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Isa.Literature.Love
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Bewertungen

Insgesamt 204 Bewertungen
Bewertung vom 25.05.2025
No Hard Feelings
Novak, Genevieve

No Hard Feelings


weniger gut

»NO HARD FEELINGS« 🍊 ist der Debütroman von der Autorin Genevieve Novak. Es geht darin um die 27-jährige Protagonistin Penny, die gerade in vielerlei Hinsicht struggelt und alles andere als happy ist. In ihrem Job erhält sie die gewünschte Beförderung nicht, in ihrer On-Off-Beziehung mit ihrem Ex ist sie maximal unreflektiert und ignoriert alle Red-Flags 🚩. In ihren Freundschaften vergleicht sie sich und surprise, wird dadurch nicht glücklicher, sondern im Gegenteil, ihre Ängste werden dadurch verstärkt. Schade, dass hier nicht Sisterhood und Zusammenhalt im Vordergrund stehen, sondern Neid und an der ein oder anderen Stelle auch noch gepaart mit sehr toxischen Gedanken in Bezug auf Körper … On top: Es scheint in der Literatur fast ein Trend geworden zu sein, dass extrem viel Alkohol konsumiert und dies nicht kritisch konnotiert wird; so auch hier. Den positiven Aspekt dieses Romans sehe ich darin, dass Penny sich Hilfe in Form einer Therapie sucht. Allerdings wird dies sehr oberflächlich bearbeitet. Cherry on top 🍒 des Romans ist: Ein Happy End für Penny.

»Es ist, als ob ich wartete, dass mein Leben beginnt.« (37)

NO HARD FEELINGS … but I didn’t enjoyed it that much. 😮‍💨 Mich hat Penny zunehmend genervt, immerhin hier konnte ich mit ihren Freundinnen relaten. Doch das Ignorieren von Red Flags - egal in welchem Lebensbereich - , der verherrlichte Alkoholkonsum, die ‚alles-wäre-besser-wenn-ich-dünner-wäre‘ Gedanken hätten aus meiner Sicht deutlich besser geframed werden müssen. Mir fehlte es an Witz, zeitgemäßem Umgang mit den angerissenen Themenbereichen und Herausforderungen, mit denen sicherlich einige Personen Mitte / Ende 20 relaten könnten. Ich hätte den Roman gerne mehr gemocht, aber mir fehlte es an Tiefe, Authentizität, ernsthafter Auseinandersetzung in einem passenden Framing für einen Roman. SORRY, but … NO HARD FEELINGS 🫶

Bewertung vom 25.05.2025
Das Leben fing im Sommer an
Kramer, Christoph

Das Leben fing im Sommer an


weniger gut

»DAS LEBEN FING IM SOMMER AN« von Ex-Fußballprofi Christoph Kramer ist ein autofiktionaler Roman über einen Sommer im Leben des 15-jährigen Teenies Chris, in dem er seine große Liebe trifft und vorher in einem anderen Girl diese sucht. So far so well-know — diese Art von Coming-of-Age-Story. 🤝🏼 Was macht diese Story hier besonders — außer eben, dass der Autor als Ex-Fußballprofi gefeiert wird? Nicht viel, ist meine kurze Antwort. Etwas länger: Ich finde gut, wie der junge Protagonist sich seiner Gefühle bewusst wird, Unsicherheiten (Akne, Gefühl Dazu-gehören-zu-wollen & Coolness) darstellt und, dass er nicht raucht, als sein Crush ihm eine Zigarette anbietet. Ansonsten gibt es für mich aber viele Klischees, die bedient werden; einen mäßigen Storyplot; und aber auch einen größeren Kritikpunkt: den verherrlichten, gewohnt patriarchalen male-gaze auf Frauen 🚩 (ausgeklammert natürlich Mutterfiguren, wie die eigene Mutter, Kioskbesitzerin oder auch Freizeitbadmitarbeiterin), mit dem negativen Lowlight in strafbaren Nackt-Fotos einer Frau, was auch im Kontext nicht entsprechend konnotiert und kritisiert wird. Das ist nicht nur eine Red-Flag, sondern ein NO-GO für heutige Literatur.

Eine kurzweilige Sommerlektüre, die schon viele begeisterte Leser*innen erreicht hat. Für mich war es kein Perfect Match. Vermutlich bin ich als Feministin und viellesende Booklover auch kein Teil der Zielgruppe. BTW, ich habe zwar eher halbherzig analysiert, aber ich bin mir sicher, den Bechdel-Test würde dieser Roman nicht bestehen. Ich habe deutlich bessere CoA-Stories gelesen, die weniger problematisch in der Darstellung von FLINTA waren, und würde daher eher auf andere zurückgreifen, als auf diesen Roman.

[1.5/5 ☆]

Bewertung vom 25.05.2025
Stars
Kullmann, Katja

Stars


schlecht

Das war leider kein Match mit »STARS« 🔮 von Katja Kullmann und mir. So viel direkt vorab gesagt. Mit der Protagonistin, Star-Astrologin - wider Willen - und Philosophie-Studienabbrecherin (hier war ich kurz interessiert) Carla Mittmann (aka Cosmic Charlie) bin ich weder warmgeworden, noch hat mich das Buch, der Inhalt oder das Ende überzeugen können. Vielleicht waren meine Erwartungen an den neuen Roman der Autorin nach ihrem Buch »DIE SINGULÄRE FRAU« zu hoch? Vielleicht sollte es einfach nicht sein mit dem Roman und mir. Wie auch immer: Mit mir hat das Buch nichts gemacht, außer dass ich von Carlas selbstauferlegter Mittelmäßigkeit, ständigen Ironie und sich - stückweit auch - selbst für etwas Besseres halten, genervt und gelangweilt war. Und das habe ich wirklich (!) sehr selten mit Büchern. Im Übrigen halte ich es für absolut fahrlässig, einen Steinwurf und fragwürdige Zuspielung mit einem Karton voll Dollars nicht zu melden — and I am aware, it’s ficton. … Keine Leseempfehlung von mir.

Bewertung vom 25.05.2025
Halbinsel
Bilkau, Kristine

Halbinsel


sehr gut

»Lass mir diese Ruhe doch. Was sind schon einige Woche, in denen alles etwas langsamer läuft? Zwei, drei Monate in einem ganzen Leben?« (100)

»HALBINSEL« von Kristine Bilkau ist ein einfühlsames, ruhiges Porträt einer Mutter-Tochter-Beziehung. Mit ihrem erstaunlichen Sinn für die feinen Beobachtungen von menschlichem Verhalten und Beziehungen erzählt die Autorin von Annett und Linn, letztere ist nach einem Zusammenbruch auf einer Konferenz wieder bei ihrer Mutter im gemeinsamen Zuhause an der Nordsee eingekehrt. Im wieder Zueinanderfinden und Austausch erfahren nicht nur die Mutter und Tochter mehr übereinander, sondern auch die Lesenden werden ganz geschickt zum Nachdenken angeregt, wenn es um Spannungen zwischen den Generationen, Zusammenleben, Familie, Verlust, Verantwortung und (persönliche) Sinnsuche geht. 💭 Vor dem Setting des norddeutschen Wattenmeers 🌊 wird eine gelungene und nie aufgesetzte Atmosphäre geschaffen.

»Inzwischen habe ich begriffen, es grenzt an ein Wunder, wenn man geliebte Menschen um sich hat und sie nicht zu früh verliert. Ein noch größeres Wunder ist es, wenn es einem mehrmals im Leben gelingt, jemanden zu finden, der es gut mit einem meint.« (50)

Trotz dieser existenziellen Fragen und Gesellschaftskritik verliert das Buch nie seine Leichtigkeit und erheitert mit dem ein oder anderen Gespräch und Gedanken (Stichwort Stellenanzeigen). 🫧 Ein wunderbares Buch, das nachhallt und ich sehr gerne weiterempfehle. 🩷

»Mit der Gewissheit, dass es ins Leere laufen würde, fragte ich sie zwischendurch: Alles okay? Als hätte diese Floskel jemals einen Menschen zum Reden gebracht.« (62)

Bewertung vom 21.04.2025
Greta & Valdin
Reilly, Rebecca K

Greta & Valdin


gut

»Er [Dad] lächelt. »Greta, du lebst dein Leben und hoffst jeden Tag, dass etwas Spannendes passiert. Du hättest sie fragen können, was los ist; du weißt, wie man gut mit anderen kommuniziert. Aber das hast du nicht getan, weil du nicht hören wolltest, dass da nichts zwischen euch ist, dass das Mysterium ein Ende hat.« Er zuckt mit den Schultern. Ich falte das kleine Stück Papier, das um meine Eiswaffel gewickelt war.« 🍦 (S. 58)

ROMCOM but make it queer and divers and funny. 💙 Das ist das Debüt »GRETA & VALDIN« von der maorischen Schriftstellerin Rebecca K. Reilly aus Neuseeland (großartig übersetzt von Jasmin Humburg🫰🏼). 🇳🇿

Greta und Valdin sind Geschwister mit maori-russisch-katalanischen Wurzeln. Die beiden wohnen zusammen und sind beide queer, Anfang / Mitte 20 und unglücklich verliebt. In kurzen sich abwechselnden Kapiteln lesen wir aus der Sicht von Greta und Valdin über deren Leben, Familie und Lieben. Der Roman ist dabei nicht stringent um Handlungsstränge aufgebaut, sondern character-driven. In diesem Kontext ist es sehr gut, dass zu Beginn das Buchs ein Personenverzeichnis steht, da die Personen zum einen nicht immer eingeführt werden und zum anderen Namensdoppelungen existieren.

Es ist ein Roman, der lustig, sarkastisch, modern, impulsiv ist und dessen ernstere Themen (Migration, Rassismus, Ausgrenzung) vor allem zwischen den Zeilen gelesen werden. Ich habe etwas gebraucht, um in den Roman reinzukommen, und um nicht direkt wieder rauszukommen, eignet er sich am besten, um ihn durchzubangen. Ganz mitfühlen konnte ich nicht, aber ich habe mich sehr gut von Greta und Valdin unterhalten gefühlt.

Leseempfehlung für alle, die statt einer Serie zu einem Buch greifen möchten und Bock auf eine moderne und queer Liebes- & Familiengeschichte haben.

Bewertung vom 19.03.2025
Mit dir, da möchte ich im Himmel Kaffee trinken
Lorenz, Sarah

Mit dir, da möchte ich im Himmel Kaffee trinken


sehr gut

»Von dir habe ich auch den weisesten aller Sätze gelernt: Die Nacht, in der das Fürchten wohnt, hat auch die Sterne und den Mond.« Elisa an Mascha✨(S. 186)

Bei diesem Roman fängt es unmittelbar mit diesem so schönen, poetischen und passenden Titel an: »MIT DIR DA MÖCHTE ICH IM HIMMEL KAFFEE TRINKEN« ist das Debüt von Sarah Lorenz @buchischnubbel. Und poetisch wird dieser Roman auf mehreren Ebenen: (1) als Liebeserklärung an die verstorbene Dichterin Mascha Kaléko (1905-1975) 💌 und (2) dieser poetische, zarte, ruhige, sprachlich pointierte, feinfühlige Erzählton, der aber eben auch schonungslos davon erzählt, was es heißt, als ›Systemsprengerin‹ (130) zu gelten. Oder anders gesagt: Als Teenie in der harten, patriarchalen, Sucht-abhängigen Punk-Szene Zuflucht zu suchen. Und das sagt auch schon einiges über dieses Leben, wenn dort Zuflucht gesucht wird. Mascha an ihrem Grab besuchend, blickt Elisa auf Ihr bisheriges Leben und ihren Lieben zurück. Sie erzählt Mascha von großen & kleinen Lieben, von Brüchen, Aufbrüchen, Neuanfängen, Sucht & Sehnsüchten, kalten und wärmeren Zeiten, von dem Sich-neu-Erfinden, vom Grenzen setzen und dieser einen Liebe, die ihr verschlossen worden ist. 💔

»Unglaublich, wie viel Gegenwart man aushalten muss, bis sie Erinnerung wird.« (S. 135)

Jedes Kapitel beginnt mit einem Gedicht von Mascha. Der teilweise starke Kontrast zum Kapitelinhalt hebt sowohl das Gedicht als auch den Inhalt noch einmal anders hervor — was für eine wunderschöne Symbiose. 😮‍💨 Und genau das macht dieses autofiktionale Buch, diese Story so aus: Die Gleichzeitigkeit von schöner Poesie, Sprache und Worten neben dem knall-harten Leben mit Drogenexzessen, traumatischer Kindheit, einer abwesenden Mutter, Einsamkeit, Liebe, Verlust, der Suche nach sich selbst & Zuhause, von Reetdachhäusern, Beziehungen, Buchhandlungen und Büchern. Immer wieder der Liebe zu Büchern.

»Das ist wirklich eine große Liebe, eine, die mich noch nie enttäuscht und alles eingelöst hat. Die Liebe zu Büchern.« 💖 (S. 181)

Und so ist es doch ein ›Roman d’amour‹ (S.56) geworden: Über die Liebe zum Leben, zu Büchern und Mascha. 💘 Und das ist so viel größer, als über DIE eine Liebe zu schreiben, oder nicht? So oder so: Ein Buch, das Mut schenkt, und zeigt, dass das Leben immer neue Wendungen nimmt — egal, wie hart, unfair, kalt es zwischendurch sein kann. Danke Sarah für diese schöne, traurige, erschütternde, berührende, empowernde Geschichte. 🩵 Das Buch hallt lange nach, und hat mich sehr berührt 😭


[CN: verbale/physische/exualisierte Gewalt, Suizid, Abtreibung]

Bewertung vom 19.03.2025
Wenn wir lächeln
Unterlehberg, Mascha

Wenn wir lächeln


sehr gut

»Dafür machen wir das doch alles, oder, Jara? Oder hast du dich nicht, als du neun warst, beim Fußball angemeldet, damit dich ein paar Jahre später irgendwelche Typen mit Flaumbart sexy finden? Das ist doch das schönste Kompliment. Dass jetzt irgendein Moritz darüber nachdenkt, wie du in Fußballschuhen aussiehst.« (S. 125)

»WENN WIR LÄCHELN« ist der Debütroman von Mascha Unterlehberg und was ist das bitte für ein krasser Page Turner 🔥Die kurzen Abschnitte, fragmentarische Erzählweise und Zeitsprünge/Rückblicke/Gedanken haben mich komplett in den Strudel dieser intensiven Sisterhood gezogen und nicht mehr losgelassen.

Schwestern so nennen sich Anto und Jara, die sich mit 13 Jahren kennenlernen und schnell so close werden. Anto lebt das Leben in den Vollen: Geht bis an ihre Grenzen (oder eher darüber hinaus?), ist extrem selbstbewusst, abgeklärt, sarkastisch, feministisch und weiß, was ganz genau, was sie will und viel wichtiger: Was sie NICHT will. Damit ist sie einerseits ein krasses Vorbild für Jara, auf der anderen Seite steht der Klassismus deutlich zwischen ihnen. Das macht sich in vielen Details bemerkbar, auch wenn Jara versucht, darüber hinweg zu sehen. Zusammen machen sie ihre ersten Erfahrungen mit dem Patriarchat, toxischer Männlichkeit, Alkohol und Boys. ›Us against the world‹ und ›Hoes before Bros‹ ist das Motto dieser immer intensiveren und alles verschlingenden Sisterhood zwischen Jara und Anto. Als Jara auf das Gymnasium wechselt und Anto in der Eisdiele nebenan jobbt, weil sie sich diese Auszeit leisten kann, ändert sich dennoch nach und nach alles für die beiden. Warum — lest es selbst.

»musst du nachsitzen, schreibt Anto, weil dann respekt und sonst wo steckst du.« (S. 125)

Am Anfang des Romans steht bereits die Frage: Ist das für Anto alles nur ein Scheiß-Spiel? Für Jara, aus deren Sicht wir diese intensive Story lesen, ist es das auf jeden Fall nicht. Nach und nach erfahren wir, wieso Jara auf einer Brücke steht und Anto in der dunklen Ruhr sucht.

»Irgendwann, das nehme ich mir fest vor, werde ich auch so eine Frau sein, die Ansagen macht, und niemand wird sich trauen, mir zu widersprechen.« (S. 111)

Der Roman wirft einen in die eigene Teenie-Zeit zurück: Girlhood (und silberne BFF-Ketten 🩶); als Longchamp-Taschen cool waren; die Struggle, um Coolness in der Schule; Partys; Unsicherheiten als Teenie und so vieles mehr. Diese Gefühle werden extrem gut transportiert und besonders der Erzählstil machen diesen Roman aus. Dennoch sind am Ende viele offene Fragen geblieben, die sicherlich teilweise gewollt sind, aber schon auch unbefriedigend sind. ALL IN ALL: Ein sehr guter Read, der für mich die jüngere Schwester von »Die schönste Version« sein könnte.



[3.5/5 ☆]

CN: Alkoholmissbrauch, sexueller Übergriff, Gewalt

Bewertung vom 11.03.2025
Erdbeeren und Zigarettenqualm (eBook, ePUB)
Docherty, Madeline

Erdbeeren und Zigarettenqualm (eBook, ePUB)


weniger gut

»Du hast dir bislang nicht erlaubt, darüber nachzudenken, was mit eurer Beziehung geschehen mag, wenn ihr älter werdet. Du würdest gern glauben, dass sich nichts ändern wird oder dass die Dinge sich so ändern, wie du es gern hättest, aber dir ist bewusst, dass Variablen, die außerhalb eurer Kontrolle liegen, euch auseinanderreißen werden. Ganz gleich, was aus euch beiden wird, Ella wird es gut gehen.« (S. 44)

In »ERDBEEREN 🍓 & ZIGARETTENQUALM 🚬 « verarbeitet die Autorin Madeline Docherty ihre eigenen Erfahrungen mit Endometriose und Coming-of-Age aka dem Frausein / Frau werden. Ich weiß nicht, wie viel von der Story autobiografisch / autofiktional ist. So oder so finde ich die Story sehr wenig reflektierend von der Protagonistin und mir fehlt die deepere Message, auch wenn ich das Ziel, Endometriose literarisch zu verarbeiten und Visability zu geben, sehr verstehen kann. Ja, wir sollten dringend alle mehr über Endometriose reden und allgemein chronische Krankheiten vom Schweigen befreien.

Abgesehen davon, finde ich die Story sehr schwierig. Ja, es geht hier auch um Queer-Awakening, Queerness, Friendship. Aaaaber: Can we please call it by its name? Es geht hier nicht ‚nur‘ um eine tiefe Freundinnenschaft, sondern darum, dass Ella und die namenlose aus der 2.Person-POV-erzählerende Frau eine Beziehung haben, die sich mindestens eine davon nie eingestehen will und, die absolut toxisch ist.

»Und du schaust Ella an und denkst: Sie war die schönste Frau auf der Party, auf jeder Party, überall.« (S. 15)

Aus meiner Sicht wird das hier sehr verklärt und ebenso der Konsum von Drogen und Alkohol. Ja, es ist krass mit einer chronischen Erkrankung zu leben, die jahrelang unerkannt bleibt und einen vor Schmerzen alles andere vergessen lässt. Dennoch kann mensch sich professionelle Hilfe suchen (again: I know - it’s a hard and long way) und es gibt keine Begründung dafür, einen anderen Menschen so auszunutzen und seine eigenen Traumata und ggf. auch Neurodiversität (keine Gefühle an sich selbst erkennen zu können und dafür eine andere Person zu brauchen, die diese benennen kann, ist auf jeden Fall eine Red Flag 🚩) nicht aufzuarbeiten. Ja, es gab Teile der Story, die ich gut geschrieben fand, mainly die Darstellung von Endometriose. Aber mindestens genauso oft, war etwas nicht auserzählt; Drogenkonsum zu sehr verklärt und quasi 0 Reflexion, wie verletzend das eigene Verhalten für andere Personen sein kann, mit denen mensch in Interaktion und das meint hier meist auch direkt sexuelle Interaktion tritt. Der Mix aus Themen wurde hier nicht gut genutzt, obwohl es vielversprechend gewesen wäre (Endometriose, Coming-of-Age, Queerness, Abtreibung (allein hier könnte ich über die unreflektierende Ego-Story schon wieder Kritikpunkte nennen), Neurodiversität).

Mich konnte dieses Debüt nicht erreichen. Vielleicht liegt es an mir? Vielleicht liegt es daran, dass ich diesen übermäßigen & unkritischen Drogenkonsum in Büchern nicht mehr lesen will? Vielleicht liegt es daran, dass dieses un-aufgebarbeitete Themen Dropping mich überhaupt nicht abholen konnte. Für mich war das mit diesem Buch — trotz des tollen Covers — kein Match. At least, more 🍓 and less 🚬 wäre nice gewesen.

Bewertung vom 11.03.2025
bruder, wenn wir nicht family sind, wer dann
Lovrenski, Oliver

bruder, wenn wir nicht family sind, wer dann


ausgezeichnet

»ich so zu marco, ey, dieses mädchen ist different, bruder, die will ich gut behandeln, nicht so wie die anderen, die waren alle irgendwann beleidigt, und marco nur, bruder, sie ist vielleicht different, aber du nicht« (S.138) 🥀

In fragmentarischen, kurzen Kapiteln erzählt der Autor (s)eine Coming-of-Age Story auf den Straßen Oslo’s mit all dessen den Highs & Lows: Von Zusammenhalt, bedingungsloser Friendship, Family, Love, Brutalität, Rassismus, Kriminalität, Stress, Schule, Alltag, Dealen, und (zu) vielen Dr0gen. Gelungen skizziert er ungeschönt das Leben von vier migrantischen Jugendlichen — Ivor, Marco, Jonas & Arjan — in Oslo, die immer tiefer in den Sog der Straße gezogen werden. Ähnlich wie Lesende von diesem Banger 💥

Die Abschnitte sind selten länger als eine Seite und transportieren mit dem ganz eigenen Stil (moderne Sprache / Wörter; als Satzzeichen ausschließlich Kommata; Fragmente sowohl im Inhalt auch als auch Satzbau). Mit diesem krass authentischen Sound wird die Parallelität von Härte und Verletzlichkeit, von Stolz und Wunden, von Loyalität und Verlassen-Sein, von Poesie und Abwärtsspirale transportiert. Dieser Banger 💥 hat mich bereits nach wenigen Seiten nicht mehr losgelassen und regt sehr zum Mit- und Nachdenken an. Mit wenig Worten transportiert der Autor so krass viel — insbesondere auch zwischen den Zeilen und Wörtern und bahnt sich den Weg ins Herz.

Großartige Literatur ❤️‍🔥 , die mich auch an die beiden krassen Romane (»HUND, WOLF, SCHAKAL« & »Als wir Schwäne waren« 🦢) des deutsch-iranischen Schriftsteller Behzad Karim Khani erinnert.

»bruder, wenn wir nicht family sind, wer dann« ist das autobiografisches Debüt vom Norweger Oliver Lovrenski (grandios übersetzt 🇳🇴 von Karoline Hippe❣️), das er zeitweise auf seinem Handy getippt hat 📲. Von mir gibt’s eine große Leseempfehlung.💖

»und FÜR ALLE
die zu beschäftigt sind
ihre eigene story am leben zu halten
Um sie zu erzählen« (S.5) ❤️‍🩹

4.5/5 ★

Bewertung vom 24.02.2025
Das Lieben danach
Bracht, Helene

Das Lieben danach


ausgezeichnet

»All die Fertigkeiten und Verhaltensmuster, die ein kleines missbrauchtes Mädchen lernt, kann es umstandslos und mit großem gesellschaftlichen Einverständnis als erwachsene Frau zur Verfügung stellen: Die Gefügigkeit, die hohe Sensibilität für die Wünsche anderer, die Duldsamkeit, die Abhängigkeit von Komplimenten und Anerkennung, die selbstverständliche Dienstleistungsorientierung, all das zahlt ein auf das tradierte Rollenbild. Wäre das Patriarchat ein Wirtschaftsunternehmen, würde ein weibliches Missbrauchs-Skillset umstandslos als Kompetenzprofil für weibliche High Performer durchgehen. Zumindest bei mir hat das tadellos geklappt.« (S. 51f)

Auf einer kanarischen Insel schreibt eine ältere Frau über ihr Leben und Lieben — angefangen vom frühen Missbrauch in ihrer Kindheit über ihre Jugend bis hin zu ihrem Sein als singuläre Frau und der Freiheit, die damit einher geht, dem Male Gaze nicht mehr ausgeliefert zu sein: »Denn alte Frauen sieht man nicht.« (8) Sie analysiert, wie der frühe Vertrauensbruch und Missbrauch sie geprägt haben und dabei werden bemerkenswert viele fachliche Belege und Studien in diese Analyse einbezogen. So erhält diese Selbstanalyse nicht zuletzt durch die zusätzliche Perspektiven und das Einfließen von psychologischem Fachwissen eine enorme Tiefe.

»Ein reifer, erwachsener Mensch kennt seine Grenzen und respektiert die der anderen. Das ist die Grundvoraussetzung für gelingende zwischenmenschliche Bindungen. Simple but not easy. Denn eine Grenze ist nun einmal ihrem Wesen nach ein doppelgesichtiges Phänomen: Sie trennt, indem sie Innen und Außen unterscheidet, und sie verbindet, indem sie die Voraussetzung für Berührung schafft. Damit ist sie in gleichem Maße der Ort des existenziellen Voneinander-getrennt-Seins wie der Ort der intimsten Begegnung.« (S. 134)

»DAS LIEBEN DANACH« ist das literarische Debüt & Essay der Autorin Helene Bracht*, in dem sie über Ihr eigenes L(i)eben nach einer frühkindlichen Misshandlung schreibt. Wie geht es weiter? Wie lässt sich l(i)eben? Sie schreibt in diesem schmalen Buch über so viel mehr: Mis$brauch als Grenzverletzung; Kritik an der medialen Ausschlachtung des Themas sowie vergleichsweise langsamen Forschung; Selbstbefreiung, Selbstversöhnung, Nachkriegsgeneration, ambiguous loss, Scham, Kritik am Patrichariat, Sexualität, Miteinander.

»Verantwortung im Miteinander heißt, die Folgen, die das eigene Handeln für das Gegenüber haben kann, antizipieren, abwägen und Anteil nehmend in Entscheidungen übersetzen zu können. Sie bedeutet also ständige Achtung vor der Integrität eines anderen Menschen, aktive Sorge für den Schutz von dessen Unversehrtheit.« (S. 169)

Erschütternd ehrlich, selbstversöhnlich, kritisch, intelligent, mutig, sachlich und dabei trotzdem persönlich schreibt Helene Bracht autofiktional über ihr eigenes Leben, Sexualität und Beziehungen. Ein schmales Buch, das mit so einer sprachlichen Kraft, so viel Inhalt und Tiefe daher kommt, dass es sich nach so viel mehr anfühlt, wenn mensch das Buch nach 177 Seiten beendet hat. Ein Buch, das lange nachhallt; viel Wissen, Empathie und Versöhnung vermittelt. Große Leseempfehlung 💜, aber bitte beachtet den CN 🫂

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[CN: Kindesmissbrauch, psychische Gewalt]

* als Psychologin & Coach hat sie bereits mehrere Fachbücher unter ihrem bürgerlicher Namen Mechthild Erpenbeck veröffentlicht.