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elizagamai

Bewertungen

Insgesamt 7 Bewertungen
Bewertung vom 29.11.2018
Das avocadogrüne Känguru
Sommer, René;ib-lyric, artfactory

Das avocadogrüne Känguru


ausgezeichnet

Das unendliche Spiel
In den Geschichten entdeckt der Protagonist Johann Sebastian Huch eine Parallelwelt, in welcher er Spaziergänger ist. René Sommer erzählt aparte Geschichten, in denen die Figuren auch schon mal über dem Boden schweben oder eine gewöhnliche Gabel in Gold verwandeln können. So wie ein Gegenstand automatisch zum Kunstwerk wird, sobald ihn ein Museum ausstellt, werden banalste Vorgänge und Ereignisse Teil eines unendlichen Spiels, in dem mit einfachsten Wörtern und Sätzen höchst eigenwillige Handlungen erzählt werden.
In diesem surrealen Kosmos tummeln sich bizarre Figuren. Narrative Hierarchien fehlen. Die Geschichten konzentrieren sich auf körperliche Beredsamkeit, verzichten auf psychologische Analysen, fokussieren einfache, alltägliche Bedürfnisse, so als träge gerade das Gewöhnliche das Ungewöhnliche in sich.
Es gibt sie die Bücher mit einem eigenen Zauber, deren Wörter ihre magische Energie auf die Lesenden bedachtsam aussenden. Dazu gehört „Das avocadogrüne Känguru“.

Bewertung vom 01.08.2018
Play Huch
Sommer, René

Play Huch


ausgezeichnet

Huchs Spiel

Tagträumend strickt der fiktive Dichter Johann Sebastian Huch ständig an seiner Identität. Ist er eine Giraffe aus Yoghurtgläsern, eine Regenbogenschlange oder ein Krokodil, das Harfe spielt? Für Huch, und das gilt wohl auch für René Sommer, ist der Mensch das erzählende Tier, das unzählige Geschichten zu einem Gedicht verwebt, eine Maus, die sprechen lernt, oder hundert Hände, die ein Papierklavier zum Klingen bringen mit einem Sound, der in den Ohren der Lesenden nachklingt, eigene Träume, eigene Bilder weckt.
Immer anders und überraschend gelingt Sommer der Übergang zu einer fantastischen Welt, in welcher die Naturgesetze außer Kraft gesetzt sind, Elefanten schweben, und der Philosoph Ludwig Wittgenstein meterlange Stapel von Plastikbechern balanciert.
Die Gedichte verwandeln die Welt in ein durchziehendes System, durch das Energie fließt. So fährt in einem Text ein Zug aus den Wellen und entführt die Menschen, die in einer negativen Gedankenwelt gefangen sind.
Sind die Texte visionär? Enthalten sie Antworten auf drängende Fragen unserer Zeit? – Möglicherweise verkörpern sie in reinster Weise das, was der Autor René Sommer Jeu littéraire nennt, ein Spiel mit den Möglichkeiten der Literatur und der Sprache, als gäbe es am äußersten Rand des Literatursystems ein Naturschutzgebiet mit riesigen Schmetterlingen.

Bewertung vom 10.05.2018
Das Mädchen mit rotem Hut
Sommer, René

Das Mädchen mit rotem Hut


ausgezeichnet

Der eigene Blick auf die Welt

Die Figuren scheinen dem Autoren René Sommer entgegenzukommen und zu antworten. Wer die Kurzgeschichten liest, begegnet nicht nur nahezu unüberschaubar vielen Menschen, sondern auch dem Eigensinn der Sprache, die sich so einfach anhört, dass man kaum merkt, wie bewusst und reflektiert die Worte gesetzt sind. Mit eigenwilligen Grundmustern interpretiert René Sommer die Elemente und die Gesetze des Erzählens neu. Bevor Johann Sebastian Huch dazu kommt, das Wort „Turm“ zu schreiben, haben die Figuren bereits einen Turm aus Plastikbananen errichtet. In den Geschichten werden Welten aufgebaut, die üblicherweise verborgen bleiben und plötzlich sichtbar werden. So kann ein karibikblaues Delfinweibchen in einem chiliroten Minikleid auf Rollschuhen durch den Wald rasen, ohne Aufsehen zu erregen.
Der Leser braucht indes keine Übersichtsskizze, um die verwirrend vielen Figuren im Auge zu behalten. Ihre durchgehende unbeirrbare Lebensfreude verleiht ihnen eine unverwechselbare Persönlichkeit, die sich nie dazu verleiten lässt, andere Figuren von einer Unternehmung auszuschließen - gerade so, wie wir als Kind das Talent besitzen, uns selber zu gehören, das wir möglicherweise als Erwachsene verlieren. Beim Lesen von René Sommers Kurzgeschichten stehen die Chancen gut, dieses Talent und den eigenen unverstellten Blick auf die Welt zurückzuerobern.

Bewertung vom 11.03.2018
Woanderswoher
Sommer, René

Woanderswoher


ausgezeichnet

Die Mehrzahl von Welt ist Woanderswoher

Im Roman Woanderswoher streift der Protagonist Johann Sebastian Huch durch eine Welt, die offen, ungezwungen, formbar und unvollendet ist. René Sommer entwickelt mit sprachlich einfachsten Mitteln eine befremdliche Eigenlogik, welche die Regeln der Realität aufhebt, durch die Luft schwebenden Walen Raum gibt und jeder Figur die Möglichkeit, sich am Geschehen zu beteiligen. Er hat offensichtlich Spaß, sich Geschichten auszudenken. Und dieser Spaß überträgt sich auf seine Figuren, die banale, alltägliche Verrichtungen mit spielerischer Leichtigkeit in Traumszenen verwandeln. Ihre Wünsche haben in diesem surrealen Spiel mehr Gewicht als alle festen Vorstellungen, welche die Wirklichkeit begrenzt oder unveränderbar erscheinen lässt. Mit sicherem Gespür für eine neuartige Erzählkunst lässt der Autor einen Drachen auf Huchs Schulter landen oder einen Spiegel sprechen. Immer neue Charaktere und Figuren treten in verschiedenen Kostümen auf, und es kann auch vorkommen, dass sie einen grünen Tarnanzug anlegen, um eine Raupe nicht zu erschrecken. In diesem fiktional poetischen Kosmos scheint die Zeit außer Kraft gesetzt zu sein. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass Huch in einer Zeitmaschine zu einem Saurier reist und ihm das Miauen beibringt. Der Protagonist und die Figuren des Romans sind im Grunde illustre Outcasts oder mehr noch Wunderlinge mit einem universellen Potential, sich in einer literarisch verspielten Präsenz mit ihrem Handeln und ihren Denkweisen im wechselseitigen Dialog zu behaupten und zu realisieren.

Bewertung vom 22.11.2017
Das Popcorn und die Vögel
Sommer, René

Das Popcorn und die Vögel


ausgezeichnet

Jedes Popcorn verändert die Welt

“Das Popcorn und die Vögel“ enthält 25 Kurzgeschichten, in welchen die Schlüsselfigur, namens Johann Sebastian Huch, abseits gekiester Wege eigenwillig herumstromert. Einladungen zum Mitfahren nimmt er selten an. „Im Auto zieht die Landschaft viel zu schnell vorbei. Ich gehe lieber zu Fuß“, sagt er einmal.
Obwohl er Zickzackwege beschreitet, hat er einen aufrechten Gang, als wollte er mit geradem Rücken gegen Vereinnahmungen aller Art protestieren. Als ihn eine Frau erstaunlich findet, antwortet er: „Alle Menschen sind erstaunlich.“
In den Geschichten finden sich auch Rätsel und Träume. Ein Roboter füllt im Areal einer stillgelegten Fabrik eine Halle mit so vielen Ballons, dass sie aufsteigt und sich im tiefblauen Himmel verliert.
René Sommer kreiert eine betont anschauliche und bilderreiche Sprache, die ganz neue Möglichkeiten eröffnet und zum Staunen verführt. Wer „Das Popcorn und die Vögel“ liest, macht auf seltsame Weise die Erfahrung, noch Tage später sich selbst in einer Art „Huch“-Geschichte wieder zu finden. Gerade so, als verfügten wir Menschen über viele Teilidentitäten, die erst zum Vorschein kommen, wenn wir die Ereignisse und uns selbst sorgfältig erkunden.
Lesende, die Gefallen finden durch eine Welt voll unwirklicher Bilder zu reisen, mögen zu ihrer Überraschung einen unbekannten Kontinent eigener Sinn- und Traumwelten entdecken.