einspielen. Das sind dann vor allem wunderbar gelassene, manchmal auch getragene, dabei entschieden unsentimentale Variationen über das ewige Soulthema Liebe. In Reddings "Champagne & Wine" gibt es die Zeile: "I am a woman now, a full grown woman" - gesungen von einer Siebzigjährigen, die sich auf den Tod einstellt, laden sich solche Worte mit neuer Bedeutung auf: Das Wachstum, der Erfahrungsschmerz hören nicht auf, bis zum Ende nicht.
Style, Image, Fragen der Selbstvermarktung können für Etta James nicht mehr von großer Bedeutung gewesen sein. Beim Watson-Song "Too Tired" bleibt der Text unverändert, sie singt von durchzechten Pokernächten, nach denen man zu müde ist, sich zu rasieren. Mit ihrer kehligen, die Vers-Enden wegwischenden Altstimme lässt sie Genderfragen hinter sich, und wer könnte den Satz "I am too tired to get up" glaubhafter singen als sie, die zeitweilig nur noch im Sitzen auftreten konnte. "Too Tired" ist ein absurdes Stück, eine beschwingte Ode an die Müdigkeit. Dass dieses Lied mit der doppelten Geste von Bestätigung und Ablehnung der eigenen Gebrechlichkeit zum Nachlass von James gehört, ist konsequent. Und dann der Song von Axl Rose, "You can taste the bright lights", heißt es da, "but you won't get them for free." Nur Etta James, gegangen durch die Höllen der rassistischen Ausgrenzung und beruflichen Ausbeutung, der Liebesdramen und Drogensucht, kann uns diese Lektion erteilen.
Etta James,
The Dreamer
Verve Forecast 1477301 (Universal)
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