viele emanzipiert Alleinerziehende, und vielleicht darum können wir uns neuerdings auf dem Buchmarkt und im Kino kaum mehr retten vor all den Ehekrächen, die das von Wahnsinnsgewitterwolken verschattete Haus der Musikerfamilie Schumann erschütterten.
Zu den wenigen, die auf diesen modischen Nippes pfeifen, ja, die im Schumann-Jahr auf Vokabeln wie "Spätwerk" oder "Krise" oder gar "Zerrüttung" ganz und gar verzichten, gehört der feine, junge Pianist Herbert Schuch. Aus Rumänien gebürtig, in Salzburg ausgebildet, hat Schuch schon einige wichtige Preise (Beethoven-Competition) gewonnen und drei eigenwillige Konzept-Alben vorgelegt, in denen er Musik von Schubert neben die von Lachenmann stellt oder Schumanns "Kreisleriana" neben Ravels "Miroirs". Sein neuestes Album heißt "Sehnsuchtswalzer" (Oehms OC 754/harmonia mundi). Wieder reicht ein kurzes Hineinhören (etwa in CD 1, Track 35, "Eusebius"), um zu bemerken, dass eine der Stärken dieses Klavierspielers das farbige Phrasieren ist, eine andere der flaumweiche Anschlag.
Eine kräftige Pranke hat Schuch aber auch, wo sie gebraucht wird. Und er stellt interessante Fragen. Warum hat Robert Schumann für seinen autobiographisch-enigmatischen "Carnaval"-Zyklus genau das gleiche Vorspiel verwendet wie zu den Variationen über Schuberts "Sehnsuchtswalzer"-Thema? Warum steht letzteres Thema nicht am Anfang der Variationen, wie üblich, sondern am Schluss? Was überhaupt ist die "Idee des Tanzes" bei Schumann, woher kommt sie?
Schuch spielt Schumanns Klavierzyklen Papillons op.2, Carnaval op. 9 und die sechs Intermezzi op.4 - geniale Kompositionen eines Twens, teils rätselhaft, teils wegweisend. Er spielt sie genau so: aufgeladen mit Versprechungen, Andeutung, Bedeutendem. Keine Spur von Spätwerkschatten liegt über dieser frisch und klar leuchtenden "Lieder ohne Worte"-Musik. Und Schuch geht, in der zweiten CD seines Doppelalbums, auf die Suche nach Schumanns Tanzmusik-Quellen: Sie enthält die Sehnsuchtswalzer-Variationen von Carl Czerny, auch Deutsche Tänze von Schubert selbst und stellt so den Kontext her zu einer versunkenen Zeit.
ELEONORE BÜNING
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