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Cold Roses
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CD 1
1
Magnolia Mountain
00:05:53
2
Sweet Illusions
00:05:02
3
Meadowlake Street
00:04:29
4
When Will You Come Back Home
00:04:52
5
Beautiful Sorta
00:03:01
6
Now That You're Gone
00:03:51
7
Cherry Lane
00:04:31
8
Mockingbird
00:04:47
9
How Do You Keep Love Alive
00:03:12
CD 2
1
Easy Plateau
00:05:12
2
Let It Ride
00:03:24
3
Rosebud
00:02:56
4
Cold Roses
00:04:36
5
If I Am A Stranger
00:04:38
6
Dance All Night
00:03:15
7
Blossom
00:03:15
8
Life Is Beautiful
00:04:29
9
Friends
00:04:45
10
Tonight
00:03:29
Cold Roses
Produktdetails
- Anzahl: 2 Audio CDs
- Erscheinungstermin: 17. Mai 2005
- Hersteller: Universal Vertrieb - A Divisio / Mercury,
- EAN: 0602498820209
- Artikelnr.: 20040058
Herstellerkennzeichnung
Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Mein ist die Trauer, spricht der Südstaaten-Rock'n'Roller
Die Jahre, die ihr noch nicht kennt: Macht Ryan Adams, der König des alternativen Country, eigentlich zu viele Platten?
Wie viele Platten darf einer im Jahr machen? Eine halbe? Das wäre normal: alle zwei Jahre eine. Oder doch eine ganze, wie die konstant Unermüdlichen das tun? Die Zeiten für den ganz großen Ausstoß sind jedenfalls vorbei und werden wohl auch nie wieder kommen. Jenseits des mit technischen Neuerungen und veränderten Vertriebswegen bewerkstelligten Strukturwandels der Popmusik ist die Ökonomie der Aufmerksamkeit immer noch wirksam: Wer zuviel macht, nervt, und zwar desto mehr, je weniger Neues es in seiner Sparte zu sagen gibt. Nur wer sich
Die Jahre, die ihr noch nicht kennt: Macht Ryan Adams, der König des alternativen Country, eigentlich zu viele Platten?
Wie viele Platten darf einer im Jahr machen? Eine halbe? Das wäre normal: alle zwei Jahre eine. Oder doch eine ganze, wie die konstant Unermüdlichen das tun? Die Zeiten für den ganz großen Ausstoß sind jedenfalls vorbei und werden wohl auch nie wieder kommen. Jenseits des mit technischen Neuerungen und veränderten Vertriebswegen bewerkstelligten Strukturwandels der Popmusik ist die Ökonomie der Aufmerksamkeit immer noch wirksam: Wer zuviel macht, nervt, und zwar desto mehr, je weniger Neues es in seiner Sparte zu sagen gibt. Nur wer sich
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rar macht, kann sicher sein, daß seine Wortmeldung ein Ereignis bedeutet. Es müssen ja nicht gleich fünfunddreißig Jahre dazwischenliegen wie bei der englischen Sängerin Vashti Bunyan. Die "Rolling Stones" veröffentlichten in ihren ersten beiden Jahren fünf Platten, Wilson Pickett und Aretha Franklin vier. Geschadet hat es ihnen nicht.
Der verliert die Kontrolle!
Der Fall des Ryan Adams ist in Kürze dieser: Im Spätherbst 2002 tauchte die Meldung auf, er würde im folgenden Jahr mindestens vier, wenn nicht sieben Platten machen; im Februar 2003 hieß es, zunächst erscheine eine Platte namens "Love Is Hell", über die Adams sich im Sommer dann aber derart defätistisch äußerte, daß es auf Druck der Plattenfirma hieß: Kommando zurück, Adams nimmt neu auf, und zwar unter dem Titel: "Rock'n'Roll". Es erschienen im November und Dezember 2003: eine Platte namens "Rock'n'Roll", dazu "Love Is Hell Part 1" und "Love Is Hell Part 2". Gleichzeitig hieß es, Adams werde bald nachlegen, und zwar kräftig. Auch gut, dachte man, vielleicht sollte man eine Sammelbesprechung machen. Das Jahr 2004 verstrich aber ohne eine einzige Ryan-Adams-Platte. Für eine Einzelbesprechung war es zu spät, und eine Sammelschau hätte sich noch nicht gelohnt. Fürs Jahr 2005 wurden dann, je nach Quelle, vier bis neun Ryan-Adams-Platten angekündigt. Im vergangenen Mai kam auch tatsächlich die Doppel-CD "Cold Roses" heraus. Aber die jetzt einzeln zu besprechen, sozusagen aus heiterem Himmel, das hätte komisch ausgesehen. Und es wurde ja Weiteres angekündigt, so daß man dachte, gut, wenn es so weit ist, kann man die Sammelbesprechung ja immer noch machen. Doch als im Frühherbst "Jacksonville City Nights" erschien, hieß es, auch diese Platte werde noch ein Geschwisterchen bekommen, Adams habe noch das Album "81" in der Schublade, und das Tolle daran sei, so wurde Adams nun selber zitiert, daß da neun Lieder von jeweils genau neun Minuten Länge drauf sein würden. Kurz vor Weihnachten schickte die Plattenfirma ein Promoexemplar mit dem Titel "29" und legte als Erscheinungstermin den 6. Januar 2006 fest.
Heute haben wir den 7., und selbst wenn noch mehr von dem Irren aus Raleigh, North Carolina, kommt: Dies ist der Tag, unsere Jahre oder vielmehr "Jahrende" ("Buddenbrooks") mit Ryan vor unserem geistigen Ohr abzuspulen.
"Rock'n'Roll" war so, wie diese Musik sein sollte: hart und schnell, durchgeknüppelt geradezu, mit scharfkantigen Akzenten und jederzeit punknah. Adams, der auf seinem zweiten Soloalbum "Gold" staatsmännisch klar klingt, hatte sich auf einer Dauertournee heiser gebrüllt oder gesoffen und vermittelte über weite Strecken tatsächlich wieder jene Euphorie, die dem "Gold"-Nachfolger "Demolition" abging. Endlich bekam man wieder ein Gefühl dafür, wo Adams eigentlich herkam: aus der Band "Whiskeytown", der es zufiel, Country und Punkrock zu vermengen. Das beste Stück war "She's Lost Total Control".
Die Kontrolle verloren: Das galt in der Folge für Adams selbst, denn der Doppelschlag "Love Is Hell" ging so gut wie daneben. Zwar wurden die als sogenannte EPs angekündigten, aber trotzdem normale Länge aufweisenden Alben als bisher massivste Stilabweichungen willkommen geheißen; aber in den Besprechungen war auffällig oft von "magischen Momenten" die Rede, die natürlich nur einem wie Adams gelingen könnten, und das konnte kein gutes Zeichen sein. Man muß, um es diplomatisch zu formulieren, diese vergrübelte, betont skizzenhafte Musik, die sich kaum einmal hochwuchtet zu früherer Pracht, mögen, in sie und vor allem sich hineinlauschen, dann funktioniert es halbwegs, wie in dem raffinierten Sehnsuchtssong "Afraid Not Scared" vom ersten Teil, der immerhin noch eine Pickingversion des "Oasis"-Klassikers "Wonderwall" enthält.
Anderes soff ihm komplett ab, vor allem die ärgerlich weggedimmten Klavierballaden. "Part 2" rettet den Aufritt dann doch noch, man höre hier das herzerweichende "Please Do Not Let Me Go", das fast schon rockige "City Rain, City Streets" und die sich schon im Titel verratende, gelungene Dylan-Imitation "English Girls Approximately", bei der Marianne Faithfull knapp an der Hörgrenze mitsingt. Aber gerade das bessere, entschlossener und noch dazu mit dem Gitarrenalleskönner Greg Leisz eingespielte Material zeigte, wie sehr diesem Ausnahmemusiker die alte strukturelle Klarheit abhanden gekommen war. Aus Adams war ein richtiger Jammerlappen geworden, der Freude daran zu haben schien, die Konturen seiner Musik zu verwischen. Spürbar hatte er diese neue aus dem Bedürfnis heraus gemacht, einmal zu probieren, ob ihm die Siebenmeilenstiefel, mit denen Townes Van Zandt seine trostlosen Seelenlandschaften abschritt, nicht vielleicht auch passen. Sie kneifen doch ganz gehörig, der alte Rüpel steht ihm besser, und es ist eben doch ein Unterschied, ob einer sich im Suff probeweise selbst bemitleidet oder von Natur aus dazu verdammt ist, wie Townes Van Zandt dies zeitlebens war.
Machen wir einen Sprung ins Jahr 2005, wo im Mai das Doppelalbum "Cold Roses" herauskam, welche als Kondensat aus beiden die bis heute beste Ryan-Adams-Platte seit "Gold" hätte werden können. Hier läuft er fast wieder zu alter Form auf, woran seine neue Begleitung ihren Anteil hat, "The Cardinals", das sind: J.P. Bowersock (Gitarre), Cindy Cashdollar (Lap- und Steelgitarre), Brad Pemberton (Schlagzeug) und Catherine Popper (Baß), gute, akzentuiert vorgehende Musiker, mit Namen fast wie damals die bei Zappa/Beefheart. Das knapp sechsminütige "Magnolia Mountain" hat diese quengelnden Gitarrenakkorde, mit denen Adams sich einst in allen Lagern Respekt verschaffte. Es ist dieser körnig-gedrängte und doch etwas windschiefe Sound, den er live nach Belieben dehnen kann und der sich hier in einigen Geradeausrockern ("Beautiful Sorta") wiederfindet. Doch Adams hat hier auch Vermischtes, Skurriles zu bieten, zum Beispiel "Cherry Lane", das nach einem feinnervig-flirrenden Akustikanfang in Jodelei übergeht. Wie schon bei "Love Is Hell", so ist auch hier die zweite Hälfte die bessere. Das Titelstück ist ganz unschlagbar, niemand singt heute "Saturday" - Signalwort für erlebnishungrige Rock'n'Roller, bevor der Sonntagmorgen die Ernüchterung bringt - so wie er. Herausragend sind auch das selten gutmütige "If I Am A Stranger" und der Bonustitel "Tonight", der ganz in den Sog von Adams' wiedergewonnener Kraft gerät.
Es ist eine Freude zu hören, wie "Cold Roses" wieder zur Mischung aus Ruppigkeit und Sentiment gefunden hat, die Adams berühmt machte und recht eigentlich jede gute alternative Musik seit "Big Star" oder "Hüsker Dü" auszeichnet. Daß Adams sich diese Errungenschaften auf seinem angestammten Terrain zu eigen macht, spricht für eine Entwicklung, die mit Verkaufszahlen nicht zu erfassen ist.
"Jacksonville City Nights", wieder mit den "Cardinals", hält dieses Niveau annähernd, irritiert aber mit der Wehleidigkeit der Liebes- und Höllenphase: "One Shot, One Beer and A Kiss Before I Go" setzt das mit steel guitar fast aufdringlich untermalte Signal zu einem Countrytraditionalismus, dem Adams sich nie so ergab wie hier. Das fiedelt und klimpert und schlingert dann so vor sich hin und kommt stellenweise Kenny Rogers gefährlich nahe, indem nämlich das an sich schöne "PA" oberflächlich wie "Lucille" klingt, aber dann doch die Kurve Richtung Rootsrock Marke "Wilco" kriegt. Anderes wie "Trains" kommt humoristisch-kauzig daher: der klassische Übermut, der sich in Geschrammel Bahn bricht. Dergleichen ist vom Milchbubi Conor Oberst ("Bright Eyes") aber ebensogut zu haben. Richtig unheimlich wird's dann in dem Song, der schon durch den Erscheinungsmonat der ganzen Platte herausgehoben ist: "September", eine totenbleiche und -stille Moritat über Lebensmüdigkeit. Dann greint dieser vitale Südstaatler über vertane oder von Anfang an vergebliche Liebe: "Oh gal, oh gal, with your darkened eyes" ("Don't Fail Me Now"). Überhaupt schmeckt das meiste nach Budweiser oder Southern Comfort, so klebrig-trunken und selbstverloren war selbst das Debüt "Heartbreaker" nicht. Da muß es der Promifaktor rausreißen: Norah Jones stellt ihre Trantütigkeit für ein Duett zur Verfügung ("Dear John"), ansonsten vergreift Adams sich an Klassikern ("Always On My Mind").
Und nun, ganz frisch, "29", die vertrackteste Platte überhaupt: neun im Schnitt fünfeinhalb Minuten lange und für Adams-Verhältnisse recht textlastige Lieder, die im Innencover mit dieser billigen Typoskriptästhetik aufgemacht sind wie eine richtige Independentplatte und stellenweise auch so klingen, obwohl der Meisterproduzent Ethan Johns wieder mit an Bord ist, der normalerweise für einen satten Klang sorgt. Aber dies ist keine normale Platte. Spürbar ist Adams in seiner Hyperaktivität an einem Punkt angekommen, der Besinnung verlangt und die er sich in den mit Streichern unterlegten Klaviernummern, mit denen er die Hälfte der Zeit bestreitet, auch reichlich genehmigt.
Die Texte sind verrätselter; unheilvoll raunt Adams seine Landschaftsmetaphern, fragt den blauen Himmel, wann der das Regnen endlich lerne ("Blue Sky Blues"), erzählt von einer Zugfahrt in den Regierungsbezirk Mecklenburg seiner Heimat ("Carolina Rain") und versinkt wieder und wieder in Liebesleid ("Starlite Diner"). Die ganz zärtlichen Töne, die er hier anschlägt und bis zum Falsett treibt, wirken bei einem wie ihm aufgesetzt - hoffentlich ergeht es ihm nicht wie Bruce Springsteen, und er macht irgendwann nur noch so etwas. Dagegen knallt er dann "The Sadness", einen hallenden Texmexverschnitt irgendwo zwischen Hank Marvins "Shadows", Willie DeVille und "Los Bravos", in dem sich die Dauerklage, als die wir seine Kunst zu hören haben, majestätisch verdichtet: "The sadness is mine." Ganz bei sich ist er schließlich in dem kapitalen, behutsamst instrumentierten Achtminüter "Strawberry Wine", ein exemplarisches, brillant betextetes und sehr sentimentales Stück über das falsche Leben im an sich richtigen, mit einer anspruchslosen und doch direkt zu Herzen gehenden Melodie.
Nie wieder Gold?
Ryan Adams wird vermutlich nie wieder eine Platte wie "Gold" machen. Das hat auch sein Gutes: Man begreift immer mehr, wie genial diese Platte in ihrer enzyklopädischen Komplettheit und Wucht war. Sie war der rare Fall, in dem der Interpret bei jedem Lied zu wissen schien, was er wollte. Adams legte damit vielleicht die beste Rockplatte des Jahrzehnts gleich an dessen Anfang vor. Diesen Wurf zu wiederholen, weigert sich der talentierteste, vielseitigste und zäheste alternative Countryrocker seiner Generation. Die Aufsässigkeit, die sich in einem alles gegen den Strich bürstenden Traditionalismus äußerte, ist dahin; der Mut aber nicht, der sich einst darin äußerte, mit vertrauten Mustern auf eine schon provozierend rockklassische Weise zu verfahren.
Heute gehorcht Adams einem anderen Motto: öfter mal aus der Hüfte schießen. Ob er sich damit auf die Dauer einen Gefallen tut? Von Young- und Dylan-Vergleichen wird man auch in Zukunft nicht absehen können; aber seine Autorität hat ein wenig gelitten, weil er so viel macht. An gänzlich neue Stile hat er sich noch nicht gewagt. Seine Musik ist mutwilliger, interessanter geworden, sie hat mehr Gefühl, aber weniger Halt. Auf ihr liegt, lastender als früher, die wissende Schwermut des Südens. Die Variationen, die er sich gönnt und uns zumutet, verfeinern, vertiefen das Americana-Genre - das beste, das die Popmusik nach wie vor zu bieten hat. Vorläufig fällt die Bilanz durchwachsen aus.
EDO REENTS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der verliert die Kontrolle!
Der Fall des Ryan Adams ist in Kürze dieser: Im Spätherbst 2002 tauchte die Meldung auf, er würde im folgenden Jahr mindestens vier, wenn nicht sieben Platten machen; im Februar 2003 hieß es, zunächst erscheine eine Platte namens "Love Is Hell", über die Adams sich im Sommer dann aber derart defätistisch äußerte, daß es auf Druck der Plattenfirma hieß: Kommando zurück, Adams nimmt neu auf, und zwar unter dem Titel: "Rock'n'Roll". Es erschienen im November und Dezember 2003: eine Platte namens "Rock'n'Roll", dazu "Love Is Hell Part 1" und "Love Is Hell Part 2". Gleichzeitig hieß es, Adams werde bald nachlegen, und zwar kräftig. Auch gut, dachte man, vielleicht sollte man eine Sammelbesprechung machen. Das Jahr 2004 verstrich aber ohne eine einzige Ryan-Adams-Platte. Für eine Einzelbesprechung war es zu spät, und eine Sammelschau hätte sich noch nicht gelohnt. Fürs Jahr 2005 wurden dann, je nach Quelle, vier bis neun Ryan-Adams-Platten angekündigt. Im vergangenen Mai kam auch tatsächlich die Doppel-CD "Cold Roses" heraus. Aber die jetzt einzeln zu besprechen, sozusagen aus heiterem Himmel, das hätte komisch ausgesehen. Und es wurde ja Weiteres angekündigt, so daß man dachte, gut, wenn es so weit ist, kann man die Sammelbesprechung ja immer noch machen. Doch als im Frühherbst "Jacksonville City Nights" erschien, hieß es, auch diese Platte werde noch ein Geschwisterchen bekommen, Adams habe noch das Album "81" in der Schublade, und das Tolle daran sei, so wurde Adams nun selber zitiert, daß da neun Lieder von jeweils genau neun Minuten Länge drauf sein würden. Kurz vor Weihnachten schickte die Plattenfirma ein Promoexemplar mit dem Titel "29" und legte als Erscheinungstermin den 6. Januar 2006 fest.
Heute haben wir den 7., und selbst wenn noch mehr von dem Irren aus Raleigh, North Carolina, kommt: Dies ist der Tag, unsere Jahre oder vielmehr "Jahrende" ("Buddenbrooks") mit Ryan vor unserem geistigen Ohr abzuspulen.
"Rock'n'Roll" war so, wie diese Musik sein sollte: hart und schnell, durchgeknüppelt geradezu, mit scharfkantigen Akzenten und jederzeit punknah. Adams, der auf seinem zweiten Soloalbum "Gold" staatsmännisch klar klingt, hatte sich auf einer Dauertournee heiser gebrüllt oder gesoffen und vermittelte über weite Strecken tatsächlich wieder jene Euphorie, die dem "Gold"-Nachfolger "Demolition" abging. Endlich bekam man wieder ein Gefühl dafür, wo Adams eigentlich herkam: aus der Band "Whiskeytown", der es zufiel, Country und Punkrock zu vermengen. Das beste Stück war "She's Lost Total Control".
Die Kontrolle verloren: Das galt in der Folge für Adams selbst, denn der Doppelschlag "Love Is Hell" ging so gut wie daneben. Zwar wurden die als sogenannte EPs angekündigten, aber trotzdem normale Länge aufweisenden Alben als bisher massivste Stilabweichungen willkommen geheißen; aber in den Besprechungen war auffällig oft von "magischen Momenten" die Rede, die natürlich nur einem wie Adams gelingen könnten, und das konnte kein gutes Zeichen sein. Man muß, um es diplomatisch zu formulieren, diese vergrübelte, betont skizzenhafte Musik, die sich kaum einmal hochwuchtet zu früherer Pracht, mögen, in sie und vor allem sich hineinlauschen, dann funktioniert es halbwegs, wie in dem raffinierten Sehnsuchtssong "Afraid Not Scared" vom ersten Teil, der immerhin noch eine Pickingversion des "Oasis"-Klassikers "Wonderwall" enthält.
Anderes soff ihm komplett ab, vor allem die ärgerlich weggedimmten Klavierballaden. "Part 2" rettet den Aufritt dann doch noch, man höre hier das herzerweichende "Please Do Not Let Me Go", das fast schon rockige "City Rain, City Streets" und die sich schon im Titel verratende, gelungene Dylan-Imitation "English Girls Approximately", bei der Marianne Faithfull knapp an der Hörgrenze mitsingt. Aber gerade das bessere, entschlossener und noch dazu mit dem Gitarrenalleskönner Greg Leisz eingespielte Material zeigte, wie sehr diesem Ausnahmemusiker die alte strukturelle Klarheit abhanden gekommen war. Aus Adams war ein richtiger Jammerlappen geworden, der Freude daran zu haben schien, die Konturen seiner Musik zu verwischen. Spürbar hatte er diese neue aus dem Bedürfnis heraus gemacht, einmal zu probieren, ob ihm die Siebenmeilenstiefel, mit denen Townes Van Zandt seine trostlosen Seelenlandschaften abschritt, nicht vielleicht auch passen. Sie kneifen doch ganz gehörig, der alte Rüpel steht ihm besser, und es ist eben doch ein Unterschied, ob einer sich im Suff probeweise selbst bemitleidet oder von Natur aus dazu verdammt ist, wie Townes Van Zandt dies zeitlebens war.
Machen wir einen Sprung ins Jahr 2005, wo im Mai das Doppelalbum "Cold Roses" herauskam, welche als Kondensat aus beiden die bis heute beste Ryan-Adams-Platte seit "Gold" hätte werden können. Hier läuft er fast wieder zu alter Form auf, woran seine neue Begleitung ihren Anteil hat, "The Cardinals", das sind: J.P. Bowersock (Gitarre), Cindy Cashdollar (Lap- und Steelgitarre), Brad Pemberton (Schlagzeug) und Catherine Popper (Baß), gute, akzentuiert vorgehende Musiker, mit Namen fast wie damals die bei Zappa/Beefheart. Das knapp sechsminütige "Magnolia Mountain" hat diese quengelnden Gitarrenakkorde, mit denen Adams sich einst in allen Lagern Respekt verschaffte. Es ist dieser körnig-gedrängte und doch etwas windschiefe Sound, den er live nach Belieben dehnen kann und der sich hier in einigen Geradeausrockern ("Beautiful Sorta") wiederfindet. Doch Adams hat hier auch Vermischtes, Skurriles zu bieten, zum Beispiel "Cherry Lane", das nach einem feinnervig-flirrenden Akustikanfang in Jodelei übergeht. Wie schon bei "Love Is Hell", so ist auch hier die zweite Hälfte die bessere. Das Titelstück ist ganz unschlagbar, niemand singt heute "Saturday" - Signalwort für erlebnishungrige Rock'n'Roller, bevor der Sonntagmorgen die Ernüchterung bringt - so wie er. Herausragend sind auch das selten gutmütige "If I Am A Stranger" und der Bonustitel "Tonight", der ganz in den Sog von Adams' wiedergewonnener Kraft gerät.
Es ist eine Freude zu hören, wie "Cold Roses" wieder zur Mischung aus Ruppigkeit und Sentiment gefunden hat, die Adams berühmt machte und recht eigentlich jede gute alternative Musik seit "Big Star" oder "Hüsker Dü" auszeichnet. Daß Adams sich diese Errungenschaften auf seinem angestammten Terrain zu eigen macht, spricht für eine Entwicklung, die mit Verkaufszahlen nicht zu erfassen ist.
"Jacksonville City Nights", wieder mit den "Cardinals", hält dieses Niveau annähernd, irritiert aber mit der Wehleidigkeit der Liebes- und Höllenphase: "One Shot, One Beer and A Kiss Before I Go" setzt das mit steel guitar fast aufdringlich untermalte Signal zu einem Countrytraditionalismus, dem Adams sich nie so ergab wie hier. Das fiedelt und klimpert und schlingert dann so vor sich hin und kommt stellenweise Kenny Rogers gefährlich nahe, indem nämlich das an sich schöne "PA" oberflächlich wie "Lucille" klingt, aber dann doch die Kurve Richtung Rootsrock Marke "Wilco" kriegt. Anderes wie "Trains" kommt humoristisch-kauzig daher: der klassische Übermut, der sich in Geschrammel Bahn bricht. Dergleichen ist vom Milchbubi Conor Oberst ("Bright Eyes") aber ebensogut zu haben. Richtig unheimlich wird's dann in dem Song, der schon durch den Erscheinungsmonat der ganzen Platte herausgehoben ist: "September", eine totenbleiche und -stille Moritat über Lebensmüdigkeit. Dann greint dieser vitale Südstaatler über vertane oder von Anfang an vergebliche Liebe: "Oh gal, oh gal, with your darkened eyes" ("Don't Fail Me Now"). Überhaupt schmeckt das meiste nach Budweiser oder Southern Comfort, so klebrig-trunken und selbstverloren war selbst das Debüt "Heartbreaker" nicht. Da muß es der Promifaktor rausreißen: Norah Jones stellt ihre Trantütigkeit für ein Duett zur Verfügung ("Dear John"), ansonsten vergreift Adams sich an Klassikern ("Always On My Mind").
Und nun, ganz frisch, "29", die vertrackteste Platte überhaupt: neun im Schnitt fünfeinhalb Minuten lange und für Adams-Verhältnisse recht textlastige Lieder, die im Innencover mit dieser billigen Typoskriptästhetik aufgemacht sind wie eine richtige Independentplatte und stellenweise auch so klingen, obwohl der Meisterproduzent Ethan Johns wieder mit an Bord ist, der normalerweise für einen satten Klang sorgt. Aber dies ist keine normale Platte. Spürbar ist Adams in seiner Hyperaktivität an einem Punkt angekommen, der Besinnung verlangt und die er sich in den mit Streichern unterlegten Klaviernummern, mit denen er die Hälfte der Zeit bestreitet, auch reichlich genehmigt.
Die Texte sind verrätselter; unheilvoll raunt Adams seine Landschaftsmetaphern, fragt den blauen Himmel, wann der das Regnen endlich lerne ("Blue Sky Blues"), erzählt von einer Zugfahrt in den Regierungsbezirk Mecklenburg seiner Heimat ("Carolina Rain") und versinkt wieder und wieder in Liebesleid ("Starlite Diner"). Die ganz zärtlichen Töne, die er hier anschlägt und bis zum Falsett treibt, wirken bei einem wie ihm aufgesetzt - hoffentlich ergeht es ihm nicht wie Bruce Springsteen, und er macht irgendwann nur noch so etwas. Dagegen knallt er dann "The Sadness", einen hallenden Texmexverschnitt irgendwo zwischen Hank Marvins "Shadows", Willie DeVille und "Los Bravos", in dem sich die Dauerklage, als die wir seine Kunst zu hören haben, majestätisch verdichtet: "The sadness is mine." Ganz bei sich ist er schließlich in dem kapitalen, behutsamst instrumentierten Achtminüter "Strawberry Wine", ein exemplarisches, brillant betextetes und sehr sentimentales Stück über das falsche Leben im an sich richtigen, mit einer anspruchslosen und doch direkt zu Herzen gehenden Melodie.
Nie wieder Gold?
Ryan Adams wird vermutlich nie wieder eine Platte wie "Gold" machen. Das hat auch sein Gutes: Man begreift immer mehr, wie genial diese Platte in ihrer enzyklopädischen Komplettheit und Wucht war. Sie war der rare Fall, in dem der Interpret bei jedem Lied zu wissen schien, was er wollte. Adams legte damit vielleicht die beste Rockplatte des Jahrzehnts gleich an dessen Anfang vor. Diesen Wurf zu wiederholen, weigert sich der talentierteste, vielseitigste und zäheste alternative Countryrocker seiner Generation. Die Aufsässigkeit, die sich in einem alles gegen den Strich bürstenden Traditionalismus äußerte, ist dahin; der Mut aber nicht, der sich einst darin äußerte, mit vertrauten Mustern auf eine schon provozierend rockklassische Weise zu verfahren.
Heute gehorcht Adams einem anderen Motto: öfter mal aus der Hüfte schießen. Ob er sich damit auf die Dauer einen Gefallen tut? Von Young- und Dylan-Vergleichen wird man auch in Zukunft nicht absehen können; aber seine Autorität hat ein wenig gelitten, weil er so viel macht. An gänzlich neue Stile hat er sich noch nicht gewagt. Seine Musik ist mutwilliger, interessanter geworden, sie hat mehr Gefühl, aber weniger Halt. Auf ihr liegt, lastender als früher, die wissende Schwermut des Südens. Die Variationen, die er sich gönnt und uns zumutet, verfeinern, vertiefen das Americana-Genre - das beste, das die Popmusik nach wie vor zu bieten hat. Vorläufig fällt die Bilanz durchwachsen aus.
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sehr viel folk, bluesig angehaucht.
nicht so sauber produziert wie "gold", und genau dieses rauhe macht den reiz aus.
ryan adams fans werden nicht enttäuscht!
also: kaufen!
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