© Beowulf Sheehan
Siri Hustvedt
Hustvedt, SiriSiri Hustvedt wurde 1955 in Northfield, Minnesota, geboren. Sie studierte Literatur an der Columbia University und promovierte mit einer Arbeit über Charles Dickens. Bislang hat sie sechs Romane publiziert. Mit «Was ich liebte» hatte sie ihren internationalen Durchbruch. Zuletzt erschienen «Die gleißende Welt» und «Damals». Zugleich ist sie eine profilierte Essayistin. Bei Rowohlt liegen von ihr die Essaybände «Leben, Denken, Schauen», «Nicht hier, nicht dort», «Being a Man» und «Die Illusion der Gewissheit» vor.Aumüller, UliUli Aumüller übersetzt u.a. Siri Hustvedt, Jeffrey Eugenides, Jean Paul Sartre, Albert Camus und Milan Kundera. Für ihre Übersetzungen erhielt sie den Paul-Celan-Preis und den Jane-Scatcherd-Preis.Osterwald, GreteGrete Osterwald, geboren 1947, lebt als freie Übersetzerin aus dem Englischen und Französischen in Frankfurt am Main. Sie wurde mehrfach mit Übersetzerpreisen ausgezeichnet, zuletzt 2017 mit dem Jane-Scatcherd-Preis. Zu den von ihr übersetzten Autoren zählen Siri Hustvedt, Alfred Jarry, Anka Muhlstein, Jacques Chessex sowie Nicole Krauss, Jeffrey Eugenides und Elliot Perlman.
Kundenbewertungen
»Lesen heißt, sich jemand anderem zu überlassen, das eigene Bewusstsein eine Zeit lang mit einem erzählenden anderen oder mehreren anderen zu teilen... Lesen bringt einen Selbstverlust im anderen mit sich, ein sich aufgeben und gehen lassen.« |176
Mit »Mütter, Väter und Täter« habe ich mich dieser anderen ...
»Lesen heißt, sich jemand anderem zu überlassen, das eigene Bewusstsein eine Zeit lang mit einem erzählenden anderen oder mehreren anderen zu teilen... Lesen bringt einen Selbstverlust im anderen mit sich, ein sich aufgeben und gehen lassen.« |176
Mit »Mütter, Väter und Täter« habe ich mich dieser anderen überlassen, mich selbst verlassen und für eine Weile in die Welt geschaut mit Hustvedts wachen Augen. Ich war in der Perspektive einer gut gealterten gebildeten Weißen mächtigen Frau, Autorin, Amerikanerin, Feministin, Tochter, Mutter, Intellektuelle und so vieles mehr. Es ist wohltuend und bereichernd, mit Hustvedt zu denken, viele Dinge in ihrem Licht zu sehen, sie mit ihrem Wissen zu verstehen, gemeinsam mit ihr zur gleichen Zeit optimistisch und in Grenzen gehalten auf diese Welt zu blicken, dabei die hinterfragende und erweiternde Kraft der Kunst, der Bildung und der Literatur zu spüren.
Hustvedt zeigt nicht immer neue, aber fast immer aufschlussreiche Perspektiven. Fast altmodisch anmutend bezieht sie sich auf die Psychoanalyse, die Neurologie und Biologie, auf die begrenzende Dualität von Körper und Geist, die aktuelle feministische Diskurse nicht sehr in den Fokus nehmen. Dadurch, dass Hustvedt sich, ihre Familien- und Bildungsgeschichte stets verortet, ihre Privilegien thematisiert, sich trotz ihrer reichen Erfahrungen eine neugierig fragende Haltung bewahrt, gelingt ihr eine Offenheit, die Intersektionalität mitdenkt.
»Mütter, Väter und Täter« heißt es in der deutschen Übersetzung. Ein Fragezeichen musste ich hinzudenken, denn Täter:innen im Sinne von Menschen, die anderen ganz bewusst, sadistisch und direkt schaden, kommen nur im letzten Essay vor. Auch hier vermeidet sie extrojierte Täterzuweisungen. Viele der anderen Essays kommen ebenfalls bei der Frage an, wie Menschen die Schädigung anderer mit dem Bild über sich selbst in Einklang bringen, wie stark dabei sanktionierende Begrenzungen der Geschlechterrollenerwartungen und die zerstörerische Kraft einer abgewehrten Scham wirken.