schwadronierte zum Rumpelpumpel seiner Band über Jugendlieben, Erektionsprobleme und kleine Brüder, die Mixtapes voller B-Seiten machen.
Plötzlich waren "Art Brut" eine erfolgreiche Band, die aussah wie fünf Proberaumfreunde, die versuchten, eine erfolgreiche Band zu parodieren - und gleichzeitig meinten sie es doch so viel ernster als all die aufgeblasenen Neo-Wave-Gockel auf den Magazincovern: "Art Brut" schafften es mit ihrer nachdrücklichen Unernsthaftigkeit, alle anderen Brit-Kollegen - die "Kaiser Chiefs", "Bloc Party", "Maximo Park", ja selbst die stürmischen "Arctic Monkeys" - wie strebsame Prog-Rocker aussehen zu lassen, die über ihre eigenen Bärte stolperten. Und diese Band sollte also wie all die anderen tatsächlich noch eine zweite Platte machen - mit höherem Studiobudget, Fortentwicklungsnot und all dem ganzen Quatsch?
"It's a bit complicated" heißt das neue Album, ein Titel, der nur so dampft vor Koketterie. Denn die Leichtigkeit, mit der sich "Art Brut" in ihren selbstgesteckten Grenzen weiterentwickeln, ohne sich entweder selbst zu imitieren oder ambitioniert zu verschrauben, macht perplex. Andererseits: Was kümmern "Art Brut" auch Kritiker, die sich Sorgen um den Unschuldsverlust von Popbands machen?
Die Themen kreisen weiterhin erfrischend unangestrengt um bislang unbesungene Offensichtlichkeiten: "Pump Up The Volume" thematisiert die Schwierigkeit, mit einem Mädchen zu knutschen, während man ihr eigentlich gleichzeitig einen irrsinnig guten Song vorspielen will: "I know I shouldn't / And it's possibly wrong / To break from your kiss / To turn up a pop song." Argos presst den Text durch seine viel zu engen Nebenhöhlen, und die Dringlichkeit, mit der er derlei undringliche Themen behandelt, ohne wie ein Idiot zu wirken, muss ihm erst mal jemand nachmachen. Es ist seine Inbrunst, die ihn nie zum Clown werden lässt, auch wenn er wirklich komisch sein kann: Im Song "St Pauli" leistet er sich einen dummdreisten deutsch gesungenen Refrain: "Punkrock ist nicht tot", deklamiert er, um irgendwann kurz einzuwerfen: "We are Hamburg school!" Lustiger wird es in der Popmusik dann erst wieder bei Randy Newman.
Das Erstaunliche ist wirklich, dass diese Lieder über Mixtape-Kompilieren und Beziehungsverhedderungen nie nerven. Wären "Art Brut" neunmalkluge Kunststudenten, die sich an der eigenen Cleverness berauschen, könnte man sie ärgerlich finden. Aber sie sind Kindsköpfe, die sich vermutlich selbst ständig wundern, dass ihre simple Musik bei mehr und mehr Menschen die innere Hüpfburg aufbläst. Der muntere, äußerst klassische Indierock der Platte hat aber auch gar nichts mit dem vermeintlich stilvollen, dabei aber eigentlich nur nachgebastelten Wave-Pop von anderen erfolgreichen Retrobands zu tun, die darauf zielen, die "Simple Minds" ihrer Generation zu werden. "Art Brut" dagegen klingen, als hätten "The Fall", "Weezer" und die "Pixies" gemeinsam eine Schülerband gegründet. Mit Eddie Argos als Sänger. Um es klar und uncharmant zu sagen: Argos ist dick, er hat schlechte Zähne, und er kann nicht singen. Er ist der tollste Popstar, den die Indie-Welt seit langem erlebt hat.
ERIC PFEIL
Art Brut, It's a bit complicated. EMI/Labels 396312
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