hochaktuellen Jazzpianisten Jacky Terrasson (und dessen Trio) hat er sich nach einem zufälligen Restaurant-Treff für seine Eskapaden auserkoren, der vielen etwas zu glatt, in seinem rasanten Virtuosentum und seiner Verarbeitungsphantasie aber der rechte Mann am rechten Platz ist.
Das Programm, das sich die beiden für ihre Tüfteleien ausgesucht haben, erscheint auf den ersten Blick etwas wohlfeil an Wunschkonzert-Hits orientiert: "Bolero" und "Pavane" von Ravel, die "Vier Jahreszeiten" von Vivaldi, der "Türkische Marsch" von Mozart und anderes. Aber die Paraphrasen und freien Phantasien führen so weit von den Vorlagen weg, daß der Spaß der thematischen Vexierspiele und Dekonstruktionen bei Spielern und Hörern durchaus gewährleistet ist. Keines der Themen erscheint in voller Originalgestalt. Der "Bolero" zum Beispiel wird gleich in einen ganz anderen, ungeraden lateinamerikanischen Rhythmus getunkt und in seine motivischen Einzelteile zerlegt, der "Türkische Marsch" als tapsiger Reggae abgehandelt, Rimskij-Korsakows "Hummelflug" melodisch neu erfunden.
Ein Kunststück dieser Einspielung besteht darin, daß Pahud nicht zum Swingen gezwungen wird - das können "Klassiker" nun mal nicht - und trotzdem sein Spiel sich problemlos mit mancherlei jazzigen Rhythmushintergründen verträgt. Den improvisatorischen Gestus (inwieweit einstudiert, bleibt sein Geheimnis) vermittelt Pahud dagegen mit lockerer Grandezza. Und hat so alle Möglichkeiten, das zu entfalten, was die mit der Flöte meistens nur als Zweitinstrument befaßten und einer ganz anderen Ausdrucksphilosophie verhafteten Jazzmusiker nicht bieten können: schwerelose Technik, sehnig zartes Zwerchfellvibrato und himmlisch sauber-satter Ton.
ULRICH OLSHAUSEN
Emmanuel Pahud-Jacky Terrasson, Into The Blue. Blue Note/EMI Classics 7243 557257
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