot 1847, die Spenden der Choctaws an die notleidenden Iren.
Am Ende des Buches gibt es ein Interview mit der Autorin anlässlich einer Buchpreisverleihung. Hier sind weitere Einblicke in das Leben und die Geschichte der Iren gegeben. Ein nicht nur nahegehendes, sondern sehr interessantes Werk, das ich eigentlich allen empfehlen kann. Ich erhoffe mir noch mehr Übersetzungen der Werke von Jacqueline O‘Mahony ins Deutsche.

Bewertung vom 06.08.2024
Pi mal Daumen
Bronsky, Alina

Pi mal Daumen


sehr gut

Was ergibt Mittwoch mal Mittwoch?

Ich bin kein „Will haben“-Typ. Aber wenn ich sehe, dass ein neuer Roman von Alina Bronsky erscheint, wird er für mich zum Muss. So auch „Pi mal Daumen“.
Der 16-jährige Oscar führt als Erzähler durch die Story. Seine Sicht ist eine autistische, seine Probleme mit der sozialen Kommunikation und dem gegenseitigen Verständnis beträchtlich. Er hat einen Adelstitel und residiert allein in einer Villa seiner Familie. Es gibt ihn und nur ihn, er betrachtet sich selbst als Norm.
Ungehalten registriert er daher die auffällig gekleidete 50-jährige Moni, als sie im Hörsaal bei einer Mathe-Vorlesung auftaucht und sich ausgerechnet neben ihn quetscht. Ihr fehlt die notwendige Grundlagenbildung. Manchmal muss sie auch noch ihren kleinen Enkel in die Uni mitnehmen und rackert sich in drei Jobs ab. Dennoch versucht sie, mitzuhalten, und lernt dabei erstaunlich schnell.
Die beiden arbeiten mit der Zeit sogar zusammen, könnten aber unterschiedlicher nicht sein. Jedes hat seine Defizite, wenn auch in verschiedenen Richtungen. Während Moni ständig unter Stress steht, ist der autistische Oscar auf sich selbst ausgerichtet. So unwahrscheinlich es klingt: Die beiden nähern sich einander an, staunen übereinander, freunden sich an.
Die ganze Handlung ist nicht nur ein bisschen verrückt (wie öfters mal bei Bronsky). Schon dass Moni heimlich studieren muss, sorgt für ernsthafte Turbulenzen. Monis familiärer Hintergrund scheint mir teils an den Haaren herbeigezogen und übertrieben, die Charaktere überzeichnet. Vielleicht ist das heutzutage auch notwendig, denn so stechen sie hervor, sind etwas Neues. Zu viele andere, immer wieder ähnliche Figuren tummeln sich bereits seit Jahrzehnten in der Literatur.
Alina Bronsky legt in all ihren Romanen den Finger auf empfindliche Stellen, originelle Handlungen sind so etwas wie ihr Markenzeichen. Für mich war dennoch vieles unglaubwürdig, beinahe wie in einem Märchen. Drum wird der Leser wahrscheinlich ein Happy End erwarten. Doch der Schluss hat mich enttäuscht, er scheint mir unausgereift zu sein und bleibt vage, gerade so, als sei eine Fortsetzung geplant. Hingegen gefällt mir, dass die dargestellte Form des Autismus verständlich dargestellt ist.
Die Tiefen der höheren Mathematik können natürlich nur gestreift werden. Dennoch hatte ich das Gefühl, nicht völlig danebenzustehen. Dass diese Wissenschaft für Fachleute äußerst faszinierend ist und zum Spielen verführt, verstehe ich nun.
Seit meiner ersten Bekanntschaft mit einem der Bücher von Alina Bronsky (Die schärfsten Gerichte der Tatarischen Küche) bin ich ihr Fan. Auch diesmal geht es rasant durch die Kapitel, ein richtiger Pageturner. Dass am Ende des Buches einige weiße Seiten sind, regt dazu an, sich ab und zu eine Notiz zu machen, etwa den Satz herauszuschreiben: „Was ergibt Mittwoch multipliziert mit Mittwoch?“ – Moni weiß es: „Dienstag!“
Ein Leckerbissen für Bronsky-Fans und eine Empfehlung allen Freunden fantasievoller Literatur.

Bewertung vom 02.08.2024
Sobald wir angekommen sind
Lewinsky, Micha

Sobald wir angekommen sind


sehr gut

Soll er? Soll er nicht?

Ben beschäftigt sich viel mit seinem literarischen Vorbild, dem großen jüdischen Autor Stefan Zweig. Er kennt dessen Bücher, besonders diejenigen im Zusammenhang mit seinem Exil Brasilien. Auch gibt es Parallelen zum Liebesleben von Zweig und Ben.
Als Sohn von jüdischen Flüchtlingen und Überlebenden der Shoa ist ihm die ständige Angst vor Verfolgung und Unsicherheit in die Wiege gelegt worden. Er spürt im aggressiven Verhalten der Regierungen immer wieder Gefahren und ist bereit, es seinen Ahnen gleichzutun und das Heil in der rechtzeitigen Flucht zu suchen. Zusammen mit seiner Frau hat er schon überlegt, dass Brasilien auch für seine Familie ein Zufluchtsort wäre, sollte der Ernstfall eintreten und ein Atomkrieg oder Dritter Weltkrieg in Europa losbrechen.
Doch er hat nicht nur dieses ernsthafte Problem. Getrennt von seiner Frau und abwechselnd mit ihr für die gemeinsamen Kinder sorgend, ist da auch noch eine Geliebte, die glaubt, von ihm schwanger zu sein. Aber er kann sich für keine Seite entscheiden und windet sich immer wieder aus den notwendigen Gesprächen. Außerdem steckt er tief in einer Flaute als Autor.
Bei einer alarmierenden Lage in Europa bucht seine Frau kurzerhand Flugtickets nach Brasilien. Soll er sich ihr der Kinder wegen anschließen? Einen Neuanfang wagen? Die jahrtausendealte Flucht der Juden scheint nun auch ihn zu betreffen.
Mir hat der Roman sehr gut gefallen. Er spricht verschiedene Themen an und ist von Beginn an mitreißend erzählt. Dabei greift der Autor das Verhalten vieler Menschen auf, welche sich (aus falsch verstandener Rücksicht oder aus Feigheit) für keinen klaren Standpunkt entscheiden können. In diesem Fall spielt auch die Angst eine Rolle, unangenehm aufzufallen, sich dem Rassismus auszusetzen, was verständlich ist. Dennoch ist es ein ständiges Schwanken zwischen zwei Seiten, das keinem nutzt. Lewinsky stellt das eindrücklich dar.
Dieses Debut wird ganz sicher zu einem Hit, denn schon der Name (der erfolgreiche Schriftsteller Charles Lewinsky dürfte sein Vater sein) bürgt für Qualität. Ich jedenfalls wünsche mir mehr aus seiner Feder.

Bewertung vom 20.07.2024
Reise nach Laredo
Geiger, Arno

Reise nach Laredo


ausgezeichnet

Was ist schon Macht?

Ein älterer König ist abgedankt und verbringt gleichförmig triste Tage in einem spanischen Mönchskloster. Im elfjährigen dörflichen Außenseiter Geronimo findet er einen Gesprächspartner, der ihm innerlich wohltut. Gemeinsam machen sich die beiden klammheimlich auf den Weg, nicht wissend, wohin er sie führen wird. Der einst Mächtige auf dem Thron, nun auf einem Maulesel, gelangt zu ganz neuer Macht, nämlich zu der über sich selbst.
Nein, es ist keine wilde Abenteuergeschichte, sondern eine tiefgreifende Reise, kaum zu bewältigen für den ehemaligen Monarchen. Dennoch hält er bis Laredo durch und kehrt danach gestärkt zu seinem Domizil zurück – naja, ganz so ist es denn doch nicht.
Ich bin in historischer Hinsicht nicht allzu bewandert. Deshalb kam mir die Handlung anfangs allzu phantastisch, beinahe märchenhaft vor. Lass dich halt darauf ein, sagte ich mir, die bisherigen Bücher von Arno Geiger haben dir doch allesamt gefallen.
Aber nach und nach fand ich aufgrund von Hinweisen zu den geschichtlichen Tatsachen, welche die Grundlage für den Roman bilden. Dazu ein paar Auskünfte von Wikipedia, und dann sah ich die Story mit anderen Augen und las mit großem Genuss.
Ich finde allerdings, dass in den Rezensionen die Person des Königs nicht aufgedeckt werden sollte. Denn es macht mehr Freude, wenn der Leser es selbst herausfinden darf.
Mir gefällt die schnörkellose, geradlinige, ja einfache Sprache, in welcher der Autor sehr authentisch aus dem Leben erzählt, virtuos und scheinbar mühelos den Spannungsbogen baut. Ab und zu verwendet Geiger den Kunstgriff der Gegenwartsform, was die Schilderungen besonders eindringlich macht. Ganz am Schluss wird das Reisen thematisch wieder aufgenommen, wobei ich wegen der wiederkehrenden Person von Angelita schon recht verwundert war.
Immer wieder habe ich beim Lesen Pausen eingelegt, weil die Themen mich nachdenklich gemacht haben. Denn hier geht es um das, was wirklich zählt im Leben, für junge Menschen und Senioren, für Arm und Reich, Männer ebenso wie Frauen, gestern, heute und in Zukunft.
Deshalb empfehle ich allen, die sich beim Lesen gern auch auf etwas Ungewohntes einlassen möchten, diesen tiefschürfenden und nahe gehenden Roman.

Bewertung vom 07.07.2024
Eve
Towles, Amor

Eve


sehr gut

Wer ist Eve?

Wer oder was ist Evelyn Ross? Was führt sie nach L.A.? Woher kommt sie wirklich? Was sind ihre Ziele? Warum sucht sie diverse Bekanntschaften und lässt sich doch auf keinen Mann ein?
Eve, eine attraktive, offensichtlich intelligente, aufgeschlossene junge Frau mit glamourösem Touch, taucht an verschiedenen Orten auf und hinterlässt überall einen nachhaltigen Eindruck. Mit zwei beträchtlichen Makeln behaftet, scheint sie nicht ins Filmgeschäft einsteigen zu wollen und knüpft doch sofort Verbindungen zum Set.
Und dann geht die Post ab. Mit Tempo wird der Leser in einem Kriminalfall in der Welt der Stars und Sternchen geführt.
Aus der Sicht von mehreren Personen, unter ihnen eine bereits halb vergessene Filmgröße aus Hollywood, verfolgt der Leser einen Abschnitt aus dem Leben der jungen Frau, die wie ein guter Geist stets ein Lächeln auf die Gesichter der Menschen um sich zaubert. Sie greift ganz selbstverständlich helfend dort ein, wo es nötig ist, auch in einen brisanten Erpressungsfall. Das Opfer ist eine Filmlegende, die hier salopp Dehavvy genannt wird. Bei alldem habe ich mich gewundert, dass das Telefon in den 30er Jahren beim amerikanischen Volk, auch bei den eher kleinen Leuten, bereits so verbreitet war.
Amor Towles, bestens bekannt aus früheren Werken, hat mich auch diesmal wieder zu fesseln vermocht. Mir gefallen nicht nur die gepflegte, mitreißende Sprache und der Drive, sondern auch die Bilder, die er immer wieder heraufzubeschwören versteht, und die Welten, die er so authentisch gestaltet, dass der Leser mittendrin sein kann.
Gekonnt setzt er seine Cliffhanger ans Ende vieler Kapitel. Etwas verwirrend sind die vielen Personen, welche in den Abschnitten titelgebend mitmischen. Nicht selten musste ich zurückblättern, um mich an den Menschen, seine Gründe und Absichten besser zu erinnern.
Wermutstropfen sind zwei Fehler, welche dem Autor (oder der Übersetzerin?) unterlaufen sind. Ein Wagenheber kann nicht drei Seiten später als Brecheisen bezeichnet werden. Und: F. nimmt einem Bewusstlosen den Revolver ab und steckt ihn in seinen eigenen Gürtel. Als dieser später wieder zu sich kommt, findet er die Waffe aber wie zuvor in seinem Holster.
Insgesamt ein interessanter Ausflug in die frühe Welt des Films und Hollywods frühe Jahre. Eine durchaus empfehlenswerte Lektüre.

Bewertung vom 04.07.2024
Cascadia
Phillips, Julia

Cascadia


ausgezeichnet

Bär und Zukunft

Bären haben schon in alten Märchen die Frauen fasziniert und spielen auch in der Mythologie eine bedeutende Rolle. Gleichwohl sind sie gefährliche, schnelle Tiere, denen man nicht zu nahekommen sollte, selbst wenn die Anziehung groß ist.
Im Nordwesten der USA leben die Schwestern Sam und Elena zusammen mit ihrer schwerkranken Mutter in eher prekären Verhältnissen. Die Zukunftsaussichten sind sehr bescheiden. Lediglich die Veräußerung ihres Häuschens und ein Neuanfang anderswo zeigt ein Licht am Horizont. Eines Tages taucht ein Bär vor ihrer Haustür auf und rüttelt an ihrer kleinen Welt und der Vertrautheit zwischen den Schwestern.
Dieser Roman hat mich schon auf der ersten Seite in seinen Bann gezogen. Nicht nur, dass er eine mir fremde Welt beschreibt. Es ist auch die Situation zwischen den Frauen, die mich angesprochen hat, der gegenseitige Zusammenhalt in Notsituationen und das Bemühen ums tägliche Brot und die Medikamente für ihre berufsgeschädigte schwerkranke Mutter.
In einem frischen, leichten Ton erzählt Julia Philips von Sams Arbeitsalltag, ihren Ängsten, den ungewohnten Reaktionen ihrer Schwester auf den Bären und was daraus auf die Familie zukommt. Der Spannungsbogen hat mich von Beginn an mitgerissen. Die Hoffnungen junger Menschen, die schweren Enttäuschungen, ihr kleines Glück sind mir nahe gegangen, ich war mittendrin und habe mitgezittert.
Cascadia, Oregon, eine Region im Pazifischen Nordwesten Amerikas, die in diesem Werk wohl auch zum Symbol für das Ungewöhnliche wird, das uns Menschen begegnen kann und nicht immer rational erklärlich ist.
Ähnlich ruhig, fast geheimnisvoll wie der Schreibstil ist das Cover gestaltet, bestechend durch seine Farben und die einfache Landschaftsdarstellung. Mir gefällt besonders, wie der Name der Autorin hinter einem der Bäume zu verschwinden scheint.
Ich empfehle das Buch allen, die sich auf ein ungewöhnliches Thema einlassen und den Blick in eine ganz andere Welt wagen wollen.

Bewertung vom 26.05.2024
Und Großvater atmete mit den Wellen
Teige, Trude

Und Großvater atmete mit den Wellen


sehr gut

Sehr beeindruckend!

Im Roman „Und Großvater atmete mit den Wellen“ von Trude Teige werden sehr verschiedene Themen behandelt: Geschichte, der Ferne Osten während des Zweiten Weltkrieges, Kriegsgefangenschaft, Brutalität und Menschlichkeit unter Lebensgefahr, Familienzusammenhalt, nicht zuletzt die Liebe, auch die zur Heimat Norwegen. Auch die Wege des Schicksals, die auf uns einwirken und uns zu dem machen, was wir sind.
Ich habe das Werk als Hörbuch genossen und bin noch immer tief beeindruckt. Anscheinend gibt es einen zweiten Roman der Autorin, der den vorliegenden ergänzt. Den möchte ich unbedingt ebenfalls lesen, lerne ich dort doch Konrad als Großvater kennen. Und natürlich möchte ich erfahren, was aus seinem Bruder Sverre und aus Sigrid und ihrer Familie geworden ist.
Es ist mir klar, dass ein Hörbuch intensiver wirkt als ein Text. Doch der Sprachstil hätte mich bei einem gedruckten Exemplar bestimmt gleichermaßen fasziniert. Hoch spannend schildert die Autorin, was alles geschieht, was die Hauptprotagonisten empfinden und wie sie die ungeheuerlichen Situationen meistern. Die Ausdruckskraft ist enorm, eindringlich und fesselnd. Oft war ich richtig schockiert, obwohl ich aus anderen Quellen Ähnliches zumindest andeutungsweise wusste.
Ein Buch, das sowohl Einblick in eine fremde Welt bietet als auch für den Frieden wirbt. Also hochaktuell!

Bewertung vom 15.04.2024
Keine Spaghetti sind auch keine Lösung
Neumayer, Silke

Keine Spaghetti sind auch keine Lösung


sehr gut

Freundinnen-Roman

Innerhalb kurzer Zeit ist dies der zweite Spaghetti-Roman, den ich lese. Damit meine ich das Wort „Spaghetti“ im Titel. Ich muss schon sagen, dass sich auch bei diesem beim Lesen ständig ein Pasta-Appetit in mir regte. Bereits das stimmige, sympathische Cover trägt dazu bei.
Tragisch ist der Inhalt des Buches, ist doch ein Teil des Freundinnenkreises gestorben, Amelie. Zudem enthüllen sich nach und nach die Schwachstellen des vierblättrigen Frauen-Kleeblattes. Das führt zu Streit, Eifersüchteleien und Zornausbrüchen. Die Situationen werden abwechselnd aus der Sichtweise der verbliebenen drei Frauen beleuchtet, und so versteht man auch gut, warum sie so handeln.
Die Heiterkeit kommt dennoch nicht zu kurz, befinden wir uns doch in der sonnigen Toskana, wo das Dolce Vita letztendlich nicht zu kurz kommen darf. Zudem ist da natürlich ein sehr attraktiver Nachbar und andere aufgeschlossene Ragazzi in Reichweite.
Ich finde, so ein Italien-Roman tut immer gut, wenn man selbst gern im sonnigen Süden war und die mediterrane Küche zu schätzen weiß. Die Autorin Silke Neumayer versteht es, uns Leser von „Keine Spaghetti sind auch keine Lösung“ durch ihre bilderreiche, sinnliche Sprache mit in den Süden zu nehmen.
Es ist kein tiefsinniger Roman, doch regt er durchaus zum Nachdenken an. Manches sollte man nicht so ernst nehmen, anderes hingegen wieder sehr sorgfältig behandeln, etwa eine Freundschaft und die eigene Familie. Immer aber: Ein Problem lediglich vor sich her zu schieben und den Kopf in den Sand zu stecken, das ist absolut keine Lösung.
Auf jeden Fall eine prima Urlaubslektüre, aber auch für die Daheimbleibenden ein toller Ausflug in den sonnigen Süden.

Bewertung vom 10.04.2024
Was das Meer verspricht
Blöchl, Alexandra

Was das Meer verspricht


gut

Meerjungfrauen müssen frei sein

Als Vida das erste Mal Marie begegnet, ist sie sofort fasziniert von ihr. Nicht nur, dass sie bei eisigen Temperaturen im Meer schwimmt und ein Meerjungfrauenkostüm bei sich hat, sie verliebt sich auch in sie. Marie schenkt Vida zwar ebenfalls ihre Zuneigung, doch sie will sich nicht an sie binden, sondern liebt auch Männer.
Mir gefiel die Stimmung, welche Alexandra Blöchl gleich von Beginn an zu schaffen versteht. Es war, als wäre ich ebenfalls auf der Insel und überall mit dabei. Im Lauf der vier Teile, in die der Roman gegliedert ist, wächst die Spannung bis zum Zerreißen.
Am Anfang von Teil vier glaubte ich schon zu wissen, auf welchen Schluss die Handlung hintreibt, denn hier endet die Ich-Form, und dass das Ende tragisch wird, war mir ohnehin klar. Doch ich hatte mich getäuscht.
Schon fast ein Thriller, dieses Buch! Der Mythos von der Meerjungfrau wurde geschickt genutzt und stützt den Spannungsbogen ganz erheblich.
Das Cover übermittelt eine kühle Atmosphäre, und die davonschwimmende Frau deutet das Hauptthema bereits an. Die Geschichte liest sich flott, nicht nur, weil hier eine mitreißende Story sehr lebhaft und farbig erzählt wird, sondern auch noch in großer Schrift gedruckt ist. Allerdings hätte ich mir einen anderen Titel gewünscht, denn: Verspricht das Meer in diesem Buch denn irgend etwas?
Ich empfehle den Roman allen, die sich einerseits von einem Mythos gern ein wenig verzaubern lassen wollen und andrerseits straff gespannte Handlungsfäden mögen.

Bewertung vom 06.04.2024
Mit den Jahren
Steenfatt, Janna

Mit den Jahren


gut

Spielarten des Lebens

Drei Menschen, die im Lauf der Handlung aufeinandertreffen: Lukas, Eva und Jette. Das heißt, Lukas und Eva sind bereits verheiratet und haben miteinander zwei Kinder. Das Ehepaar ist bereits erheblich auseinandergedriftet, als Jette erst in Lukas‘ Leben, dann auch in Jettes auftaucht. Nein, sie drängt sich nicht zwischen das Paar, es sind eher die Umstände bei einer schwierigen Situation, welche die drei Menschen zusammenführen. Das Leben hat anscheinend viel Phantasie in seinen Spielarten, es gibt immer wieder neue Nuancen.
Der Sprachstil ist frisch, fließend, farbenfroh. Die Handlung wird von Kapitel zu Kapitel jeweils aus der Sicht einer der drei einzelnen Personen betrachtet, was mir immer gefällt und zu besserem Verständnis führt. Den Schluss finde ich etwas idealisiert, aber er ist eine kreative Lösung.
Besonders begeistert bin ich von diesem Roman von Janna Steenfatt dennoch nicht.
Mir fehlt der Drive. Die Absätze sind sehr lang und verleiten zum Querlesen, manche Überlegungen scheinen mir zu langatmig. Es kommt keine rechte Spannung auf, obwohl der Leser sich schon fragt, wie diese Sache wohl endet.
Das Cover mit seinem senkrecht gestellten Querformat-Bild zieht sofort die Aufmerksamkeit auf sich und verweist auf die drei Hauptprotagonisten. Dass es von der Tochter eines bedeutenden Mitglieds der Wiener Schule, Rudolf Hausner, stammt, hat mich erstaunt und gefreut. Xenia Hausner ist auch Bühnenbildnerin und muss dort mit Raumgestaltung und Tiefe umgehen. Das spürt man beim Betrachten des Umschlagbildes.