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Nancy
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Thüringen

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Insgesamt 41 Bewertungen
Bewertung vom 13.10.2025
Thorogood, Robert

Mrs Potts' Mordclub und der Tote in der Themse / Mord ist Potts' Hobby Bd.4


sehr gut

„Mrs Potts’ Mordclub und der Tote in der Themse“ ist der vierte Band der charmanten Krimireihe rund um die scharfsinnige Amateurdetektivin Judith Potts. Obwohl es mein erstes Buch der Reihe war und ich die vorherigen Teile nicht kenne, hatte ich keinerlei Schwierigkeiten, in die Geschichte einzusteigen. Thorogood gelingt es mühelos, neue Leser*innen in seine Welt hineinzuziehen, ohne dass man das Gefühl hat, entscheidende Hintergrundinformationen zu vermissen – und erfreulicherweise werden die früheren Bände auch nicht gespoilert, sodass man sie problemlos nachträglich lesen kann.

Die Handlung beginnt mit einem Leichenfund in der Themse, der zunächst wie ein Unfall aussieht. Doch Judith Potts, die eigenwillige ältere Dame mit einem ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit und einer Vorliebe für Whiskey und Kreuzworträtsel, ist überzeugt, dass mehr dahintersteckt. Gemeinsam mit ihren beiden Freundinnen Suzie und Becks – dem eingespielten Trio des „Mordclubs“ – beginnt sie zu ermitteln. Bald stoßen die drei auf allerlei Geheimnisse und menschliche Abgründe hinter der idyllischen Fassade des kleinen englischen Städtchens Marlow.

Robert Thorogoods Schreibstil ist elegant, humorvoll und durchzogen von typisch britischem Witz. Seine Sprache liest sich flüssig, leicht und dennoch mit Stil – perfekt für einen Cosy Crime. Die Dialoge sind pointiert, das Tempo angenehm, und der Aufbau der Geschichte folgt einem klaren Rhythmus. Besonders die Gespräche zwischen Judith, Suzie und Becks sind ein Highlight – sie sprühen vor Lebensfreude, Ironie und Charme.

Die Atmosphäre des Romans ist warm und nostalgisch, aber nie kitschig. Marlow wirkt wie ein Ort, in dem die Zeit ein wenig stehen geblieben ist – mit gepflegten Gärten, Teestuben und einer Gesellschaft, die auf den ersten Blick beschaulich wirkt, auf den zweiten jedoch voller Geheimnisse steckt. Thorogood fängt diese Stimmung wunderbar ein und schafft eine angenehme Balance zwischen gemütlicher Kleinstadtidylle und unterschwelliger Spannung.

Die Charaktere sind ohne Zweifel das Herzstück des Buches. Judith Potts ist eine wunderbar unkonventionelle Protagonistin – klug, eigensinnig und mit einem trockenen Humor ausgestattet. Ihre beiden Freundinnen Suzie, die bodenständige Hundesitterin, und Becks, die etwas reservierte Pfarrersfrau, bilden zusammen mit ihr ein herrlich ungleiches, aber harmonisches Trio. Ihre unterschiedlichen Lebenswelten sorgen nicht nur für Witz und Dynamik, sondern auch für Wärme und Tiefe.

Die Handlung selbst ist solide konstruiert, mit einem angenehmen Spannungsbogen und einigen gelungenen Wendungen. Der Fokus liegt jedoch weniger auf atemloser Spannung als auf dem gemeinsamen Rätseln, Beobachten und Kombinieren. Man liest das Buch nicht, um am Ende völlig überrascht zu werden, sondern um den Weg dorthin zu genießen – mit all seinen charmanten Details, humorvollen Momenten und warmherzigen Begegnungen.

Das Ende ist passend und zufriedenstellend gelöst, auch wenn es für erfahrene Krimileser*innen nicht völlig unvorhersehbar sein dürfte. Doch das stört kaum, denn der Weg zur Auflösung ist so unterhaltsam, dass man dem Buch die Vorhersehbarkeit gern verzeiht. Die Auflösung wirkt rund und fügt sich organisch in die Erzählung ein – ohne übertriebene Dramatik oder Konstruiertheit.

Insgesamt ist „Mrs Potts’ Mordclub und der Tote in der Themse“ ein Buch, das sich wunderbar mal zwischendurch lesen lässt – leicht, charmant und humorvoll. Es geht nicht sehr tief und bietet keine psychologische Komplexität, doch genau das ist seine Stärke: Es unterhält, entspannt und lädt zum Miträtseln ein. Wer Lust auf einen klugen, aber unbeschwerten Krimi mit britischem Flair hat, wird hier bestens bedient.

Fazit: Ein herrlich britischer Wohlfühlkrimi mit Witz, Herzenswärme und liebenswerten Figuren. Zwar nicht besonders tiefgründig oder überraschend, aber ausgesprochen unterhaltsam, charmant und perfekt für alle, die einen gemütlichen Krimi zum Abschalten suchen – und das Beste: Auch Neueinsteiger*innen können unbesorgt zugreifen, ohne dass die vorherigen Bände verraten werden.

Bewertung vom 13.10.2025
Bichon, Malou

Musenrausch (Nektar und Ambrosia, Band 1).


gut

„Musenrausch“ von Malou Bichon hat mich auf eine Weise überrascht, wie ich es nicht erwartet hatte. Als ich das Buch begann, dachte ich an eine etwas ruhigere, vielleicht romantisch-mystische Geschichte über Kunst und Inspiration – doch schon nach wenigen Seiten wurde klar, dass es hier viel tiefer geht. Die Welt, die Bichon erschafft, ist komplex, voller Magie, Mythologie und Symbolik, und obwohl mich das anfangs etwas überfordert hat, hat es mich gleichzeitig auch sehr fasziniert. Ich brauchte ehrlicherweise eine Weile, um mich zurechtzufinden, um die Regeln dieser Welt zu verstehen und die Zusammenhänge zwischen Wandas Kunst, der Muse Neo und der geheimnisvollen Anderswelt Ambrosia zu begreifen. Aber je mehr ich mich auf das Buch eingelassen habe, desto mehr hat es mich in seinen Bann gezogen.

Was mich besonders beeindruckt hat, war der Schreibstil. Bichons Sprache ist unglaublich bildhaft und poetisch, manchmal fast schon synästhetisch – als würden Farben, Gerüche und Klänge ineinanderfließen. Jede Szene wirkt sorgfältig komponiert, fast wie ein Gemälde. Dadurch entsteht eine dichte, sinnliche Atmosphäre, die mich oft völlig vereinnahmt hat. Gleichzeitig hat genau diese sprachliche Intensität auch dazu geführt, dass ich das Buch nicht einfach „weglesen“ konnte. „Musenrausch“ ist für mich kein leichter Roman für zwischendurch, sondern einer, in den man richtig eintauchen muss. Es verlangt Aufmerksamkeit und Geduld, weil man sonst schnell den Faden verliert.

Die Atmosphäre des Romans ist geheimnisvoll, beinahe entrückt. Hamburg, der Schauplatz, wirkt zugleich vertraut und fremd, durchzogen von Magie und Schatten. Immer wieder öffnet sich der Schleier zu Ambrosia, einer Welt, in der Mythen und göttliche Kräfte lebendig werden. Diese mythologischen Elemente haben mich überrascht – ehrlich gesagt hatte ich nicht mit so viel Fantasy gerechnet, und anfangs fiel es mir schwer, all das einzuordnen. Doch gerade diese Mischung aus realer Künstler:innenexistenz und magischem Überbau macht den Reiz des Buches aus - wenn man so etwas mag. Mit der Zeit habe ich angefangen, die Symbolik hinter all dem zu sehen: Inspiration als Gabe und Gefahr, Kreativität als Verbindung zwischen Welten, Liebe als schöpferische, aber auch zerstörerische Kraft.

Trotz dieser Faszination muss ich aber sagen, dass mir die Handlung stellenweise zu wirr und undurchsichtig war. Einige Szenen gingen sehr schnell ineinander über, und manchmal hatte ich das Gefühl, dass sich Ereignisse überschlagen, bevor ich sie richtig verarbeiten konnte. Gerade im Mittelteil und gegen Ende verlor ich stellenweise etwas den Überblick, weil vieles gleichzeitig geschah – emotional, mythisch und symbolisch. Es war nicht immer leicht, den roten Faden zwischen Wandas innerem Erleben, der äußeren Handlung und der Welt von Ambrosia zu behalten. Das hat meine Lesefreude zwar nicht unbedingt zerstört, aber es machte den Einstieg und das Folgen der Geschichte zeitweise anstrengend. Ich hätte mir da etwas mehr Ruhe und Klarheit gewünscht, um die Handlung und ihre Bedeutung besser greifen zu können.

Die Figuren dagegen sind ein echter Pluspunkt. Wanda ist eine Protagonistin, die mich wirklich berührt hat – verletzlich, leidenschaftlich, zweifelnd und gleichzeitig stark. Ich konnte mich gut in sie hineinversetzen, vor allem in ihr Ringen um Kontrolle und Hingabe. Neo dagegen bleibt geheimnisvoll, manchmal schwer zu fassen, aber das passt zu seiner Rolle als Muse. Er ist kein klassischer Liebesheld, sondern eher ein Spiegel für Wandas inneren Konflikt – zwischen Sehnsucht und Selbstverlust. Die Nebenfiguren bleiben zwar teils im Hintergrund, fügen sich aber harmonisch in die Geschichte ein und tragen zur Atmosphäre bei, ohne sie zu überladen.

Insgesamt würde ich sagen, dass „Musenrausch“ ein Buch ist, das man nicht einfach liest, sondern erlebt. Es ist fordernd, intensiv, manchmal verwirrend, aber zugleich wunderschön geschrieben. Ich musste mich an manchen Stellen wirklich konzentrieren, um mitzukommen, aber auch das war nicht unbedingt schlecht – es hat mich gezwungen, mich auf die Sprache, die Emotionen und die Symbolik einzulassen. Für mich ist das kein Buch, das man mal eben zwischen zwei Terminen liest, sondern eines, für das man sich Zeit nehmen sollte, am besten mit einer Tasse Tee und der Bereitschaft, sich vollkommen in eine andere Welt hineinziehen zu lassen. Und wenn man das tut, entfaltet es eine Sogwirkung, die nachhallt. Ich mochte es – gerade weil es mich herausgefordert hat, auch wenn ich zwischendurch das Gefühl hatte, in diesem Musenrausch ein wenig den Überblick zu verlieren.

Bewertung vom 03.10.2025
Popp, Isabelle

Sweeter Than Pumpkin Spice


schlecht

"Sweeter than Pumpkin Spice" von Isabelle Popp klang für mich zunächst nach einer herbstlichen, warmherzigen Romance, die Kürbisse, Kleinstadtleben und eine sich langsam entwickelnde Liebesgeschichte miteinander verbindet und cozy Gefühle hervorruft. Doch schon nach wenigen Kapiteln wurde mir klar, dass das Buch meine Erwartungen nicht erfüllen würde.
Die Handlung dreht sich um Sadie Fox, die nach Jahren in Los Angeles zurück auf die Kürbisfarm ihrer Familie kommt, um dort einen Riesenkürbis zu züchten und sich den Respekt ihres distanzierten Vaters zu verdienen. Kaum angekommen, wird ihre Arbeit durch Wildschweine zerstört, und dann tritt auch noch der neue Nachbar Josh auf den Plan – ein Tech-Millionär, der sein Glück auf dem Land sucht. Zwischen Sadie und Josh entspinnt sich eine Art Hass-Liebe, die nach einem Tornado, der Sadies Farm verwüstet, schließlich in eine Romanze mündet.
Auf dem Papier klingt das nach einer unterhaltsamen Mischung aus cozy Setting, Drama und Romantik, in der Praxis wirkt es jedoch bruchstückhaft und unausgegoren.

Ein großes Problem für mich waren die Figuren.
Sadie ist nicht kantig oder vielschichtig, sondern wirkt eher wie ein Klischee: launisch, abweisend und ohne wirklich nachvollziehbare Entwicklung. Ihr Misstrauen gegenüber Josh erscheint häufig unmotiviert, fast willkürlich, als müssten künstlich Konflikte erzeugt werden.
Josh wiederum ist das genaue Gegenteil: zu glatt, zu perfekt, ein wandelndes Sonnenschein-Klischee ohne Tiefe. Diese Eindimensionalität macht es schwer, eine echte Dynamik zwischen den beiden zu spüren.

Dazu kommt, dass ein erheblicher Teil des Buches von Sexszenen eingenommen wird. An sich habe ich nichts gegen Spice in Romance-Romanen – im Gegenteil, wenn es gut eingebettet ist, kann es eine Geschichte intensivieren. Hier aber wirken die Szenen kalt, mechanisch und nahezu austauschbar. Sie bringen für mich keinerlei Romantik oder Nähe zwischen den Figuren, sondern verstärken eher den Eindruck, dass Sadie und Josh keine wirkliche emotionale Verbindung haben. Statt zärtlicher, intimer Momente, die ihre Beziehung glaubwürdig vertieft hätten, verliert sich das Buch in körperlichen Beschreibungen, die die Stimmung brechen und nicht zum restlichen Setting passen. An manchen Stellen hatte ich fast das Gefühl, dass die Intimität um ihrer selbst willen eingefügt wurde, ohne dass sie zum Fortschritt der Geschichte oder zur Figurenentwicklung beiträgt. Dadurch geht genau das verloren, was ich mir eigentlich gewünscht hätte: Wärme, Langsamkeit, Romantik.

Verstärkt wurde dieser Eindruck noch durch den Schreibstil. Für mich wirkte er über weite Strecken nüchtern, kalt und distanziert. Es fiel mir schwer, in die Figuren hineinzufinden oder eine emotionale Nähe aufzubauen, weil die Sprache keine Wärme transportiert hat. Statt tieferer Gefühlsnuancen oder atmosphärischer Beschreibungen fand ich viele Passagen spröde formuliert. Hinzu kommt, dass einige Ausdrücke für meinen Geschmack schlicht zu derb und absolut unpassend waren. Sie rissen mich aus der Geschichte heraus und passten weder zur angedeuteten cozy-Stimmung noch zu einer romantischen Erzählweise.

Auch dramaturgisch konnte mich das Buch nicht überzeugen. Konflikte werden angerissen und wieder fallengelassen, ohne wirklich Konsequenzen zu haben. Der Tornado beispielsweise wirkt wie ein aufgesetzter Kniff, um Drama zu erzeugen, verändert aber letztlich wenig. Besonders das Ende war für mich eine Enttäuschung: Zentrale familiäre Probleme, die vorher viel Raum einnehmen, lösen sich plötzlich und oberflächlich auf, als hätte die Autorin es eilig gehabt, schnell zum Abschluss zu kommen.

Am meisten hat mich gestört, dass die Atmosphäre, die ich erwartet hatte, kaum entsteht. Das Kürbis-Setting, die Farm, der Herbst – all das hätte eine warme, heimelige Kulisse sein können, die zum Träumen einlädt. Stattdessen bleibt es oberflächlich und dekorativ, ohne dass ein wirkliches cozy Gefühl aufkommt. Kombiniert mit den kühlen Sexszenen, der fehlenden Figurenentwicklung, dem distanzierten Schreibstil und der hastigen Auflösung bleibt am Ende ein Buch, das für mich weder als Liebesgeschichte noch als atmosphärischer Herbstroman funktioniert.

Fazit

Für mich war "Sweeter than Pumpkin Spice" von Isabelle Popp eine große Enttäuschung. Ich habe mich beim Lesen weder emotional abgeholt noch unterhalten gefühlt, und die zahlreichen Spice-Passagen haben für mich eher Distanz erzeugt als Nähe. Dazu kam ein Schreibstil, der mir zu kalt und stellenweise zu derb war, sodass ich keinen richtigen Zugang zu den Figuren gefunden habe. Leider absolut nicht das, was ich mir von einem cozy Herbstroman erwartet habe!

Bewertung vom 02.10.2025
Hotel, Nikola

Breathing for the First Time / Lost Girls Bd.1


ausgezeichnet

Nikola Hotel erzählt in "Lost Girls - Breathing for the First Time" die Geschichte von Darcy Sullivan, welche äußerlich in Luxus lebt: einen Star als Mann, ein Haus am Strand, Status, Bewunderung von außen – doch innerlich ist ihr Leben eingezwängt. Ihr Ehemann, Jason, kontrolliert sie zunehmend: über ihre Ernährung, ihre Kleidung, ihre Kontakte, ihre Bewegung.
Während Darcy sich immer mehr isoliert und überwacht fühlt und kaum noch weiß, wer sie selbst noch ist, beginnt sie, Fluchtpläne zu schmieden. Parallel dazu tritt Ellis in ihr Leben – jemand, der mehr sieht als das Bild, das Darcy nach außen aufrechterhalten muss.
Doch kann sie es schaffen zu fliehen und endlich wieder sie selbst werden?

"Lost Girls - Breathing for the First Time" hat mich insgesamt unglaublich bewegt und mitgenommen. Ich habe so sehr mit Darcy mitgefühlt, dass ich ein ständiges Gefühl von Beklemmung und Unwohlsein hatte. Stellenweise musste ich mich regelrecht zwingen, weiterzulesen, weil es einfach so krass intensiv, bedrückend und emotional war. Gerade dieses „kaum Aushalten-Können“ zeigt für mich aber, wie meisterhaft Nikola Hotel diese Gefühlswelt transportiert hat. Es ist selten, dass mich eine Geschichte so stark körperlich und emotional erreicht.

Nikola Hotel schreibt so, dass man gleichzeitig loslassen und festhalten will. Ihre Sprache ist eindringlich: kurze, präzise Sätze in Momenten der Angst; leicht poetisch in Momenten, in denen Darcy erinnert, träumt oder Hoffnungen spinnt. Besonders gelungen fand ich, dass ich beim Lesen nie das Gefühl hatte, dass künstlich Dramatik erzeugt wird – alles wirkte organisch, echt und tief.

Die Atmosphäre ist aufgrund der Situation Darcys und der Vorkommnisse durchgehend beklemmend – nicht auf Horror oder Extreme angelegt, sondern auf Dauerstress, Isolation und Ohnmacht. Es sind die kleinen Gesten, die den größten Druck erzeugen: ein Blick, der zu lange dauert, eine unerwartete Bemerkung, eine winzige Abweichung von Jasons Regeln. Diese unterschwellige Bedrohung ließ mich nie los. Gleichzeitig gab es seltene, kleine Lichtblicke, zum Beispiel wenn Darcy mit ihrem Hund Cashew am Strand sitzt. Diese Momente fühlten sich an wie Atempausen zwischen zwei Sturmwellen – notwendig, um überhaupt weiterlesen zu können.

Darcy ist eine Protagonistin, die mich sehr bewegt hat. Ich konnte ihre Ängste, ihre Unsicherheit und ihre inneren Kämpfe so nachvollziehen, dass ich stellenweise fast meinte, selbst in ihrer Lage zu sein.
Jason hingegen hat mich mit seiner manipulativen Art zutiefst wütend gemacht. Gerade, weil er nicht als „klassischer Bösewicht“ daherkommt, sondern seine Kontrolle in kleinen, subtilen Handlungen zeigt, war es so bedrückend realistisch.
Ellis und auch Darcys neue Freundinnen waren für mich im Gegensatz dazu ein Hoffnungsschimmer - die mir - und auch Darcy - das Gefühl gaben, dass es einen Ausweg geben könnte.

Das zentrale Thema von psychischer Kontrolle, Manipulation und der Suche nach Freiheit ist schonungslos ehrlich dargestellt. Gerade weil die Autorin nichts beschönigt, hat mich das Buch so getroffen. Es zeigt eindringlich, wie sehr unsichtbare Narben das Leben bestimmen können, und wie schwer es ist, sich daraus zu befreien. Gleichzeitig macht es aber auch Mut: schon kleine Schritte können ein Anfang sein.
Genau dazu hat für mich auch das Ende gepasst, es war nicht perfekt bzw. so, wie man es sich für Darcy vielleicht gewünscht hätte, aber gerade deswegen realistisch. Es wurde auch hier nichts beschönigt und kein „Friede-Freude-Eierkuchen“-Schluss geschaffen. Stattdessen bleibt Raum für Hoffnung, aber eben auch für die Erkenntnis, dass Heilung, Freiheit und Gerechtigkeit ein langer, steiniger Weg sind.

Fazit:

"Lost Girls - Breathing for the First Time" hat mich zutiefst berührt, gefordert und manchmal sogar überfordert. Es war kein leichtes, „schnelles“ Lesen, sondern eine emotionale Achterbahnfahrt, die mich sehr beschäftigt hat. Ich habe mit Darcy gelitten, gehofft und gezittert – und genau diese Nähe zur Protagonistin macht das Buch für mich so besonders. Für mich ist es ganz klar ein absolutes Jahreshighlight – und darüber hinaus eines der besten Bücher, die ich bisher gelesen habe.

Bewertung vom 16.09.2025
Grey, Juna

When it Rains


ausgezeichnet

"When It Rains" von Juna Grey erzählt die Geschichte von Frey, die nach einem doppelten Tiefschlag – dem Verlust ihres Studienplatzes und dem Rauswurf aus ihrer Band – am Boden angekommen ist. Gemeinsam mit ihrem besten Freund Ash, für den sie heimlich mehr empfindet, wagt sie einen Neuanfang in Vancouver. Während Ash dort voller Tatendrang seinen Traumjob beginnt, fällt es Frey schwer, neuen Halt zu finden, denn ein schmerzhaftes Geheimnis lastet schwer auf ihr und beeinflusst ihr Handeln. Der Roman begleitet sie auf ihrem Weg, wieder Vertrauen zu gewinnen, ihre eigene Stimme zurückzufinden und herauszufinden, ob aus Freundschaft mehr werden kann.

Als ich "When It Rains" von Juna Grey gelesen habe, war ich sofort mitten in Freys Welt. Schon früh habe ich gespürt, dass in der Freundschaft von Frey und Ash viel mehr steckt, als die beiden zunächst zulassen, doch gleichzeitig war da von Anfang an diese Schwere, dieses Geheimnis, das Frey mit sich herumträgt und das wie eine unsichtbare Mauer zwischen ihr und Ash steht. Für mich war das die treibende Kraft der Handlung – die Frage, ob Frey den Mut finden wird, sich zu öffnen, und ob die beiden eine gemeinsame Zukunft haben können.

Möglicherweise Spoiler:

Besonders beeindruckt hat mich die Art und Weise, wie Juna Grey die eher harten Themen wie Tierschutz, Depressionen, Suizidgedanken und Vergewaltigung in die Geschichte eingeflochten hat. Diese Themen sind ohne Frage schwer und emotional belastend, doch die Autorin behandelt sie mit einer großen Sensibilität und Ernsthaftigkeit. Sie werden weder beschönigt noch reißerisch dargestellt, sondern in einer Tiefe und Authentizität, die mich als Leserin betroffen gemacht, aber auch zum Nachdenken angeregt hat. Gerade weil diese Aspekte so realistisch geschildert werden, konnte ich Freys innere Kämpfe nachvollziehen und verstehen, warum sie so handelt, wie sie handelt. Für mich war das ein großer Pluspunkt, denn es zeigt, dass New-Adult-Literatur auch schwierige, gesellschaftlich relevante Themen aufgreifen und verantwortungsvoll darstellen kann.

(Spoilerende)

Die Atmosphäre, die dabei entsteht, hat mich stark berührt, weil sie immer wieder zwischen Melancholie und Hoffnung pendelt. Am Anfang war da dieses Gefühl von Leere und Verlust, aber gleichzeitig blitzte immer wieder etwas Helles durch – die Aussicht auf Freundschaft, neue Begegnungen, die Kraft der Musik. Ich habe das Buch oft mit einem Kloß im Hals gelesen, aber nie mit dem Gefühl, dass alles aussichtslos ist. Diese Mischung hat für mich den besonderen Reiz ausgemacht.

Ein echtes Highlight waren für mich zudem die Charaktere.
Frey als Protagonistin hat mich emotional sehr berührt – ich habe mich ihr verbunden gefühlt und mit ihr ihre Emotionen gelebt und gefühlt. Es hat sich für mich einfach echt angefühlt. Sie ist keine makellose Heldin, sondern eine Figur mit Ängsten, Zweifeln und Fehlern, die dadurch unglaublich nahbar wurde. Ash war für mich der Gegenpart – der Fels in der Brandung: super sympathisch, geduldig und fürsorglich, dabei jedoch nie aufdringlich, sondern immer auf die gute Art für sie da – unterstützend, ohne Druck aufzubauen oder sie zu stressen. Diese Dynamik hat sich so stimmig und warm angefühlt, dass ich die beiden und ihre Beziehung sofort ins Herz geschlossen habe.
Auch die Nebencharaktere haben mir unglaublich gut gefallen. Sie waren nicht bloß Statisten, sondern allesamt toll und liebenswert, jede und jeder von ihnen hat auf seine Weise zur Atmosphäre beigetragen. Durch sie wurde Freys Welt lebendig und vielseitig, und ich hatte das Gefühl, wirklich Teil dieser Gemeinschaft zu sein.

Der Schreibstil hat zusätzlich dazu beigetragen, dass ich so tief in die Geschichte eintauchen konnte. Juna Grey schreibt emotional, aber nie kitschig, und schafft es, schwierige Themen mit viel Sensibilität zu behandeln. Gerade weil der Fokus so stark auf den teils wirklich krassen Themen lag, war ich überrascht, wie nahtlos sich die Liebesgeschichte eingefügt hat. Sie hat nicht den Blick auf das Wesentliche verschoben, sondern die Auseinandersetzung mit den Problemen sogar noch unterstützt und verstärkt.
Besonders mochte ich die vielen kleinen Momente, in denen es nicht um große Wendungen geht, sondern um innere Kämpfe, um die Bedeutung von Musik, um die Wärme einer WG-Küche oder die leisen Gesten zwischen zwei Menschen, die sich besser kennen, als sie es zugeben wollen.

Fazit

Insgesamt hat mich „When It Rains“ sehr berührt. Es ist ein intensives, berührendes Buch, das ernste Themen sensibel und authentisch darstellt, ohne die Hoffnung aus den Augen zu verlieren. Absolut lesenswert!

Bewertung vom 27.08.2025
Georg, Miriam

Die Verlorene


ausgezeichnet

Im Mittelpunkt von Miriam Georgs neuen Roman "Die Verlorene" stehen Laura und ihre Großmutter Änne. Während Laura in der Gegenwart die Bruchstücke der Familiengeschichte zu verstehen versucht, öffnet sich durch Rückblenden die Vergangenheit: Änne sprach immer wieder von den 'goldenen Sommern' ihrer Kindheit auf einem Gutshof in Schlesien, verschwieg jedoch gleichzeitig vieles. Als sie schwer erkrankt, wird Laura bewusst, wie viele Fragen sie nie gestellt hat. Die Reise zu den Wurzeln der Familie führt schließlich zu einer Wahrheit, die lange verschüttet war und nicht nur Änne in einem neuen Licht erscheinen lässt, sondern auch Laura selbst verändert.

Das Buch "Die Verlorene" hat mich von Beginn an gefesselt, weil es eine Familiengeschichte erzählt, die sich über Generationen erstreckt und dabei Vergangenheit und Gegenwart kunstvoll und gefühlvoll miteinander verbindet.

Stilistisch fand ich den Roman ebenfalls stark: Die Sprache ist bildhaft und dicht, ohne jemals ins Kitschige zu rutschen. Miriam Georg versteht es, Emotionen zu transportieren und Stimmungen aufzubauen. Besonders die Passagen in der Vergangenheit waren für mich intensiv und eindringlich – das Elend, die Sehnsüchte, aber auch die stillen Momente voller Hoffnung haben mich sehr bewegt. Die Gegenwartsszenen wirkten dagegen eher ruhiger, fast beobachtend, was gut zu Lauras Rolle passte.

Beim Lesen hatte ich jedoch den Eindruck, dass Laura zwar die Erzählerin ist, aber eher die Rolle einer Nebenfigur einnimmt. Sie wirkt in ihrer Charakterzeichnung etwas oberflächlich – über ihr eigenes Leben und ihre Beziehungen erfährt man erstaunlich wenig. Zwar wird etwa angedeutet, dass ihre Mutter ihren Freund nicht mag, doch dieser Aspekt wird nicht weiter vertieft. Laura ist vielmehr das Bindeglied zwischen den Zeitebenen, eine Art Katalysator, durch den Ännes Vergangenheit sichtbar wird. Dadurch bleibt sie für mich als Figur weniger greifbar, was gleichzeitig aber auch den Blick stärker auf die eigentliche Hauptperson lenkt: ihre Großmutter. Somit war dies für mich nicht weiter schlimm.
Dabei muss ich gestehen, dass mir Änne aufgrund mancher ihrer Handlungen in der Vergangenheit nicht immer sympathisch war. Manche Entscheidungen wirkten hart oder egoistisch, und ich habe beim Lesen oft mit ihr gerungen. Doch gerade diese Ambivalenz hat für mich die Stärke des Romans ausgemacht: Änne wird nicht als makellose Heldin dargestellt, sondern als Mensch mit Fehlern, Zwängen und widersprüchlichen Gefühlen. Das hat gut in die Gesamtgeschichte hineingepasst und die Figur für mich vielschichtiger und realistischer gemacht.

Sehr gefallen haben mir die ständigen Wechsel zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Sie brachten viel Dynamik und Spannung in den Roman, und ich konnte mich gut in alle Figuren hineinversetzen, auch wenn sie auf ganz unterschiedlichen Ebenen erzählt wurden. Gerade diese Struktur hat die Geschichte lebendig gemacht – man wurde immer wieder in neue Kontexte hineingezogen, musste mitdenken, mitfühlen und konnte die Bruchstücke nach und nach zusammensetzen. Miriam Georg hat das wirklich super ausgearbeitet, sodass die beiden Zeitebenen harmonisch ineinandergriffen.

Besonders beeindruckt haben mich zudem die historischen Details. Die Beschreibungen von Landschaften, Häusern und Alltagsgegenständen waren so plastisch, dass ich die Atmosphäre regelrecht spüren konnte. Gleichzeitig wirkte alles sehr authentisch, ohne dass die Autorin sich in Details verloren hätte. Man merkt, dass hier gründlich recherchiert wurde, und gerade das hat dem Roman Tiefe und Glaubwürdigkeit verliehen.

Die Handlung war für mich durchweg spannend und greifbar.
Die schockierenden Geschehnisse liegen nicht in einem einzelnen Moment, sondern ergeben sich wie Mosaiksteine aus vielen Enthüllungen: verbotene Lieben, Lügen innerhalb der Familie, erzwungene Trennungen und die Erfahrung, wie sehr gesellschaftliche Normen das Leben junger Frauen bestimmten.

Das Ende hat mich überrascht. Zwar hatte ich stellenweise ein Gefühl, dass es in eine bestimmte Richtung gehen könnte, aber wie genau sich alles fügt, konnte ich mir bis zuletzt nicht vorstellen. Gerade das hat die Spannung für mich hochgehalten: Ich habe mitgerätselt, mir mögliche Erklärungen zusammengereimt und war dennoch überrascht, als die Wahrheit schließlich offengelegt wurde. Diese Mischung aus Vorahnung und Unerwartetem war sehr gelungen und hat den Roman für mich stimmig abgerundet.

Fazit:

Insgesamt ist "Die Verlorene" für mich ein Roman, der gleichzeitig berührend, spannend und atmosphärisch dicht ist. Die Geschichte hat mich als Ganzes sehr bewegt. Besonders die Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart, die Authentizität der historischen Darstellung und die feinfühlige Sprache haben dafür gesorgt, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte. Für mich war es eine Lektüre, die nicht nur unterhalten, sondern auch nachhallen ließ – und genau das schätze ich an einem guten (historischen) Familienroman.

Bewertung vom 20.08.2025
Völler, Eva

Der Sommer am Ende der Welt


gut

In Eva Völlers neuem Roman "Der Sommer am Ende der Welt" begibt sich die Journalistin Hanna nach Borkum, um die Geschehnisse rund um das ehemalige Kindererholungsheim aufzuarbeiten – jenen Ort, an dem auch ihre Mutter einst schreckliche Erfahrungen machen musste. Vor Ort stößt Hanna jedoch nicht nur auf dunkle Abgründe, die weit tiefer reichen, als sie es je geahnt hätte. Zugleich begegnet sie Menschen, die ihr nahekommen und sie vor weitreichende Entscheidungen stellen.

Ich habe bereits vier Bücher von Eva Völler gelesen, die mich allesamt überzeugen konnten. Besonders schätze ich ihren einfühlsamen Schreibstil, ihr Gespür für Details sowie die Art, wie sie historische Bezüge in ihre Geschichten einwebt. Entsprechend groß war meine Vorfreude auf "Der Sommer am Ende der Welt". Der Klappentext ließ eine tiefgründige Handlung erwarten – reich an Geschichte, Emotionen und atmosphärischer Dichte.

Bekommen habe ich jedoch einen Roman, der mich mit gemischten Gefühlen zurückgelassen hat: zwischen stimmiger Atmosphäre, bewegenden Rückblenden und eindrucksvollen Schilderungen auf der einen Seite – und einer Handlung, die mir stellenweise zu viel wollte, an anderer Stelle jedoch zu oberflächlich blieb, gerade in Bezug auf das zentrale Thema des ehemaligen Kindererholungsheims.

Nach wie vor überzeugend empfand ich die Atmosphäre. Die norddeutsche Küste mit Wind, Watt und Einsamkeit ist eindrucksvoll eingefangen. Diese Kulisse trägt entscheidend zur Stimmung bei und harmoniert gut mit den bedrückenden Ereignissen im Kindererholungsheim.

Auch Völlers Schreibstil überzeugt einmal mehr: klar, flüssig und angenehm lesbar. Ihre besondere Stärke liegt für mich darin, Gefühle einzufangen und erlebbar zu machen.
Besonders die Rückblenden haben mir dabei gefallen, da sie Dynamik in die Erzählung bringen und die Geschehnisse noch greifbarer machen.

Das Hauptproblem liegt für mich jedoch in der Handlung. Allzu oft verliert der Roman das eigentliche Thema – die Geschehnisse im Heim – aus den Augen und schweift in banale oder unpassend wirkende Nebenstränge ab. Vor allem die um Hanna konstruierte Nebenhandlung wirkte auf mich zu dramatisch und wenig organisch in das Gesamtkonzept eingebunden. Statt die bedrückende Hauptthematik konsequent zu vertiefen, werden thrillerartige Elemente eingeflochten, die mit dem ansonsten stillen Tonfall des Romans kaum harmonieren.

Auch die zwischenmenschlichen Beziehungen konnten mich nicht vollständig überzeugen. Häufig fehlte es mir an Authentizität, und insbesondere die Figur von Hannas Tochter wirkte eher wie ein dramaturgisches Hilfsmittel denn wie ein lebendiger Charakter.

Zwar entsteht durchaus Spannung – vor allem durch die Rückblicke und die Enthüllungen rund um das Kindererholungsheim –, doch die überdramatisierte Nebenhandlung unterbrach diese Spannung immer wieder und nahm der eigentlichen Geschichte die stille Wucht, die sie hätte entfalten können.

Fazit:
Der Sommer am Ende der Welt ist atmosphärisch stark und stilistisch sicher geschrieben, doch es mangelt für mich an Fokus und innerer Stimmigkeit. Die dramatische Nebenhandlung nimmt mMn. der berührenden Kernhandlung die Tiefe, die sie verdient hätte. So blieb für mich am Ende leider ein eher ernüchternder Gesamteindruck zurück.

Bewertung vom 22.06.2025
Rutherford, Robert

Sieben letzte Tage


gut

Alice Logan, erfolgreiche Strafverteidigerin, hat sich von ihrem Vater lange distanziert – nicht zuletzt wegen seiner Affären und Abwesenheit. Als er jedoch wegen eines alten Mordes zum Tode verurteilt wird und die Vollstreckung in sieben Tagen ansteht, lässt sie sich – angestoßen von ihrer Schwester – auf eine letzte, verzweifelte Suche ein.

Rutherfords Schreibstil ist klar – fast schon nüchtern – und auf das Wesentliche konzentriert. Die Handlung orientiert sich am titelgebenden Countdown, was für ein konstantes Spannungsniveau sorgt. Der Autor setzt auf kurze Kapitel und schnelle Szenenwechsel, was den Lesefluss begünstigt und die Dynamik der Geschichte unterstreicht. Allerdings wirkt der Stil stellenweise etwas nüchtern, fast schon funktional – atmosphärische Tiefe bleibt manchmal auf der Strecke, da Rutherford mehr Wert auf Plotentwicklung als auf poetische Ausschmückungen legt.

Die Atmosphäre lebt vom konstanten Zeitdruck und der düsteren Kulisse rundum das nahe Todesurteil. Dies erzeugt Spannung, die Stimmung bleibt insgesamt aber eher kühl und distanziert, was zwar zur Thematik passt, aber nicht immer für ein intensives Leseerlebnis sorgt.

Alice Logan als Protagonistin ist glaubwürdig gezeichnet: Ihre ambivalente Beziehung zum Vater, der die Familie verlassen und immer wieder enttäuscht hat, verleiht ihr emotionale Tiefe. Der innere Konflikt, ob sie dem Vater glauben oder ihn endgültig abschreiben soll, zieht sich authentisch durch den Roman.
Allerdings bleiben viele Nebenfiguren für mich eher blass. Die Dialoge wirken mitunter hölzern und konstruiert und es fehlt an Dynamik und authentischer Emotionalität. Die Figur des Vaters fungiert er eher als Auslöser, denn als wirklich greifbare Persönlichkeit.

Die Handlung ist stringent aufgebaut und folgt dem klassischen Muster eines Justizthrillers: Zweifel an der Schuld, neue Hinweise, Verschwörungstheorien und ein Wettlauf gegen die Zeit. Rutherford gelingt es, immer wieder neue Wendungen einzubauen, sodass das Tempo hoch bleibt. Allerdings wirkt der Strom an neuen Erkenntnissen manchmal überladen – als wolle der Autor unbedingt jede lose Faser zu einem perfekten Ganzen verknüpfen. Darüber hinaus war mir persönlich die Handlung an den meisten Stellen zu vorhersehbar und keinesfalls überraschend, da manche Hinweise zu auffällig platziert sind.
Das Finale ist durchdacht, aber im Ton „zu perfekt“. Einige Fragen bleiben offen oder werden etwas zu ad hoc beantwortet – was die Spannung dämpft. Und auch hier, konnte ich mir bereits vorher die Entwicklung der Ereignisse denken. Es war, als wäre ich Alice Logan stets einen Schritt voraus.

Fazit

Insgesamt habe ich mich ganz gut unterhalten gefühlt. Die Atmosphäre und der Spannungsbogen funktionieren, auch wenn Charaktertiefe und Dialoge gelegentlich zu kurz kommen. Dennoch fehlt dem Roman für mich ›das gewisse Etwas‹: etwas mehr Tiefgang in der Figurenzeichnung, mutigere Dialoge, mehr Überraschung im Aufbau. Wer Justizthriller mit Zeitdruck und familiären Abgründen mag, wird hier sicher gut unterhalten – sollte aber keine allzu große literarische Tiefe oder Überraschungen erwarten.

Bewertung vom 15.05.2025
Pust, Justine

When the Rain Burns - Based on Sina's True Story


ausgezeichnet

Es gibt Bücher, die man liest, und solche, die man erlebt.
„When the Rain Burns“ von Justine Pust gehört für mich eindeutig zur zweiten Kategorie.
Das Buch erzählt die Geschichte von Lina, die nach dem traumatischen Verlust ihrer besten Freundin bei einem Schul-Amoklauf verzweifelt versucht, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Ein Neuanfang mit einem Tanzkurs und die Begegnung mit Tom geben ihr zunächst Hoffnung und Geborgenheit. Doch die Beziehung entwickelt sich bald zu einem Albtraum, geprägt von Kontrolle und psychischer Gewalt. Unterstützung findet Lina in Liam, einem ehemaligen Klassenkameraden, der ihr Halt geben möchte.

Justine Pust gelang es, mich mit ihren fesselnden, eindringlichen Schreibstil direkt in die Gefühlswelt der Charaktere zu ziehen. Die Sprache ist klar, emotional und manchmal schmerzhaft direkt, was die Intensität der behandelten Themen noch verstärkt. Die Autorin schafft es zudem, die Unsicherheiten, Ängste und die innere Zerrissenheit ebenso wie die positiven Gefühle und die Verbundenheit der Hauptfiguren authentisch und berührend zu transportieren.

Die Atmosphäre des Romans ist dicht, oft bedrückend und von einer anhaltenden Spannung geprägt. Aufgrund der emotionalen Wucht musste ich manchmal sogar eine Pause während des Lesens einlegen.
Die wechselnden Zeitebenen – Gegenwart und Vergangenheit, ein Aspekt, den ich sehr liebe – sowie die Perspektivwechsel zwischen Lina und Liam sorgen für Dynamik und Tiefe.

Lina als Hauptfigur mit ihrer Verletzlichkeit und ihrem inneren Kampf, wieder Vertrauen zu fassen, ist äußerst glaubhaft und vielschichtig dargestellt. Sie ist keine Heldin im klassischen Sinn, sondern eine junge Frau, die trotz schwerer Rückschläge immer wieder aufsteht und weitermacht. Besonders eindrucksvoll finde ich, wie sie sich selbst und ihre Wahrnehmung in Frage stellt – ein zentrales Element bei psychischer und physischer Gewalt in Beziehungen.
Die Manipulation, die Kontrolle und das Gaslighting werden zudem äußerst subtil und realistisch beschrieben, sodass ich als Leserin gut nachvollziehen konnte, wie Lina in die Spirale der Gewalt geriet.
Liam ist hingegen eher das Gegenbild: empathisch, unterstützend und geduldig. Er gibt Lina Halt und steht für Hoffnung und Solidarität – wenngleich er auch mit eigenen inneren Dämonen zu kämpfen hat. Ich habe ihn direkt zu Beginn ins Herz geschlossen.
Auch die Nebenfiguren, wie Linas Freundinnen oder Liams Familie, sind liebevoll und glaubwürdig gezeichnet und sind äußerst bereichernd sowohl für Lina als auch das Buch an sich.

Die Themen im Buch wie häusliche Gewalt, Gaslighting, Trauma, Schuldgefühle und den schwierigen Weg zurück ins Leben sind hochaktuell und gesellschaftlich relevant. Das Buch basiert auf einer wahren Geschichte und legt den Finger in die Wunde einer Gesellschaft, in der Gewalt gegen Frauen oft verharmlost oder verschwiegen wird. Es zeigt meiner Meinung nach sehr eindrucksvoll, wie schnell und unbemerkt man in eine toxische Beziehung geraten kann und wie wichtig Unterstützung und Solidarität sind. Die Autorin setzt sich kritisch mit gesellschaftlichen Vorurteilen und victim blaming auseinander und gibt Betroffenen Mut, sich Hilfe zu holen.

Fazit

"When the rain burns" ist ein intensiver, berührender und wichtiger Roman, der lange nachhallt. Justine Pust gelingt es, ein Tabuthema mit großer Empathie und Authentizität zu erzählen. Die Charaktere sind glaubwürdig, die Atmosphäre dicht und die Handlung erschütternd realistisch. Das Buch ist keine leichte Lektüre, aber eine, die aufrüttelt und zum Nachdenken anregt – und damit absolut lesenswert.

Bewertung vom 04.05.2025
O'Roark, Elizabeth

The Summer We Fell / The Summer Bd.1


gut

„The Summer We Fell“ von Elizabeth O’Roark ist der erste Band der „The-Summer-Reihe“. Die Geschichte folgt Juliet, die nach einer traumatischen Vergangenheit bei der Familie ihres Freundes Danny Zuflucht findet. Ihre eigenen Zukunftspläne hat sie aufgegeben – bis Danny eines Tages seinen College-Freund Luke mit nach Hause bringt. Luke weckt in Juliet zum ersten Mal seit Langem den Wunsch, für ihre Träume zu kämpfen.

Elizabeth O’Roark hat mich mit ihren angenehm lesbaren, einfühlsamen und vor allem auch bildhaften sowie atmosphärischen Schreibstil überzeugt, der es leicht macht, in die Geschichte und in die Charaktere einzutauchen. Die Autorin versteht es, Emotionen und Stimmungen greifbar zu machen, ohne ins Kitschige abzurutschen.

Die Geschichte wird abwechselnd in zwei Zeitebenen erzählt – Gegenwart und Vergangenheit –, was der Handlung eine besondere Dynamik und Spannung sowie eine gewisse Tiefe und Authentizität verleiht.

Das Setting an der amerikanischen Küste, mit Stränden und Surfer-Vibes, sorgt für eine sommerliche, aber auch melancholische Grundstimmung. Die Atmosphäre ist geprägt von Sehnsucht, Schmerz und Hoffnung auf einen Neuanfang.

Im Zentrum der Geschichte stehen Juliet und Luke – zwei Figuren, die durch ihre Vergangenheit und ihre Verletzlichkeit faszinieren und deren Anziehung bereits ab dem ersten Aufeinandertreffen spürbar ist. Die Gefühle zwischen den beiden sind extrem intensiv, was mich am meisten am Buch überzeugen konnte.
Juliet ist eine vielschichtige, verletzliche, aber auch irgendwie frustrierend passive Protagonistin.
Ihre Entwicklung zieht sich – vielleicht bewusst –, und oft wollte ich sie geradezu schütteln, weil sie zu lange in toxischen Dynamiken verharrt. Dennoch ist ihre Zerrissenheit glaubhaft und tief menschlich.
Luke hingegen ist der klassische "Grumpy & Sunshine"-Held: wortkarg, impulsiv, manchmal aggressiv und dennoch charismatisch, leidenschaftlich und zutiefst loyal. Seine Reaktionen, insbesondere seine Neigung zu impulsiven und aggressiven Handlungen, waren für mich teils zu übertrieben und haben mir beim Lesen immer wieder ein Unwohlsein bereitet.

Ein Punkt, der mich persönlich gestört hat, waren die zahlreichen, sehr expliziten Sexszenen. Natürlich gehören Intimität und körperliche Nähe zur Geschichte, doch in diesem Fall hatte ich das Gefühl, dass sie zu stark im Fokus standen – teilweise auf Kosten der eigentlichen Handlung und der psychologischen Tiefe. Einige Szenen wirkten mehr voyeuristisch als emotional oder entwicklungsrelevant.

Die Handlung lebt von der Spannung zwischen Juliet und Luke sowie dem ungelösten Trauma der Vergangenheit und hält stets einige spannende und überraschende Wendungen bereit.

Thematisch ist der Roman sehr vielschichtig: Es geht um emotionale Abhängigkeit, Trauma, Schuld, Loyalität, Liebe – aber auch um Identitätsfindung in einem stark reglementierten Umfeld. Das Thema Selbstbestimmung zieht sich wie ein roter Faden durch den Roman – Juliet muss lernen, für sich selbst einzustehen, obwohl ihr Umfeld sie immer wieder in alte Rollen drängt.
Feministisch betrachtet hinterlässt der Roman jedoch gemischte Gefühle in mir. Positiv ist, dass Juliet sich – wenn auch spät – von den patriarchalen Strukturen und von toxischer Männlichkeit zu lösen beginnt. Gleichzeitig jedoch bleibt sie über weite Strecken fremdgesteuert, reagiert mehr, als dass sie agiert. Auch die Darstellung männlicher Dominanz, vor allem in Lukes Verhalten, hätte differenzierter oder reflektierter sein können. Dass aggressive Impulsivität als Teil einer „großen Liebe“ inszeniert wird, finde ich problematisch – zumal Juliet zu oft in der Rolle der Erleidenden bleibt.

Fazit

„The Summer We Fell“ von Elizabeth O’Roark ist insgesamt ein emotional aufwühlender, intensiver Roman über Liebe, Selbstfindung und die Schatten der Vergangenheit. O'Roark schreibt mit viel Feingefühl und Tiefe. Die Charaktere sind greifbar und überwiegend sympathisch. Der Roman ist für mich kein klassisches ‚Wohlfühlbuch‘, sondern eine Geschichte voller Grautöne und innerer Kämpfe, aber dennoch auch tiefer Gefühle und innerer Verbundenheit. Insgesamt ist das Buch – trotz einiger Kritikpunkt meinerseits – auf jeden Fall das Lesen wert und ich freue mich bereits auf den zweiten Band der Reihe.