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Miro76
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Österreich

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Insgesamt 175 Bewertungen
Bewertung vom 17.08.2025
Schoeters, Gaea

Das Geschenk


ausgezeichnet

Was für ein Schreck, als plötzlich zwei Elefanten in der Spree baden. Und in einem nahegelegenen Park sind noch mehr Elefanten. Sie sind nicht aus einem Zoo entlaufen. Es sind wilde Tiere und minütlich werden mehr entdeckt. Hans Christian Winkler, der deutsche Bundeskanzler muss sich mit den plötzlich auftauchenden Elefanten beschäftigen und erfährt rasch von seinem Amtskollegen aus Botswana, dass diese ein Geschenk als Antwort auf das eben erlassene Gesetz wären. 20.000 Elefanten als Gegengabe für das Einfuhrverbot von Jagdtrophäen. Wieder einmal versucht der aufgeklärte Westen zu bestimmen, wie in Afrika gelebt werden sollte.

Die Elefanten werden schnell in den Alltag integriert und bringen selbstredend allerlei Probleme mit sich. Sie verursachen Schäden an öffentlichen und privaten Gütern, brauchen enorme Mengen Futter und ihre Fülle an Ausscheidungsprodukten ist auch nicht zu verachten. Die Elefanten könnten sich zu einem politischen Debakel entwickeln, wo doch der rechte Spitzenkandidat eh schon am Kanzlerstuhl säbelt.

Schnell wird klar, es braucht eine Ministerin für Elefantenangelegenheiten, die notfalls als Sündenbock vorgeschoben werden kann. Die Elefantensache wird zu einer Politsatire, die alle aktuellen Themen unsere Zeit pointiert miteinbezieht. Der Umgang mit der Megafauna wird zu einer Parabel über politisches Krisenmanagement, den gesellschaftlichen Umgang mit Migration und natürlich wird auch ein Bezug zur Klimakrise hergestellt.

Das Buch ist recht knapp gehalten und beim Lesen hatte ich das Gefühl, die Autorin triebt mich in rasantem Tempo durch die Geschichte. Mit schwarzem Humor und bitterbösem Sarkasmus setzt sie unserer postkolonialen Gesellschaft einen Spiegel vor und lädt uns auch in diesem Buch ein, unseren Umgang mit dem afrikanischen Kontinent zu hinterfragen. Mich konnte die Autorin auch mit diesem Buch begeistern, dessen Genialität wahrscheinlich in der Kürze liegt. Hier sitzt wirklich jedes Wort!

Bewertung vom 13.08.2025
Poznanski, Ursula

Erebos Bd.3


ausgezeichnet

Erebos erwacht wieder zum Leben und holt sich einen erfahrenen Spieler zurück. Wer die ersten zwei Bände kennt, weiß, dass sich Nick Dunmore nicht freiwillig nochmal auf diese Reise einlässt. Aber ihm bleibt keine Wahl, denn Erebos droht, seine beginnende Karriere als Fotograf zu beenden.

Widerwillig lässt er sich ein weiteres Mal auf das Spiel ein und stellt mit Gänsehaut fest, dass ihn diese spezielle Welt fesselt, auch wenn ihm bewusst ist, dass mehr auf dem Spiel stehen wird als nur ein paar Gimmicks und Level zu gewinnen.

Sein Auftrag klingt diesmal ungewöhnlich. Es soll eine Horde anführen, die er zusammenstellen soll. Gemeinsam mit seinem nerdigen Freund Victor zieht er in ein Rennen bzw. eine Suche mit unklarem Ausgang. Sie sollen Zeichen erkennen, doch das ist schwieriger als gedacht. Erebos präsentiert sich anders als bei den ersten beiden Malen. Es wirkt dunkler und gefährlicher und die Aufträge im realen Leben sind ebenfalls schwer zu deuten.

Dieser dritte Teil ist wieder überaus spannend und fesselnd zu lesen. In kürzester Zeit habe ich die Seiten verschlungen und es genossen, mich wieder mehr im Spiel zu bewegen als im zweiten Band. Der Plott ist mitreißend und man kann als Leser*in wunderbar mitraten. Doch die Zeichen sind schwer zu deuten. Stück für Stück eröffnet sich ein makaberes Spiel. Wird es Nick und seinen Freunden gelingen, das Schlimmste aufzuhalten? Es steht viel auf dem Spiel.

Mir hat die Rückkehr in die Erebos-Welt ausgesprochen gut gefallen und ich bin sicher, Fans der Reihe werden hier nicht enttäuscht. Das Buch lässt mich hoffen, dass es irgendwann noch einen Teil geben könnte. Auch wenn Nick sich das bestimmt nicht wünscht.

Bewertung vom 03.08.2025
Kelly, Julia R.

Das Geschenk des Meeres


sehr gut

Skerry, Schottland um 1900. Ein kleiner Junge wird an Land gespült und von der Schullehrerin Dorothy gesund gepflegt. Dorothy hat ein ganz spezielles Verhältnis zu dem Jungen, denn er ähnelt sehr stark ihrem eigenen Sohn, der vor einigen Jahren von Meer verschluckt wurde. Das Meer hat's genommen - hat das Meer das Kind nun zurückgegeben?

In Rückblicken erfahren wir die ganze traurige Geschichte von Dorothy, die von ihrer Mutter nicht gut behandelt wurde. Dorothy's Selbstvertrauen existiert quasi nicht und sie steht sich Zeit ihres Lebens selbst im Weg. Das fand ich streckenweise doch sehr anstrengend, denn so weit weg von Zuhause, hätte Dorothy doch mal aus dem Schatten ihrer Mutter treten können.

Die ganze Dorfgemeinschaft leider unter Nicht-Gesagtem. Das karge Leben, die Härte der Landschaft und das stürmische Wetter erschaffen kantige Charaktere. Die einzelnen Figuren sind interessant entwickelt und zeigen sich in all ihren Grauschattierungen. Doch im Herzen versuchen sie alle ihr Glück zu finden und viele von ihnen scheitern dabei kläglich. Sie sind Kinder ihrer Zeit, ein selbstbestimmtes Leben bleibt vielen von ihnen verwehrt.

Die verschiedenen Sorgen und Nöte der einzelnen Dorfbewohner*innen sind realistisch gewählt und dem Jahrhundert entsprechend behandelt. Für mich als Leserin wirkt manches befremdlich und vor allem Dorothy hat mir Nerven gekostet. Doch am Ende konnte ich mich auch mit ihr versöhnen. So hat mir die Geschichte gut gefallen. Stilistisch ist sie anspruchsvoll und ruhig erzählt. Die Ergebnisse überschlagen sich nicht und wirken dadurch umso eindringlicher. Ich vergebe vier Sterne für diese wunderbare und traurige Geschichte, weil ich für die Hauptprotagonistin einfach nicht genug Geduld aufbringen konnte.

Bewertung vom 28.07.2025
Engelmann, Julia

Himmel ohne Ende


ausgezeichnet

Charlie spielt das Leben grad übel mit. Sie ist eher unscheinbar in der Klasse, schüchtern und generell nicht besonders selbstbewusst, seit der Vater sie und ihre Mutter verlassen hat. Als sich dann auch noch ihre beste Freundin von ihr abwendet fällt sie in ein dunkles Loch. Sie verpasst ihre Sommerferien und möchte lieber nicht an die Schule zurück.

Doch da gibt es einen neuen Schüler und der Platz neben Charlie ist nun frei. Konstantin, der schon in der ersten Stunde Pommes getauft wird, passt perfekt auf diesen Platz und ist gewillt, Charlie aus ihrem tiefen Loch zu helfen. Zwischen den beiden entwickelt sich ganz langsam eine tiefe Freundschaft. Sie beginnen einander zu vertrauen und Schritt für Schritt immer mehr von ihren Persönlichkeiten preiszugeben. Tastend wagen sie sich auch in die dunklen Ecken ihres Innersten und lernen, miteinander über die unsichtbaren Dinge zu reden.

Julia Engelmann hat eine einfache, aber bildreiche Sprache für Charlie gewählt, die ich ausgesprochen passend finde. Charlie ist ein philosophisch veranlagtes 15jähriges Mädchen und das wird hier gut repräsentiert. Die Poetry Sammlerin in der Autorin spürt man ständig durch im Text. Der Roman hat eine feine poetische Note, die die Worte direkt in die Herzen der Leser*innen sickern lässt.

Diese feine Geschichte über Freundschaft und Liebe hat mich sehr berührt und wird mich bestimmt noch einige Zeit fesseln. Ich werde dieses Buch ganz sicher noch Mal lesen. Es hat Potential, ein all-time-Favorit zu werden!

Bewertung vom 26.07.2025
Eschbach, Andreas

Die Auferstehung


gut

Mit diesem Buch scheint mir Andreas Eschbach der Nostalgie verfallen zu sein. Es ist ein Versuch, die Jugend wieder aufleben zu lassen und den drei ??? ein Denkmal zu setzen. Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews, die legendären Detektive, sind nun in ihren 50ern und gesetzte Männer. Die Freundschaft ist durch einen tragischen Vorfall geplatzt und sie leben auch räumlich getrennt.

Als an Justus ein Fall herangetragen wird, erzählt er dennoch Bob davon und dieser wiederum Peter. Alle drei sind gefesselt von der Idee, dass mit der wiederauferstandenen Tochter von Alec Hitfield etwas nicht stimmen könnte. Tracy war sieben Jahre davor bei einem massiven Unwetter im Dschungel Brasiliens verschollen. Angeblich hat sie die Zeit bei einem Stamm verbracht, der keinen Kontakt zur Zivilisation pflegt und wie es der Zufall will, hat sie auch kaum Erinnerungen an diese Zeit im Urwald.

Alec ist außer sich vor Freude, denn er ist todkrank und hatte immer nur diesen einen Wunsch, dass seine Tochter wieder auftauchen möge. Sie wird nun Alleinerben sein und das Hitfield-Vermögen ist beträchtlich.

Der Fall ist interessant, aber auch nicht wirklich spektakulär und es braucht leider fast das halbe Buch, bis die Fakten alle auf dem Tisch liegen. Die Geschichte entwickelt sich sehr langsam, weil der Autor viel Raum für die Entwicklung der Protagonisten lässt. Dadurch verstehen wir, warum sie sich getrennt haben und begreifen gleichzeitig, dass sie trotzdem immer noch an ihren Freundschaften hängen.

Nachdem zunächst jeder für sich mit den Ermittlungen beginnt, finden die Beteiligten schließlich wieder zueinander. Durch die Versöhnung kommt es zur Auferstehung der drei ??? und ihre gebündelten Fähigkeiten bringen den Durchbruch. Das letzte Drittel des Buches war dann doch sehr spannend und ließ mich schlußendlich durch die Seiten fliegen.

Das Buch lässt mich mit einem positiven Gefühl zurück. Die Freundschaft hat gesiegt und die Option für einen weiteren Band ist gelegt. Ob ich diesen dann lesen werden, weiß ich allerdings noch nicht. Mich konnte diese Auferstehung nämlich nicht so begeistern. Für mich war das bislang der langweiligste Eschbach.

Bewertung vom 17.07.2025
Johnston, Bret Anthony

We Burn Daylight


gut

Im Jahr 1993 kamen in Waco, Texas, 76 Mitglieder der religiösen Gruppierung Branch Davidians ums Leben, als das FBI gemeinsam mit weiteren Bundesbehörden ihre Siedlung stürmte. Im Vorfeld kam es zu einer 51-tägige Belagerung, weil sich die Gemeinschaft gegen eine geplante Durchsuchung ihres Geländes mit Waffengewalt zur Wehr gesetzt und dort verschanzt hatte. Diese tragische Begebenheit ist die Grundlage dieses Romans und ich hatte mir eine spannende Geschichte erwartet.

Außerdem hat mir die gewählte Erzählform gefallen. Zwei Jugendliche schildern hier die Geschehnisse jeweils aus ihrer Sicht. Roy, der Sohn des Sheriffs, der sich in Jaye verliebt, die mit ihrer Mutter dem Sektenführer nachgereist ist. Die beiden treffen sich heimlich einige Male und stürzen sich in eine lebensverändernde Liebe.

Aufgelockert wird das Ganze durch kurze Einschübe aus Podcasts, die der ehemals beste Freund von Roy im Jahr 2024 erstellt. Er führt Interviews mit den verschiedensten beteiligten Personen. Er trifft Überlebende der Sekte, ehemalige FBI und ATF Agenten genauso wie den pensionierten Sheriff. Dadurch wissen wir als Leser*innen manchmal etwas mehr als die Protagonisten.

Somit finde ich auch den Aufbau des Buches gelungen. Und dennoch konnte es mich nicht packen.

Das Buch ist sprachlich durchaus ansprechend und detailreich, nimmt sich jedoch an vielen Stellen sehr viel Zeit, um Dinge auszubreiten, die für den Fortgang der Handlung kaum von Bedeutung sind. Die Erzählweise wirkt dadurch stellenweise überladen und verliert sich in langen Ausschweifungen und Wiederholungen. Es ist ein Buch, das Geduld verlangt –wohl ein bisschen mehr, als ich aufbringen konnte. Dadurch vergebe ich 2,5 Sterne, die ich auf 3 aufrunde.

Bewertung vom 11.07.2025
Schwab, V. E.

Bury Our Bones in the Midnight Soil


sehr gut

Maria wurde 1511 im Norden Spaniens geboren und hatte schon als kleines Mädchen einen ungehörigen Freiheitsdrang. Um ein besseres Leben bemüht, heiratet sie einen spanischen Edelmann in der Hoffnung auf ein erfülltes und abwechslungsreiches Leben. Doch sie wird bitter enttäuscht. Im Bett empfindet sie eher Abscheu als Lust und von Freiheit ist sie weiter entfernt denn je, denn sie darf das Anwesen nicht verlassen. Als sie eine geheimnisvolle Witwe und Kräuterhexe kennenlernt, bietet diese ihr einen Ausweg ohne genauer darauf einzugehen.

Aus Maria wird ein Geschöpf der Nacht und sie genießt dieses Dasein in vollen Zügen. Endlich ist sie frei und kann tun und lassen, was immer ihr beliebt. Sie fühlt sich unsterblich und kennt keine Skrupel. Jahrelang zieht sie alleine durch die Welt. Eine Weile wird sie seßhaft, bei einem Vampir in Venedig, der ihr zeigt, welche Fähigkeiten noch in ihr schlummern, bis sie wieder weiterreist. Ein Spur aus Blut und Verderben hinter sich lassend.

Charlotte soll sich ebenfalls verheiraten und wird deshalb im Jahr 1827 nach London an den Hof verfrachtet. Die Anstandsregeln ihrer Tante engen sie ein und von den jungen Männern ist sie auch nicht begeistert. Zum Glück nimmt sie eine junge Witwe unter ihre Fittiche, die weiß Vergnügen zu verbreiten. Charlotte folgt ihr und lässt nicht nur ihren Herzschlag zurück. Zwischen den beiden Nachtgewächsen entspinnt sich eine Amour Fou die Jahrhunderte überdauert, bis Charlotte es schafft, sich aus den Fängen der Freundin zu befreien. Doch es braucht eine durchtriebene Finte, damit sie wirklich frei kommt.

"Liebe Stirbt zuletzt" nennt sich dieses Buch im Untertitel. Nur leider findet sich kaum Liebe in dieser Geschichte. Gehandelt wird hier hauptsächlich aus Eigennutz und was hier als Liebe bezeichnet wird, ist Abhängigkeit und Manipulation.

Alice, die 2019 einen Neuanfang in Boston startet und nicht mehr die kleine Schwester von Catty ist, gerät in dieses Spiel aus Macht und Manipulation. Alice wirkt recht unbedarft, aber sie hat eine Vorgeschichte, die sie erstaunlich gut auf diese Situation vorbereitet hat. Sie lässt sich nicht mehr als Spielball benutzen und entwickelt sich in kurzer Zeit zu einer überraschend robusten jungen Frau, die zum Sahnehäubchen dieser Geschichte wird.

"Bury our bones ..." hat mir gut gefallen. Das Buch ist äußerst ansprechend gestaltet und der Schreibstil von V. E. Schwab ist bekannt poetisch und atmosphärisch. Die Grundstimmung ist in diesem Buch nicht ganz so düster, aber die Charaktere entwickeln sich zum Teil richtig böse und sorgen für Überraschungen. Wir haben es hier definitiv nicht mit Glitzervampiren zu tun und romantisiert wird hier auch nicht. Den Untertitel sollte man sich nicht zu sehr zu Herzen nehmen, denn eine echte Lovestory findet sich hier nicht. Wer das erwartet, könnte von dieser Geschichte enttäuscht sein.

Mir hat das Buch gut gefallen und ich empfehle es allen, die auch mit bösen Protagonist*innen mitfiebern können!

Bewertung vom 15.06.2025
Gundar-Goshen, Ayelet

Ungebetene Gäste


ausgezeichnet

Wieder einmal bringt uns Ayelet Gunnar-Goshen dazu in die dunklen Ecken zu blicken. Jeder ihrer Roman bietet eine Reise in menschliche Abgründe. Hier beginnt die Szenerie sofort beklemmend. Eine junge Mutter ängstigt sich, weil sie mit einem arabischen Arbeiter allein mit ihrem Kleinkind in der Wohnung ist. Der Arbeiter gibt ihr keinerlei Anlass zur Sorge, doch die junge Frau ist durchdrungen von rassistischen Vorurteilen. Dabei ist es eigentlich ihr kleiner Sohn, der einem Angst macht. Das Kind kontrolliert die Mutter komplett und sie ist überfordert mit den Bedürfnissen ihres Sohnes, dem keine Grenzen gesetzt werden.

Als dieser einen Hammer vom Balkon wirft und dabei einen vorbeilaufenden Teenager am Kopf trifft, entspinnt sich eine Tragödie, bei der mehrere Menschen zu Schaden kommen. Ich fühlte massive Beklemmung bei der Lektüre, doch die Autorin versteht es, mit den Gefühlen zu spielen. Das anfängliche Schweigen der Frau ist natürlich verwerflich, doch dann versucht sie das Richtige zu tun und entlastet den Arbeiter. Der Schaden ist allerdings schon angerichtet. Als Terrorverdächtiger wurde er nicht gut behandelt bei den Verhören und die drei Tage des Schweigens haben Auswirkungen auf die Familie. Die Ehe scheint kaum zu retten und auch das Kind kämpft mit Problemen.

Auch der Neustart in einem anderen Land scheint nicht so recht zu gelingen. Die Probleme und Sorgen verfolgen die Familie genauso, wie die Frage nach Schuld und Sühne. Gut und Böse verschwimmt hier. Die Figuren reüssieren in ihren Grauschattierungen und wirken dadurch sehr lebendig und realitätsgetreu. Immer wieder werden sie gezwungen sich ihren Gespenstern zu stellen. Das macht den Roman sehr eindrücklich.

Ungebetene Gäste ist bestimmt kein schönes Buch, aber definitiv lesenswert. Daher ein klare Leseempfehlung von mir.

Bewertung vom 13.06.2025
Kemp, Kate

Lauter kleine Lügen


gut

Warrah Place, Canberra, 1979. Antonio Moretti wurde ermordet und die Nachbarschaft in der Vorstadt beginnt sofort mit Mutmaßungen. Die Verkehrsinsel in der Straße wird zum Dreh- und Angelpunkt des Vorstadtlebens und für Klatsch und Tratsch. Als Leser*innen wissen wir von Anfang an, wer mit dem Mord etwas zu tun hatte, denn Blut wird weggewaschen und Schrecken liegt in Gesichtern. Doch ist derjenige auch der Mörder?

Die Nachbarschaft versucht sich selbst an Motiven und Theorien, denn die Polizei kommt nicht voran. An vorderster Front versucht Tammy den Fall zu lösen mit dem kleinen Colin an ihrer Seite. Die Kinder wirken fast verwahrlost. Die Eltern kämpfen alle mit ihrem Problemen und kümmern sich kaum um ihren Nachwuchs. Einzig die Single-Mum mit drei Kindern von drei Väter ist immer für sie da. Aber was die Siedlung über sie denkt, kann sie wohl jede*r vorstellen.

Wir haben es hier mit einer Klischeevorstadt zu tun. Der Schein muss gewahrt bleiben, nach außen wirken alle Ehen top, alles andere spielt sich im verborgenen ab. Tammy entdeckt immer wieder Kleinigkeiten, die mit Antonio in Verbindung stehen und in Rückblicken erfahren wir dann, wie es dazu kam. In jedem Haushalt werden Geheimnisse gewahrt und im Zuge der wachsenden Angst vor dem Mörder kommen einige ans Tageslicht. Leider ist das nicht ganz so spannend, wie es sein könnte. Die Erzählung ist ausschweifend und die Geheimnisse sind teilweise gar nicht so interessant. Die ersten Zweidrittel des Buches hätte ruhig etwas straffer und schneller erzählt werden können. Es dauert lange, bis der Roman Fahrt auf nimmt und spannend wird und schlußendlich doch mit einer Überraschung aufwartet.

Eine klare Empfehlung kann ich hier leider nicht aussprechen. Man kann das Buch lesen, verpasst aber auch nicht wirklich was, wenn nicht. Da der Schluss überraschend inspirierend war, vergebe ich 3 Sterne.

Bewertung vom 30.05.2025
Bilkau, Kristine

Halbinsel


sehr gut

Annett erhält einen Anruf aus dem Krankenhaus. Ihre Tochter erlitt einen Schwächeanfall und wurde nach einer Ohnmacht eingeliefert. Um sich zu erholen, zieht sie bei ihrer Mutter an der Nordsee ein. Doch was als Rekonvaleszenz beginnt, wird zu einem kompletten Umbruch. Linn kündigt ihre Wohnung in Berlin, übernimmt einen Teilzeitjob beim Bäcker im Ort und verkriecht sich viel in ihrem Zimmer.

Annett erzählt uns diese Geschichte und sie macht sich natürlich Sorgen um ihre Tochter. Sie sieht sich allerdings auch mit ihrer eigenen Enttäuschung konfrontiert, denn Linn erfüllt ihre Erwartungen nicht. Es war nicht einfach für Annett als Alleinerzieherin, denn Linns Vater ist verstorben, als diese Fünf war. Das Studium der Tochter zu finanzieren, hat ein großes Loch ins Budget gerissen und nun will die Tochter ihren Weg nicht weitergehen.

Ein bisschen kann ich Annett ja verstehen. Doch Annett schafft es, ihre Erwartungen immer wieder in Frage zu stellen. Sie hört die Stimme ihres Mannes, der ihr zu Geduld und Nachsicht rät und kann sich somit selbst in Zaum halten. Dieser kleine Kniff hat mir gut gefallen. Und so nähern sich Mutter und Tochter als Erwachsene langsam an und beginnen jeweils Verständnis für die andere Aufzubringen. Annett lässt sich in die Welt ihrer Tochter einführen, die als für die Umwelt kämpft und dabei auszubrennen droht und Linn beginnt zu verstehen, wie schwer es für Annett war, nachdem sie ihre Liebe verloren hatte.

In leisen Tönen lesen wir hier einen Generationskonflikt, der eher wunschwellig ausgefochten wird und dabei den Horizont beider Frauen erweitert. Das Buch hat keinen Spannungsbogen, es passiert nichts bahnbrechendes und noch ist es eine schöne Geschichte, die aufzeigt, wie gut es sein könnte, wenn man mal versucht das Leben aus der Perspektive des jeweils Anderen zu sehen.

Mich konnte Kristine Bilkau mit dieser Geschichte berühren.