
Hakan Nesser
Audio-CD
Mensch ohne Hund / Inspektor Gunnar Barbarotti Bd.1 (6 Audio-CDs)
Krimilesung. Gekürzte Lesefassung. 452 Min.
Gesprochen von Bär, Dietmar
Nicht lieferbar
"... als Hörbuch mit dem kongenialen Nesser-Spezialisten Dietmar Bär." Rhein-Neckar-Kultur
"Der Beste!" Brigitte-Kultur
"Dietmar Bär liest den fesselnden, demaskierenden Plot auf gewohnt souveräne Weise." ekz
"Der Beste!" Brigitte-Kultur
"Dietmar Bär liest den fesselnden, demaskierenden Plot auf gewohnt souveräne Weise." ekz
Håkan Nesser, geboren 1950, ist einer der interessantesten und aufregendsten Krimiautoren Schwedens. Für seine Kriminalromane um Kommissar Van Veeteren erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, sie sind in mehrere Sprachen übersetzt und wurden erfolgreich verfilmt. Daneben schreibt er Psychothriller. "Kim Novak badete nie im See von Genezareth" oder "Und Piccadilly Circus liegt nicht in Kumla" gelten inzwischen als Klassiker in Schweden, werden als Schullektüre eingesetzt, und haben seinen Ruf als großartiger Stilist nachhaltig begründet. Håkan Nesser lebt mit seiner Frau in London und auf Gotland. 2011 wurde er mit dem "Ripper Award", dem Europäischen Preis für Kriminalliteratur ausgezeichnet.
Produktdetails
- Verlag: Random House Audio
- Gesamtlaufzeit: 452 Min.
- Erscheinungstermin: August 2007
- Sprache: Deutsch
- ISBN-13: 9783866047051
- Artikelnr.: 22816955
Herstellerkennzeichnung
Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Warum wir das Morden im Norden lieben
Unter den schwedischen Krimi-Exporten ist Håkan Nesser wohl der beste Schriftsteller. Nun hat er einen neuen Kommissar erfunden, der in "Mensch ohne Hund" zum ersten Mal ermittelt
Es gibt dort oben ja entschieden zu viele Mücken im Sommer, im Winter herrschen Dunkelheit und arktische Kälte, welche die Menschen in tiefste Schwermut treiben wie in den Filmen Ingmar Bergmans; auch sind in Deutschland nur wenige der Landessprache mächtig, und dennoch ist da eine große Gemeinde für alles Schwedische, nicht erst, seit wir dort auch Königin sind, lange bevor wir in Rom Papst waren. Wir leben zwischen Tischen, Sesseln und Lampen, die auf besonders nordische Namen hören. Und was den
Unter den schwedischen Krimi-Exporten ist Håkan Nesser wohl der beste Schriftsteller. Nun hat er einen neuen Kommissar erfunden, der in "Mensch ohne Hund" zum ersten Mal ermittelt
Es gibt dort oben ja entschieden zu viele Mücken im Sommer, im Winter herrschen Dunkelheit und arktische Kälte, welche die Menschen in tiefste Schwermut treiben wie in den Filmen Ingmar Bergmans; auch sind in Deutschland nur wenige der Landessprache mächtig, und dennoch ist da eine große Gemeinde für alles Schwedische, nicht erst, seit wir dort auch Königin sind, lange bevor wir in Rom Papst waren. Wir leben zwischen Tischen, Sesseln und Lampen, die auf besonders nordische Namen hören. Und was den
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Kindern seit Jahrzehnten Astrid Lindgren ist, das sind den Erwachsenen schwedische Krimiautoren. Das Paar Sjöwall/Wahlöö hatte bis in die neunziger Jahre hinein eine Art Monopol für seine marxistisch inspirierten Romane, weil sonst kaum jemand Krimis schrieb, dann tauchte Henning Mankell auf, es kamen Leif GW Persson, Liza Marklund, Helene Tursten und Håkan Nesser. In Schweden erscheinen mittlerweile jährlich mehr als fünfzig Kriminalromane, was bei einem Land mit rund neun Millionen Einwohnern rekordverdächtig ist.
Warum das Morden im Norden so attraktiv ist, ob es an den depressiven, mürrischen Kommissaren mit ihren Gewichts- und Eheproblemen liegt, ob da eine geheime deutsch-schwedische Seelenverwandtschaft ist, die Geschichten von düsteren Verbrechen und hellen Kiefernmöbeln zu Bestsellern macht, das ist schwer zu sagen; wohingegen es ziemlich leicht zu verstehen ist, warum künstliche Paradiese wie Bullerbü und Lönneberga oder die Einödbauernidylle des alten Pettersson und seines Katers Findus auch von Erwachsenen gerne besucht werden. Wie das beides zusammenpasst, die oft tödliche Gemütsschwere und die unbeschwerte Kindheit, das hat uns bisher kein schwedischer Krimiautor erklären können.
Auch der Bestsellerautor Håkan Nesser nicht, der sicher der beste Schriftsteller unter den bei uns bekannten Schweden ist und der interessantere Charaktere erfunden hat, als es, nur zum Beispiel, Mankells sozialdemokratisierter Kurt Wallander ist. Der 57-jährige Nesser ist ein Spätstarter. Mit 38 hat er seinen ersten Roman veröffentlicht. Vorher war er Gymnasiallehrer, und wenn die Schüler Aufsätze schrieben, schrieb er an einem Manuskript. Irgendwann konnte er dann in Ruhe zu Hause arbeiten, und seit 1988 hat er daher zwanzig Bücher publiziert, die durchweg komplexer und literarisch ambitionierter sind als die Arbeiten anderer Vielschreiber.
Einige seiner Romane aus der Serie um Kommissar Van Veeteren sind, wie die Romane vom Kollegen Mankell, längst vom Fernsehen verfilmt worden, wobei sie da schwedischer aussehen, als sie es auf den Buchseiten sind, was womöglich auch die Idiotie erklärt, mit der die "Bild am Sonntag" Nessers "Schweden-Krimis" preist und der Verlag das artig auf dem Buchumschlag nachdruckt, obwohl sich Håkan Nesser schon etwas dabei gedacht haben wird, als er für die Van-Veeteren-Dekalogie Städte, Dörfer und Kneipen in einem namenlosen Land errichtete und sie so benannte, dass alles sehr niederländisch klingt.
Die Orte heißen Maardam oder Kaalbringen, es gibt Gulden, Hausboote und Kanäle, nur von Schären, Holzhäusern oder Smörgåsbord ist nicht die Rede. "Die Landschaft in einem Roman", hat Nesser gesagt, "ist so wichtig, dass man es nicht der Natur überlassen kann, sie zu schaffen." Und wer nicht in Van Veeteren das Echo des Krimikollegen van de Wetering hört, dem ist sowieso nicht zu helfen.
Auch Van Veeteren hat natürlich familiäre Probleme, er lässt sich scheiden, er verliert einen Sohn, und er hat sich, wie jeder Serienheld, in einer Welt voller Echos, Querverweise und Motive eingerichtet, die nicht einfach Wiederholungen sind, sondern denen man sofort anmerkt, dass sie dem fortlaufenden Ausbau eines fiktionalen Universums dienen. Spätestens als "Sein letzter Fall" erschien, war da jedoch das Gefühl, Van Veeteren habe sich überlebt, weil die Bücher immer selbstbezüglicher geworden waren, und man kann, auch wenn die Geschichte sich nicht schlecht liest, behaupten, dass die Basisidee aus Hitchcocks Film "Vertigo" beziehungsweise dem Roman von Boileau/Narcejac importiert und für die Van-Veeteren-Welt ein wenig variiert wurde.
Nach zehn Büchern hatte Nesser dann offenbar genug, fünf Romane hatte Van Veeteren ohnehin schon nicht mehr im Polizeidienst, sondern als Antiquar verbracht; das ewige Schachspielen, die ewigen Eheprobleme, die immer gleiche Interaktion mit den Inspektoren hatten sich erschöpft. Obwohl es natürlich immer eine Double-bind-Beziehung gibt: Leser wollen ihren vertrauten Helden haben, um sich dann hinterher leise zu beschweren, viel Neues gebe es da ja nicht.
Vielleicht war es deshalb auch nicht Håkan Nessers zwingendste Idee, sich gleich einen neuen Serienhelden zu suchen, der Gunnar Barbarotti heißt, weil er einer früh gescheiterten schwedisch-italienischen Ehe entstammt, dessen Dienst allerdings von vornherein auf vier Bücher befristet ist. Auf Schwedisch gibt es bereits zwei, auf Deutsch bislang nur das erste. Es heißt "Mensch ohne Hund", und es stellt die Familie Hermansson, um die es geht, fast ein wenig lieblos vor uns hin: ein pensioniertes Lehrerehepaar, der Mann kaum mehr als eine Steißtrommler-Karikatur, drei erwachsene Kinder, zwei Schwiegersöhne, drei Enkel. Und es mag Nesser ja vorgeschwebt haben, die Mordfälle als Katalysator familiärer Krisen zu benutzen, doch dazu hätte es ein bisschen mehr Sorgfalt im Detail gebraucht.
Die Ausgangskonstellation allerdings ist klassisch. Barbarotti beschreibt sie so: "Wir haben zwei Personen, einen Onkel und einen Neffen. Gemeinsam mit einigen Verwandten kommen sie ein paar Tage vor Weihnachten zusammen, um ein Familienfest zu feiern. In der ersten Nacht verschwindet der Onkel spurlos. In der nächsten Nacht verschwindet der Neffe spurlos. Warum?"
Das ist gut und klar und richtig. Aber es muss einen eben auch der Mann interessieren, der eine Antwort auf das Warum finden soll. Dass Barbarotti eine Art private Punkteliste mit Gott führt, deren Schlussbilanz seine Existenz oder Nicht-Existenz beweisen soll, ist im Vergleich zum Agnostiker Van Veeteren eine Neuerung - aber keine, die einen übermäßig reizte. Ansonsten ist auch Gunnar Barbarotti geschieden, er hat eine heiße Affäre und eine 18-jährige Tochter, die bei ihm lebt, im fiktiven schwedischen Städtchen Kymlinge, von wo aus man in reale Städte wie Stockholm oder Uppsala fahren kann.
Nesser benutzt ein bewährtes Verfahren, um die Spannung zu schüren, die Vermutungen des Lesers zu enttäuschen und ihn genau dadurch zu fesseln. Es ist, als stieße jeder Ermittlungsschritt gegen eine unsichtbare Wand, an der alle Spuren enden. Das Entscheidende an solchen unlösbar erscheinenden Rätselaufgaben jedoch ist: Wie kommt man hinaus, ohne sich an Logik und Wahrscheinlichkeit zu vergehen oder willkürliche Volten zu schlagen, die einen Täter präsentieren, mit dem niemand hat rechnen können?
Nesser schafft es mit Geschick und Routine, die Ermittlungen an den toten Punkt zu führen - allerdings nur für den Kommissar, wohingegen er für den Leser in einzelnen Kapiteln Informationen einstreut, welche der Kommissar nicht hat, die das Ganze jedoch auf ein sehr absehbares Ende zutreiben lassen. Und wie der Kommissar dann die Fäden entwirrt, ist auch nicht mehr allzu aufregend. Denn auch retardierende Momente sind eine Frage präzisen Timings, oder simpler gesagt: Braucht der Mann zu lange, ist die Luft raus. Und so ist man weit vorm Ende von "Mensch ohne Hund" auch ein Leser ohne Spannung.
Aber Schlüsse und Lösungen waren nie Nessers Stärke. Es ist deshalb wohl auch kein Zufall, dass sein bestes Buch keine klassische Kriminalgeschichte ist. In "Kim Novak badete nie im See von Genezareth" (1998) passiert zwar ein Mord, doch er wird nicht wirklich aufgeklärt. Das Buch mit dem etwas angestrengten Titel ist eine wunderbare Coming-of-age-Geschichte, eine Erzählung von den letzten Tagen der Kindheit in den sechziger Jahren. Sie erzählt von Erik und Edmund, die den langen Sommer an einem schwedischen See verbringen und tun, was man in einem solchen Sommer eben tut: baden, dösen, reden, lesen, zeichnen, von unerreichbaren Frauen träumen wie Ewa, der Freundin von Eriks älterem Bruder - und Verlobten eines lokalen Handballstars, der ermordet aufgefunden wird.
Erik ist ein sympathischer, wenngleich nur bedingt zuverlässiger Ich-Erzähler, und genau das gibt dem Buch seinen lakonischen, melancholischen und geheimnisvollen Ton - bis zum Schluss, der das Gefühl eines Verlusts eben nicht in einer sauberen Gleichung aufgehen lässt.
PETER KÖRTE
Håkan Nesser: "Mensch ohne Hund". Roman. Aus dem Schwedischen von Christel Hildebrandt. btb-Verlag, 544 Seiten, 19,95 Euro. Auch die übrigen Bücher von Håkan Nesser sind bei btb erschienen. Die sechs Fernsehfilme nach Romanen von Nesser sind auf DVD erhältlich (bei Galileo Medien AG).
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Warum das Morden im Norden so attraktiv ist, ob es an den depressiven, mürrischen Kommissaren mit ihren Gewichts- und Eheproblemen liegt, ob da eine geheime deutsch-schwedische Seelenverwandtschaft ist, die Geschichten von düsteren Verbrechen und hellen Kiefernmöbeln zu Bestsellern macht, das ist schwer zu sagen; wohingegen es ziemlich leicht zu verstehen ist, warum künstliche Paradiese wie Bullerbü und Lönneberga oder die Einödbauernidylle des alten Pettersson und seines Katers Findus auch von Erwachsenen gerne besucht werden. Wie das beides zusammenpasst, die oft tödliche Gemütsschwere und die unbeschwerte Kindheit, das hat uns bisher kein schwedischer Krimiautor erklären können.
Auch der Bestsellerautor Håkan Nesser nicht, der sicher der beste Schriftsteller unter den bei uns bekannten Schweden ist und der interessantere Charaktere erfunden hat, als es, nur zum Beispiel, Mankells sozialdemokratisierter Kurt Wallander ist. Der 57-jährige Nesser ist ein Spätstarter. Mit 38 hat er seinen ersten Roman veröffentlicht. Vorher war er Gymnasiallehrer, und wenn die Schüler Aufsätze schrieben, schrieb er an einem Manuskript. Irgendwann konnte er dann in Ruhe zu Hause arbeiten, und seit 1988 hat er daher zwanzig Bücher publiziert, die durchweg komplexer und literarisch ambitionierter sind als die Arbeiten anderer Vielschreiber.
Einige seiner Romane aus der Serie um Kommissar Van Veeteren sind, wie die Romane vom Kollegen Mankell, längst vom Fernsehen verfilmt worden, wobei sie da schwedischer aussehen, als sie es auf den Buchseiten sind, was womöglich auch die Idiotie erklärt, mit der die "Bild am Sonntag" Nessers "Schweden-Krimis" preist und der Verlag das artig auf dem Buchumschlag nachdruckt, obwohl sich Håkan Nesser schon etwas dabei gedacht haben wird, als er für die Van-Veeteren-Dekalogie Städte, Dörfer und Kneipen in einem namenlosen Land errichtete und sie so benannte, dass alles sehr niederländisch klingt.
Die Orte heißen Maardam oder Kaalbringen, es gibt Gulden, Hausboote und Kanäle, nur von Schären, Holzhäusern oder Smörgåsbord ist nicht die Rede. "Die Landschaft in einem Roman", hat Nesser gesagt, "ist so wichtig, dass man es nicht der Natur überlassen kann, sie zu schaffen." Und wer nicht in Van Veeteren das Echo des Krimikollegen van de Wetering hört, dem ist sowieso nicht zu helfen.
Auch Van Veeteren hat natürlich familiäre Probleme, er lässt sich scheiden, er verliert einen Sohn, und er hat sich, wie jeder Serienheld, in einer Welt voller Echos, Querverweise und Motive eingerichtet, die nicht einfach Wiederholungen sind, sondern denen man sofort anmerkt, dass sie dem fortlaufenden Ausbau eines fiktionalen Universums dienen. Spätestens als "Sein letzter Fall" erschien, war da jedoch das Gefühl, Van Veeteren habe sich überlebt, weil die Bücher immer selbstbezüglicher geworden waren, und man kann, auch wenn die Geschichte sich nicht schlecht liest, behaupten, dass die Basisidee aus Hitchcocks Film "Vertigo" beziehungsweise dem Roman von Boileau/Narcejac importiert und für die Van-Veeteren-Welt ein wenig variiert wurde.
Nach zehn Büchern hatte Nesser dann offenbar genug, fünf Romane hatte Van Veeteren ohnehin schon nicht mehr im Polizeidienst, sondern als Antiquar verbracht; das ewige Schachspielen, die ewigen Eheprobleme, die immer gleiche Interaktion mit den Inspektoren hatten sich erschöpft. Obwohl es natürlich immer eine Double-bind-Beziehung gibt: Leser wollen ihren vertrauten Helden haben, um sich dann hinterher leise zu beschweren, viel Neues gebe es da ja nicht.
Vielleicht war es deshalb auch nicht Håkan Nessers zwingendste Idee, sich gleich einen neuen Serienhelden zu suchen, der Gunnar Barbarotti heißt, weil er einer früh gescheiterten schwedisch-italienischen Ehe entstammt, dessen Dienst allerdings von vornherein auf vier Bücher befristet ist. Auf Schwedisch gibt es bereits zwei, auf Deutsch bislang nur das erste. Es heißt "Mensch ohne Hund", und es stellt die Familie Hermansson, um die es geht, fast ein wenig lieblos vor uns hin: ein pensioniertes Lehrerehepaar, der Mann kaum mehr als eine Steißtrommler-Karikatur, drei erwachsene Kinder, zwei Schwiegersöhne, drei Enkel. Und es mag Nesser ja vorgeschwebt haben, die Mordfälle als Katalysator familiärer Krisen zu benutzen, doch dazu hätte es ein bisschen mehr Sorgfalt im Detail gebraucht.
Die Ausgangskonstellation allerdings ist klassisch. Barbarotti beschreibt sie so: "Wir haben zwei Personen, einen Onkel und einen Neffen. Gemeinsam mit einigen Verwandten kommen sie ein paar Tage vor Weihnachten zusammen, um ein Familienfest zu feiern. In der ersten Nacht verschwindet der Onkel spurlos. In der nächsten Nacht verschwindet der Neffe spurlos. Warum?"
Das ist gut und klar und richtig. Aber es muss einen eben auch der Mann interessieren, der eine Antwort auf das Warum finden soll. Dass Barbarotti eine Art private Punkteliste mit Gott führt, deren Schlussbilanz seine Existenz oder Nicht-Existenz beweisen soll, ist im Vergleich zum Agnostiker Van Veeteren eine Neuerung - aber keine, die einen übermäßig reizte. Ansonsten ist auch Gunnar Barbarotti geschieden, er hat eine heiße Affäre und eine 18-jährige Tochter, die bei ihm lebt, im fiktiven schwedischen Städtchen Kymlinge, von wo aus man in reale Städte wie Stockholm oder Uppsala fahren kann.
Nesser benutzt ein bewährtes Verfahren, um die Spannung zu schüren, die Vermutungen des Lesers zu enttäuschen und ihn genau dadurch zu fesseln. Es ist, als stieße jeder Ermittlungsschritt gegen eine unsichtbare Wand, an der alle Spuren enden. Das Entscheidende an solchen unlösbar erscheinenden Rätselaufgaben jedoch ist: Wie kommt man hinaus, ohne sich an Logik und Wahrscheinlichkeit zu vergehen oder willkürliche Volten zu schlagen, die einen Täter präsentieren, mit dem niemand hat rechnen können?
Nesser schafft es mit Geschick und Routine, die Ermittlungen an den toten Punkt zu führen - allerdings nur für den Kommissar, wohingegen er für den Leser in einzelnen Kapiteln Informationen einstreut, welche der Kommissar nicht hat, die das Ganze jedoch auf ein sehr absehbares Ende zutreiben lassen. Und wie der Kommissar dann die Fäden entwirrt, ist auch nicht mehr allzu aufregend. Denn auch retardierende Momente sind eine Frage präzisen Timings, oder simpler gesagt: Braucht der Mann zu lange, ist die Luft raus. Und so ist man weit vorm Ende von "Mensch ohne Hund" auch ein Leser ohne Spannung.
Aber Schlüsse und Lösungen waren nie Nessers Stärke. Es ist deshalb wohl auch kein Zufall, dass sein bestes Buch keine klassische Kriminalgeschichte ist. In "Kim Novak badete nie im See von Genezareth" (1998) passiert zwar ein Mord, doch er wird nicht wirklich aufgeklärt. Das Buch mit dem etwas angestrengten Titel ist eine wunderbare Coming-of-age-Geschichte, eine Erzählung von den letzten Tagen der Kindheit in den sechziger Jahren. Sie erzählt von Erik und Edmund, die den langen Sommer an einem schwedischen See verbringen und tun, was man in einem solchen Sommer eben tut: baden, dösen, reden, lesen, zeichnen, von unerreichbaren Frauen träumen wie Ewa, der Freundin von Eriks älterem Bruder - und Verlobten eines lokalen Handballstars, der ermordet aufgefunden wird.
Erik ist ein sympathischer, wenngleich nur bedingt zuverlässiger Ich-Erzähler, und genau das gibt dem Buch seinen lakonischen, melancholischen und geheimnisvollen Ton - bis zum Schluss, der das Gefühl eines Verlusts eben nicht in einer sauberen Gleichung aufgehen lässt.
PETER KÖRTE
Håkan Nesser: "Mensch ohne Hund". Roman. Aus dem Schwedischen von Christel Hildebrandt. btb-Verlag, 544 Seiten, 19,95 Euro. Auch die übrigen Bücher von Håkan Nesser sind bei btb erschienen. Die sechs Fernsehfilme nach Romanen von Nesser sind auf DVD erhältlich (bei Galileo Medien AG).
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Ich war sehr skeptisch, bevor ich dieses Buch gelesen hatte. Ich bin nämlich ein großer Fan von "Van Veeteren", dem "ersten" Komissar von Nesser. Aber inzwischen habe ich alle erschienen "Barbarotti" Bücher, das sagt glaube ich alles ! Wieder mal ein …
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Ich war sehr skeptisch, bevor ich dieses Buch gelesen hatte. Ich bin nämlich ein großer Fan von "Van Veeteren", dem "ersten" Komissar von Nesser. Aber inzwischen habe ich alle erschienen "Barbarotti" Bücher, das sagt glaube ich alles ! Wieder mal ein gelungenes Werk von Hakan Nesser.
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Antworten 5 von 5 finden diese Rezension hilfreich
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Ich kann die Begeisterung meiner Vorredner leider nicht teilen. Ich bin ein leidenschaftlicher Krimileser insbesondere der skandinavischen Krimis und Thriller. Dieses Buch konnte mich leider überhaupt nicht überzeugen. Am Anfang wird mir viel zu viel über die Familie erzählt. Es …
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Ich kann die Begeisterung meiner Vorredner leider nicht teilen. Ich bin ein leidenschaftlicher Krimileser insbesondere der skandinavischen Krimis und Thriller. Dieses Buch konnte mich leider überhaupt nicht überzeugen. Am Anfang wird mir viel zu viel über die Familie erzählt. Es passiert nichts großartiges außer dass Hindeutungen auf Spannungen in der Familie aufgezeigt werden. Dann verschwinden zwei Personen. Für einen guten Krimileser lag die Auflösung auch sofort auf der Hand. So hat es sich auch zum Ende hin bestätigt. Es gibt keinerlei große Überraschungen. Keine spannende Ermittlung mit Wendungen. Barbarotti tritt eigentlich nur auf der Stelle. Ich habe mich mehr oder weniger durch das Buch gequält. Leider eine herbe Enttäuschung. Da sind Bücher von Adler Olsen, Ohlsson oder Kepler diesem um Meilen voraus was packende, reißersiche Geschichten betrifft. Einen Krimi, denich freiwillig aus der Hand legen kann, ist da leider nur Mittelmaß.
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In seinem ersten Fall muss der geschiedene Inspektor Gunnar Barbarotti das mysteriöse Verschwinden von Walter Hermansson und seines Neffen Henrik Grundt in Kymlinge, einem Dorf in Schweden aufklären.
Zunächst erzählt Håkan Nesser in „Mensch ohne Hund“ …
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In seinem ersten Fall muss der geschiedene Inspektor Gunnar Barbarotti das mysteriöse Verschwinden von Walter Hermansson und seines Neffen Henrik Grundt in Kymlinge, einem Dorf in Schweden aufklären.
Zunächst erzählt Håkan Nesser in „Mensch ohne Hund“ ungefähr 200 Seiten lang die Vorgeschichte der einzelnen Protagonisten und stellt die verschiedenen Familienmitglieder vor.
Das Familienoberhaupt Karl – Erik Hermansson will zusammen mit seiner Tochter Ebba Hermansson Grundt seinen 65. Geburtstag bzw. ihren 40. Geburtstag feiern, als kurz vor der Familienfeier sein Sohn Walter verschwindet.
Zunächst wird nicht weiter darüber nachgedacht, da Walter das „schwarze Schaf“ der Familie ist und mit dem Gedanken gespielt wird, dass es sich mit irgendwelchen Bekanntschaften die Zeit vertreibt.
Erst als am Tag darauf Ebbas Sohn Henrik verschwindet wird die Polizei eingeschaltet und Inspektor Gunnar Barbarotti tritt mit seiner Kollegin Eva Backmann auf den Plan.
Die Geschichte beginnt zuerst schleppend, gewinnt aber stellenweise an Tempo und Spannung. Insgesamt aber plätschert die Handlung eher vor sich hin, was auch an den zähen Ermittlungen liegt, die sich über ein Jahr hinziehen. Auch steht eher die Familiengeschichte als die Ermittlung im Zentrum der Handlung.
Es passiert auch nichts wirklich prägendes, so dass man die Geschichte nicht wirklich im Gedächtnis behält.
Dennoch kann man das Buch durch Nessers authentischer Sprache gut lesen und die Geschichte ist leicht zugänglich.
Auch die verschiedenen Erzählperspektiven und die Einblicke in Barbarottis Privatleben sind gut und glaubwürdig erzählt.
Dennoch ist Gunnar Barbarotti zunächst eine eher unspektakuläre und farblose Figur, die nicht wirklich greifbar erscheint. Als Leser gewinnt man noch keinen bleibenden Eindruck, was sich aber in den weiteren Fällen ändern kann.
Letztendlich ist Barbarottis erster Fall angenehm zu lesen, mit etwas Spannung durch die Überlegung einer möglichen Verbindung der beiden Vermisstenfälle und den unklaren Zusammenhängen.
Håkan Nesser schafft es mit seinem ungewöhnlichen und beeindruckenden Schreibstil die Geschichte dem Leser schmackhaft zu machen.
3,5 von 5 Sternen!
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Antworten 4 von 6 finden diese Rezension hilfreich
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"Mensch ohne Hund" war mein erster Roman von Nesser und hat mich restlos begeistert. Nesser versteht es, Spannung aufzubauen indem er Dinge im Geheimen lässt, die beim Lesen ständig im Hintergrund mitlaufen. Gleichzeitig leben wir ein Teil des Lebens vom Kommissar Gunnar …
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"Mensch ohne Hund" war mein erster Roman von Nesser und hat mich restlos begeistert. Nesser versteht es, Spannung aufzubauen indem er Dinge im Geheimen lässt, die beim Lesen ständig im Hintergrund mitlaufen. Gleichzeitig leben wir ein Teil des Lebens vom Kommissar Gunnar Barbarotti mit, der uns als Mensch und Polizist mit seiner Alltäglichkeit, seinen Selbstzweifeln aber auch mit seiner Hartnäckigkeit und seinem Genie in den Bann zieht. Tolles Buch, sehr zu empfehlen.
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Antworten 1 von 1 finden diese Rezension hilfreich
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Eher zufällig landete "Mensch ohne Hund" in meinem Warenkorb. Manchmal sind Zufälle gar nicht so übel ...
Alle Charaktere wirken authentisch, mit ihren Eigenheiten und Marotten. Jede einzelne Figur wird präzise aufgebaut, so als würde ein Gesicht langsam aus …
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Eher zufällig landete "Mensch ohne Hund" in meinem Warenkorb. Manchmal sind Zufälle gar nicht so übel ...
Alle Charaktere wirken authentisch, mit ihren Eigenheiten und Marotten. Jede einzelne Figur wird präzise aufgebaut, so als würde ein Gesicht langsam aus einem stück Holz herausgearbeitet. Nebenbei offenbaren sich immer mehr Untiefen in den Verhältnissen der Familie, man kann zusehen wie die heile Fassade immer mehr bröckelt. So wird man direkt in die Handlung gesogen - und kann das Buch nur schwer wieder aus den Händen geben. Inspektor Barbarotti stößt erst später dazu, so soll es sein. Welcher Kommisar wartet hinter der Hausecke und lauert auf den Mörder?
Immer wieder erlebt man dramatische Momente, wird gezielt in die Irre geführt. Bis sich dann langsam auf den nächsten Seiten auflöst, wie sich alles tatsächlich zugetragen hat. So erlebt man nicht nur die Handlung selber, sondern fährt immer wieder seinen eigenen kleinen Film.
Insgesamt ganz großes Lesevergnügen. Ich freue mich schon auf die nächsten Fälle des Kommisars Barbarotti. Wenn Nesser das Niveau halten kann, muss man sagen, dass es leider nur 5 Teile werden.
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