Waldes auf und geben sie als polyphone Chöre oder als Perkussionisten wieder an die Umwelt zurück."
Für Sonja Kandels war es nicht die erste Begegnung mit Schwarzafrika. Als Kind von Entwicklungshelfern verbrachte sie viele Jahre in Niger und Kamerun, wuchs dort mit urbanem Leben und ländlichen Traditionen auf. Den Kulturschock, zurück in Deutschland, kompensierte sie erst mit Malerei, dann mit Gesang. Noch während ihres Musikstudiums begann sie unter Kommilitonen nach Begleitern zu suchen, die ihre Vorstellung von afro-europäischem Jazz teilten. "Ich möchte eine Fusion erreichen, die tatsächlich für sich stehen kann", erklärt sie, "intellektueller Jazz mit etwas afrikanischer Perkussion ist mir ebenso zuwenig wie die üblichen Afro-Partysounds mit eingestreuten Improvisationen." In Paris oder Brüssel ist eine solche Melange dank vieler Musiker aus ehemaligen Kolonien schon lange etabliert, hier noch nicht.
Nach einigen Jahren im Quartett mit Hochschulfreunden entstand letztes Jahr Kandels' Debütalbum "God of Laughter". Die Premiere wurde zum Abschied, denn inzwischen ist die Band beinahe komplett neu besetzt. Für "westlichen" Jazz mit Weitblick stehen der britische Pianist Mark Reinke und der amerikanische Kontrabassist Gary Hoopengardner. Die Brücke zum Schwarzen Kontinent schlägt Schlagzeuger Daniel Schröteler, der sich schon vorher intensiv mit Rhythmen des Maghreb beschäftigte und zuweilen auf seinem gängigen Trommel-Set originäre Perkussions-Salven simuliert. Die afrikanische Hälfte der Band führt Abdourahmane Diop an, der mit kehliger, leicht angerauhter Stimme markante Phrasen und spritzige Trommelkommentare einwirft. Dazu kommen der Talking-Drum- und Boucarabou-Virtuose Samba Sock und Ali Keita, dessen jazzinspirierte Balafon-Patterns in Paris seit Jahren geschätzt werden. "Diese Besetzung bietet viele Freiräume für Improvisation", freut sich Kandels, "außerdem kann ich verschiedene Stücke auch mal im Duett oder in kleiner Besetzung spielen."
Die starke Band verleiht der Sängerin die Sicherheit, ihre durchdringenden Eskapaden gezielt einzusetzen. Mal lotet sie in dunkleren Tonlagen Blues-Stimmungen oder verleiht poetischen Balladen eine nachdenkliche Atmosphäre. Mal läßt sie ihre Stimme fröhlich durch sprunghafte Melodien tanzen und steigert sich in schneidende Afro-Scats. Die auf dem Album zuweilen anklingende Ambitioniertheit weicht zunehmend entspannterer Souveränität, gleichgültig, ob es sich um Adaptionen traditioneller Lieder oder eigene Kompositionen handelt, um Lautmalereien in Fantasiesprache oder "Spoken Poetry"-Zitate von Literaturnobelpreisträger Wole Soyinka. So kommt Sonja Kandels ihrem Ideal schrittweise näher. "Natürlich treibt mich auch die Sehnsucht nach den Wurzeln, wo Musik viel direkter mit der Persönlichkeit des Musikers verbunden ist." Nebenbei spielt sie gegen hierzulande gepflegte Stereotypen afrikanischer Kultur. "Alleine in Westafrika findet sich eine unüberschaubare Vielfalt von Musik und Sprachen, die alle Respekt verdienen", stellt Sonja Kandels fest, "und letztlich trägt ja jede Persönlichkeit etwas Fremdes in sich - doch findet man auch darin wieder Bekanntes."
NORBERT KRAMPF.
Heute spielt Sonja Kandels im Aschaffenburger Colos-Saal, am 15. September im Frankfurter Mousonturm, jeweils um 21 Uhr.
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