Heinz Strunk
Audio-CD
Fleckenteufel, 4 Audio-CDs
Autorenlesung. Gekürzte Ausgabe, Lesung. 285 Min.
Komponist: Strunk,Heinz
Nicht lieferbar
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Wir schreiben das Jahr 1977. Thorsten Bruhn ist sechzehn und ein Spätzünder. Der Geschlechtstrieb hält ihn trotzdem schon heftig auf Trab. Erst recht auf der anstehenden Familienfreizeit mit der evangelischen Gemeinde; es geht nach Scharbeutz an der Ostsee. Kirchenfreizeiten sind Ende der Siebziger der bevorzugte Ort für Heranwachsende, um zum ersten Mal rund um die Uhr mit Gleichaltrigen zusammen zu sein. Mit allen Konsequenzen. Bei Thorsten führt dies zu einem anstrengenden Zusammenwirken von sozialer Überforderung, religiösen Gefühlen und hormonellem Dauerrauschen. Dazu kommt das sc...
Wir schreiben das Jahr 1977. Thorsten Bruhn ist sechzehn und ein Spätzünder. Der Geschlechtstrieb hält ihn trotzdem schon heftig auf Trab. Erst recht auf der anstehenden Familienfreizeit mit der evangelischen Gemeinde; es geht nach Scharbeutz an der Ostsee. Kirchenfreizeiten sind Ende der Siebziger der bevorzugte Ort für Heranwachsende, um zum ersten Mal rund um die Uhr mit Gleichaltrigen zusammen zu sein. Mit allen Konsequenzen. Bei Thorsten führt dies zu einem anstrengenden Zusammenwirken von sozialer Überforderung, religiösen Gefühlen und hormonellem Dauerrauschen. Dazu kommt das schlechte Essen. Wo unser Held doch ohnehin zur Verstopfung neigt: Und so erlebt Thorsten innerlich versteinert schlimme Jugendpredigten, peinliche Gruppenspiele, eine trostlose Jugenddisko, alkoholische Exzesse und erotische Wirrungen mit ständig wechselndem Objekt. Ein Wunder, dass am Ende doch noch alles irgendwie gut ausgeht ...
Lustig und traurig. Tabulos und derb.
Lustig und traurig. Tabulos und derb.
Heinz Strunk, Musiker und Schauspieler, wurde 1962 in Hamburg geboren. Er ist Gründungsmitglied des Humoristentrios Studio Braun und hatte auf VIVA eine eigene Fernsehshow.

© Philipp Rathmer
Produktdetails
- Verlag: Roof Music; Tacheles!
- Anzahl: 4 Audio CDs
- Gesamtlaufzeit: 285 Min.
- Erscheinungstermin: 16. Januar 2009
- Sprache: Deutsch
- ISBN-13: 9783938781968
- Artikelnr.: 25616795
Herstellerkennzeichnung
Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Thorstens Beschwerden
Heinz Strunk hat einen neuen Roman geschrieben. "Fleckenteufel" will eine männliche Antwort auf Charlotte Roches "Feuchtgebiete" sein. Aber kann so etwas überhaupt gelingen?
Vor einem Jahr erschien der Roman "Feuchtgebiete". Charlotte Roche erzählt von der achtzehnjährigen Helen, die mit einer Analverletzung im Krankenhaus liegt und von intimsten Dinge spricht: Sex, Masturbation, gebrauchten Tampons. Das Buch hat eine Debatte über den Stand des Postfeminismus, über weibliche Selbstbilder und Hygiene ausgelöst. Junge Mädchen kamen in Scharen zu den Lesungen, aber man darf sich nichts vormachen: "Feuchtgebiete" hätte sich wohl nicht anderthalb Millionen Mal verkauft, wenn nicht auch ältere Männer
Heinz Strunk hat einen neuen Roman geschrieben. "Fleckenteufel" will eine männliche Antwort auf Charlotte Roches "Feuchtgebiete" sein. Aber kann so etwas überhaupt gelingen?
Vor einem Jahr erschien der Roman "Feuchtgebiete". Charlotte Roche erzählt von der achtzehnjährigen Helen, die mit einer Analverletzung im Krankenhaus liegt und von intimsten Dinge spricht: Sex, Masturbation, gebrauchten Tampons. Das Buch hat eine Debatte über den Stand des Postfeminismus, über weibliche Selbstbilder und Hygiene ausgelöst. Junge Mädchen kamen in Scharen zu den Lesungen, aber man darf sich nichts vormachen: "Feuchtgebiete" hätte sich wohl nicht anderthalb Millionen Mal verkauft, wenn nicht auch ältere Männer
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begierig gewesen wären zu lesen, wie eine junge Frau von ihren geheimsten Gerüchen erzählt.
Jetzt schreibt der Hamburger Autor Heinz Strunk die Gegengeschichte. Er gibt das offen zu. Seine Antwort auf "Feuchtgebiete" heißt "Fleckenteufel": Thorsten ist sechzehn und auf dem Weg in die Sommerfreizeit an der Ostsee. Aber wo die zwei Jahre ältere Helen ihren Körper erkundet und ausprobiert, leidet Thorsten an ihm. Und an seiner Verdauung: "Die Wolke kann sich gar nicht so schnell verflüchtigen, wie ich nachlege. Bestimmt ist schon das Gemeindehaus plus Grundstück eingenebelt, aber was soll ich machen. Ist das alles peinlich. Das ganze Leben ist peinlich." Ob dieselben Männer, die eben noch so gierig auf Helens Körpererkundungen waren, weiterlesen, wenn es um einen Männerkörper geht? Und Männergerüche?
Man könnte es sich leicht machen und sagen: Heinz Strunk erzählt im neuen Roman nur eine kleine, traurige Geschichte. "Fleckenteufel" spielt im August 1977, als Elvis Presley stirbt. Thorsten fährt in die evangelische Sommerfreizeit an die Ostsee und leidet: an sich, an den Mädchen und den anderen Jungen, aber auch an den Erwachsenen, die mitgefahren sind. Er leidet an den sanftmütigen Predigten des Pastors und an der Ungerechtigkeit, klein und traurig zu sein und nicht groß und schön wie der blonde Heiko oder die unerreichbare Susanne Bohn. "Eine leichte Sommerarbeit", so nennt Heinz Strunk dieses neue Buch im Gespräch, und vielleicht wäre es das auch geworden: der nächste, inzwischen dritte Roman eines Schriftstellers, der mit "Fleisch ist mein Gemüse" bekannt und erfolgreich wurde und mit der "Zunge Europas" im Herbst gerade erst das zweite Buch nachgelegt hat.
Aber so leicht ist es eben nicht, geht es auch nicht, weil "Fleckenteufel" eben vom Titel angefangen über den Umschlag bis hin zur leitmotivartig ausgelebten Darstellung privatester Körperfunktionen eine Spiegelung der "Feuchtgebiete" von Charlotte Roche ist. "Eine satirische Replik" sei sein Buch, sagt der Autor selbst. Und klingt dabei, als habe Charlotte Roche ihm sein Thema weggenommen. Einen "Trittbrettfahrer" hat ihn deswegen vor kurzem Marcel Hartges genannt. Hartges, künftig bei Piper, war früher bei Rowohlt für das Taschenbuchprogramm zuständig, als dort Strunks Bestseller "Fleisch ist mein Gemüse" herauskam, danach wurde er Verlagsleiter von DuMont, wo "Feuchtgebiete" erschienen ist.
Strunk und Roche waren befreundet. Sie sind früher gemeinsam aufgetreten, um aus der Promotionsschrift "Penisverletzungen bei Masturbation mit Staubsaugern" eines Münchner Urologen aus dem Jahr 1978 vorzutragen. Das ist drei Jahre her. Jetzt aber antwortet der eine dem anderen auf ein Buch mit einem Buch. So etwas geschieht ständig in der Literatur, aber selten wird es so offen angekündigt. Die beiden Autoren allerdings haben schon immer eine Obsession für ganz nahe Körperbeschreibungen geteilt, es gibt Menschen, die sagen, dass Strunk geradezu besessen davon sei.
Strunk war bestürzt über manche Feuilletonisierungen der "Feuchtgebiete", sagt er heute. Er selbst hatte sich in diesem "Segment" mit seinen Humorhörspielen wie "Trittschall im Kriechkeller" über Jahre hinweg abgearbeitet, war aber damit eben bei weitem nicht so erfolgreich wie Charlotte Roche gewesen, wenn auch oft viel lustiger. "Ich kann nicht allen Ernstes den Vorwurf der Trittbrettfahrerei von der Hand weisen", sagt er. "Ich wollte das ganze Thema noch einmal literarisch aufbereiten, um damit dann abzuschließen." Also begann Strunk im Mai, als "Feuchtgebiete" die Bestsellerlisten anführte und sogar französische Zeitungen über den nouveau féminisme der Charlotte Roche berichtete, an "Fleckenteufel" zu schreiben.
Wie schon bei den "Feuchtgebieten" tritt jetzt eines der interessantesten Phänomene auf, die Literatur bewirken kann: Kaum, dass ein Roman erschienen ist, hat schon jeder eine Meinung dazu. "Fleckenteufel", das ist doch diese Flatulenzorgie! Muss das denn sein? Bei Strunks Buch fällt es obendrein gar nicht schwer, eine Meinung zu haben. Man muss den Roman dazu nicht einmal aufschlagen. Es reicht schon der Blick auf den Umschlag: Wo bei Charlotte Roche ein Heftpflaster auf pinkem Grund klebt, ist es bei Heinz Strunk ein Waschlappen auf Himmelblau. Die Titelei ist ebenfalls identisch. So liegen sie jetzt im Buchhandel nebeneinander, stapelweise. Feuchtgebiete. Fleckenteufel. Für Mädchen. Für Jungs.
Thorsten Bruhns Innereien tun nicht das, was Thorsten will: Davon handelt Strunks Roman, von Geräuschen und Gerüchen und Gedärm, am Anfang störend oft, dann seltener, aber immer noch irritierend. Gehört das in Worte gefasst und ausgesprochen, mit künstlerischem Anspruch? Die Literatur ist immer eine Intimsphäre gewesen. Viel interessanter ist die Frage, warum Thorsten Bruhns Konstipationen, wie sie Heinz Strunk erzählt, jetzt als eine Art Mario Barthscher Männerhumor abgetan werden können, während die Hämorrhoiden von Charlottes Roches Erzählerin aber bisweilen emanzipatorisch verstanden wurden, weil sie gegen weibliche Schönheitsideale verstoßen.
Entspricht öffentlicher Durchfall etwa dem männlichen Schönheitsideal? Verlaufen die Schamgrenzen anders? Sie verlaufen vielleicht anders als erwartet, denn die Leserinnen, die "Feuchtgebiete" so oft gekauft haben, weil sie darin eine ganz neue Art der Identifikation fanden, werden so etwas naturgemäß in "Fleckenteufel" nicht finden. Die männlichen Leser dagegen finden bei Strunk eine pubertierende Hauptfigur, die überhaupt nicht maskulin ist, im Gegenteil. Thorsten weiß gar nicht genau, ob er Männer oder Frauen begehrt. Und auch deshalb wird er von etwas geplagt und gepeinigt, das Roches Helen längst überwunden hat: Scham.
Was nämlich nach zweihundertzwanzig Seiten von "Fleckenteufel" bleibt, ist weniger ein Schund- als ein Schuldroman. Und hat daher auch mehr mit Philip Roth und seinem Masturbationsbuch "Portnoys Beschwerden" zu tun als mit Mario Barth. Portnoy hatte seine experimentierfreudige Geliebte "Äffchen" genannt, Thorsten dagegen ängstigt sich davor, ein "Äffche" zu werden, mitgeschleift und ausgebeutet. Und beide, Portnoy wie Thorsten, haben keine Lust, ihre Mütter anzurufen, und genau deshalb kommen sie auch nicht von ihnen los. Von wegen Emanzipation! "Ich schäme mich zu Tode, seit ich denken kann, und weiß nicht wofür, wird schon stimmen", sagt Thorsten ganz am Anfang seiner Geschichte, als der Bus ins Zeltlager noch nicht einmal abgefahren ist, Thorsten aber schon mit den Nerven herunter auf dem Parkplatz sitzt und das Personal seiner ganz persönlichen Hölle betrachtet.
Dieser Satz trennt Charlotte Roches Buch und das von Heinz Strunk drastisch voneinander, so nah sie sich auch rein äußerlich, nach Marketing-Gesichtspunkten sind. Helen ließ ihre Feuchtgebiete genauestens fotografieren, Thorsten schämt sich wegen seiner Konstipationen "zu Tode" - ein Lieblingsausdruck des Autors. Er fürchtet, ertappt zu werden, zieht sich tief in seinen Schlafsack zurück und sehnt sich nach Erlösung. Wenn man so will, ist dieser explizite Roman also keine Eskalation, sondern das genaue Gegenteil. "Die Unmöglichkeit, jemals mit reinem Gewissen durchs Leben zu gehen, ist eines der Probleme meines Lebens und meiner Kunst", sagt Heinz Strunk. Merkwürdig, wie "Fleckenteufel", als satirische Replik angelegt, mit jeder Seite schamhafter wird. Die Freiheit des Erzählens kennt dieser Roman, nicht aber die Freiheit von Schuld.
TOBIAS RÜTHER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Jetzt schreibt der Hamburger Autor Heinz Strunk die Gegengeschichte. Er gibt das offen zu. Seine Antwort auf "Feuchtgebiete" heißt "Fleckenteufel": Thorsten ist sechzehn und auf dem Weg in die Sommerfreizeit an der Ostsee. Aber wo die zwei Jahre ältere Helen ihren Körper erkundet und ausprobiert, leidet Thorsten an ihm. Und an seiner Verdauung: "Die Wolke kann sich gar nicht so schnell verflüchtigen, wie ich nachlege. Bestimmt ist schon das Gemeindehaus plus Grundstück eingenebelt, aber was soll ich machen. Ist das alles peinlich. Das ganze Leben ist peinlich." Ob dieselben Männer, die eben noch so gierig auf Helens Körpererkundungen waren, weiterlesen, wenn es um einen Männerkörper geht? Und Männergerüche?
Man könnte es sich leicht machen und sagen: Heinz Strunk erzählt im neuen Roman nur eine kleine, traurige Geschichte. "Fleckenteufel" spielt im August 1977, als Elvis Presley stirbt. Thorsten fährt in die evangelische Sommerfreizeit an die Ostsee und leidet: an sich, an den Mädchen und den anderen Jungen, aber auch an den Erwachsenen, die mitgefahren sind. Er leidet an den sanftmütigen Predigten des Pastors und an der Ungerechtigkeit, klein und traurig zu sein und nicht groß und schön wie der blonde Heiko oder die unerreichbare Susanne Bohn. "Eine leichte Sommerarbeit", so nennt Heinz Strunk dieses neue Buch im Gespräch, und vielleicht wäre es das auch geworden: der nächste, inzwischen dritte Roman eines Schriftstellers, der mit "Fleisch ist mein Gemüse" bekannt und erfolgreich wurde und mit der "Zunge Europas" im Herbst gerade erst das zweite Buch nachgelegt hat.
Aber so leicht ist es eben nicht, geht es auch nicht, weil "Fleckenteufel" eben vom Titel angefangen über den Umschlag bis hin zur leitmotivartig ausgelebten Darstellung privatester Körperfunktionen eine Spiegelung der "Feuchtgebiete" von Charlotte Roche ist. "Eine satirische Replik" sei sein Buch, sagt der Autor selbst. Und klingt dabei, als habe Charlotte Roche ihm sein Thema weggenommen. Einen "Trittbrettfahrer" hat ihn deswegen vor kurzem Marcel Hartges genannt. Hartges, künftig bei Piper, war früher bei Rowohlt für das Taschenbuchprogramm zuständig, als dort Strunks Bestseller "Fleisch ist mein Gemüse" herauskam, danach wurde er Verlagsleiter von DuMont, wo "Feuchtgebiete" erschienen ist.
Strunk und Roche waren befreundet. Sie sind früher gemeinsam aufgetreten, um aus der Promotionsschrift "Penisverletzungen bei Masturbation mit Staubsaugern" eines Münchner Urologen aus dem Jahr 1978 vorzutragen. Das ist drei Jahre her. Jetzt aber antwortet der eine dem anderen auf ein Buch mit einem Buch. So etwas geschieht ständig in der Literatur, aber selten wird es so offen angekündigt. Die beiden Autoren allerdings haben schon immer eine Obsession für ganz nahe Körperbeschreibungen geteilt, es gibt Menschen, die sagen, dass Strunk geradezu besessen davon sei.
Strunk war bestürzt über manche Feuilletonisierungen der "Feuchtgebiete", sagt er heute. Er selbst hatte sich in diesem "Segment" mit seinen Humorhörspielen wie "Trittschall im Kriechkeller" über Jahre hinweg abgearbeitet, war aber damit eben bei weitem nicht so erfolgreich wie Charlotte Roche gewesen, wenn auch oft viel lustiger. "Ich kann nicht allen Ernstes den Vorwurf der Trittbrettfahrerei von der Hand weisen", sagt er. "Ich wollte das ganze Thema noch einmal literarisch aufbereiten, um damit dann abzuschließen." Also begann Strunk im Mai, als "Feuchtgebiete" die Bestsellerlisten anführte und sogar französische Zeitungen über den nouveau féminisme der Charlotte Roche berichtete, an "Fleckenteufel" zu schreiben.
Wie schon bei den "Feuchtgebieten" tritt jetzt eines der interessantesten Phänomene auf, die Literatur bewirken kann: Kaum, dass ein Roman erschienen ist, hat schon jeder eine Meinung dazu. "Fleckenteufel", das ist doch diese Flatulenzorgie! Muss das denn sein? Bei Strunks Buch fällt es obendrein gar nicht schwer, eine Meinung zu haben. Man muss den Roman dazu nicht einmal aufschlagen. Es reicht schon der Blick auf den Umschlag: Wo bei Charlotte Roche ein Heftpflaster auf pinkem Grund klebt, ist es bei Heinz Strunk ein Waschlappen auf Himmelblau. Die Titelei ist ebenfalls identisch. So liegen sie jetzt im Buchhandel nebeneinander, stapelweise. Feuchtgebiete. Fleckenteufel. Für Mädchen. Für Jungs.
Thorsten Bruhns Innereien tun nicht das, was Thorsten will: Davon handelt Strunks Roman, von Geräuschen und Gerüchen und Gedärm, am Anfang störend oft, dann seltener, aber immer noch irritierend. Gehört das in Worte gefasst und ausgesprochen, mit künstlerischem Anspruch? Die Literatur ist immer eine Intimsphäre gewesen. Viel interessanter ist die Frage, warum Thorsten Bruhns Konstipationen, wie sie Heinz Strunk erzählt, jetzt als eine Art Mario Barthscher Männerhumor abgetan werden können, während die Hämorrhoiden von Charlottes Roches Erzählerin aber bisweilen emanzipatorisch verstanden wurden, weil sie gegen weibliche Schönheitsideale verstoßen.
Entspricht öffentlicher Durchfall etwa dem männlichen Schönheitsideal? Verlaufen die Schamgrenzen anders? Sie verlaufen vielleicht anders als erwartet, denn die Leserinnen, die "Feuchtgebiete" so oft gekauft haben, weil sie darin eine ganz neue Art der Identifikation fanden, werden so etwas naturgemäß in "Fleckenteufel" nicht finden. Die männlichen Leser dagegen finden bei Strunk eine pubertierende Hauptfigur, die überhaupt nicht maskulin ist, im Gegenteil. Thorsten weiß gar nicht genau, ob er Männer oder Frauen begehrt. Und auch deshalb wird er von etwas geplagt und gepeinigt, das Roches Helen längst überwunden hat: Scham.
Was nämlich nach zweihundertzwanzig Seiten von "Fleckenteufel" bleibt, ist weniger ein Schund- als ein Schuldroman. Und hat daher auch mehr mit Philip Roth und seinem Masturbationsbuch "Portnoys Beschwerden" zu tun als mit Mario Barth. Portnoy hatte seine experimentierfreudige Geliebte "Äffchen" genannt, Thorsten dagegen ängstigt sich davor, ein "Äffche" zu werden, mitgeschleift und ausgebeutet. Und beide, Portnoy wie Thorsten, haben keine Lust, ihre Mütter anzurufen, und genau deshalb kommen sie auch nicht von ihnen los. Von wegen Emanzipation! "Ich schäme mich zu Tode, seit ich denken kann, und weiß nicht wofür, wird schon stimmen", sagt Thorsten ganz am Anfang seiner Geschichte, als der Bus ins Zeltlager noch nicht einmal abgefahren ist, Thorsten aber schon mit den Nerven herunter auf dem Parkplatz sitzt und das Personal seiner ganz persönlichen Hölle betrachtet.
Dieser Satz trennt Charlotte Roches Buch und das von Heinz Strunk drastisch voneinander, so nah sie sich auch rein äußerlich, nach Marketing-Gesichtspunkten sind. Helen ließ ihre Feuchtgebiete genauestens fotografieren, Thorsten schämt sich wegen seiner Konstipationen "zu Tode" - ein Lieblingsausdruck des Autors. Er fürchtet, ertappt zu werden, zieht sich tief in seinen Schlafsack zurück und sehnt sich nach Erlösung. Wenn man so will, ist dieser explizite Roman also keine Eskalation, sondern das genaue Gegenteil. "Die Unmöglichkeit, jemals mit reinem Gewissen durchs Leben zu gehen, ist eines der Probleme meines Lebens und meiner Kunst", sagt Heinz Strunk. Merkwürdig, wie "Fleckenteufel", als satirische Replik angelegt, mit jeder Seite schamhafter wird. Die Freiheit des Erzählens kennt dieser Roman, nicht aber die Freiheit von Schuld.
TOBIAS RÜTHER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Der 16 – jährige Thorsten Bruhn, „Held“ von Heinz Strunks Roman „Fleckenteufel“, verbringt seine Ferien bei der evangelischen Familienfreizeit in Scharbeutz, einen kleinen Ort an der Ostsee, in den Siebzigern.
Thorstens größtes Problem ist …
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Der 16 – jährige Thorsten Bruhn, „Held“ von Heinz Strunks Roman „Fleckenteufel“, verbringt seine Ferien bei der evangelischen Familienfreizeit in Scharbeutz, einen kleinen Ort an der Ostsee, in den Siebzigern.
Thorstens größtes Problem ist während dieser Zeit seine nicht endend wollende Verstopfung, und diese Angelegenheit wird auch für den Leser ein Problem, denn Thorstens äußerst genauen Beschreibungen von gewissen Umständen können einen des Öfteren auf den Magen schlagen. Genau wie seine extreme Art nach einiger Zeit nur noch nervt, ist Heinz Strunks Angewohnheit jedes noch so kleine Geräusch in Worten auszudrücken sehr Nerven aufreibend. Sein Erzählstil ist dadurch mit der Zeit ziemlich anstrengend.
Auch hatte ich des Öfteren den Eindruck, dass Thorsten Bruhn wohl bei einem Psychiater besser aufgehoben wäre, als in einem evangelischem Jugendcamp. So gibt der ich – Erzähler dem Leser verschiedene Einblicke in seine kranken Gedanken, beispielsweise durch die Beschreibung seines Lieblingsspiels „Vergewaltigung“ – ohne Worte.
Trotz einiger witziger Stellen hat dieses äußerst übertriebene Buch nicht wirklich viel zu bieten, außer einen verzweifelten, gestörten Jugendlichen, der einfach nur „wachsen“ will, um endlich von den anderen wahrgenommen zu werden.
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Antworten 12 von 18 finden diese Rezension hilfreich
Antworten 12 von 18 finden diese Rezension hilfreich
Tatsächlich muss man beim Cover dieses Buches ja unweigerlich an Charlotte Roches "Feuchtgebiete" denken. Man rechnet nun wahrscheinlich mit einer männlichen Version, einem Abklatsch, noch schlimmer oder doch etwas ganz anderes?
Heinz Strunk selbst bezeichnet …
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Tatsächlich muss man beim Cover dieses Buches ja unweigerlich an Charlotte Roches "Feuchtgebiete" denken. Man rechnet nun wahrscheinlich mit einer männlichen Version, einem Abklatsch, noch schlimmer oder doch etwas ganz anderes?
Heinz Strunk selbst bezeichnet "Fleckenteufel" als Jugendbuch und ich kann mir gut vorstellen, dass viele Jugendliche ihre Freude daran hätten. Sprachlich nimmt er natürlich kein Blatt vor den Mund, aber er beschreibt durchaus Situationen, die man sich bei Jugendlichen, speziell Jungen, vorstellen kann. Das Buch ist sehr ehrlich und es ist äußerst interessant mehr über Throstens Gedanken zu erfahren. Manchmal mag man denken, dass das alles aber ganz schön gemein oder ekelhaft ist. Wenn man jedoch ehrlich zu sich selbst ist, dann geht man sicherlich, zumindest gedanklich, häufig auch nicht gerade zimperlich mit seinen Mitmenschen um. Oft kann man es sich einfach nicht verkneifen schadenfroh zu grinsen, gerade bei Throstens unglaublicher Beobachtungsgabe.
Mir ist aufgefallen, dass gerade Gerüche unterschiedlichster Art sehr detailliert beschrieben werden. Da kann man froh sein, dass Geruchsbücher noch keinen Durchbruch hatten.
Skurril ist der Gegensatz zwischen dem Verhalten der Jugendlichen allgemein und der Tatsache, dass es sich um eine christliche Jugendfreizeit handelt. Das ganze ist schon ziemlich "unchristlich".
Doch das Buch hat auch ernste Seiten und zeigt klar die Sorgen und Versagensängste eines Jugendlichen. Man ist einem ständigen Vergleich zu Anderen ausgesetzt, jeder Fehler wird mit Verachtung bestraft und darunter leidet natürlich auch das noch nicht gefestigte Selbstbewusstsein. Thorsten fühlt sich im Buch häufig unbeachtet, ist er doch für sein Alter sehr klein. Er zweifelt wirklich an sich selbst und steckt voller Widersprüche.
Erscheint er dem Leser manchmal richtig anstrengend und nervig, ist er im nächsten Moment sehr sympathisch. Diese Eigenschaft teilen wohl ebenfalls die meisten Jugendlichen.
Fazit: Ein interessantes Leseerlebnis, das eindeutig und zum Glück kaum Gemeinsamkeiten zu Charlotte Roches Buch hat.
Wenn man Strunks Homepage trauen darf, kann er absolut nichts für die Covergestaltung und hatte selbst auch nie eine inhaltliche Ähnlichkeit zwischen den Büchern gesehen. Ihm war der Vergleich eher peinlich, verständlicherweise!
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Antworten 9 von 17 finden diese Rezension hilfreich
Antworten 9 von 17 finden diese Rezension hilfreich
Was will uns dieses Buch sagen? Wohl nichts. Es ist eklig und langweilig. Ich hatte mir wirklich etwas versprochen. Bin sehr enttäuscht, schade ums Geld.Kann man heute nur noch mit Fäkalsprache punkten?
Wer " Feuchtgebiete" von C. Roche mag liegt hier richtig.
Gute Literatur …
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Was will uns dieses Buch sagen? Wohl nichts. Es ist eklig und langweilig. Ich hatte mir wirklich etwas versprochen. Bin sehr enttäuscht, schade ums Geld.Kann man heute nur noch mit Fäkalsprache punkten?
Wer " Feuchtgebiete" von C. Roche mag liegt hier richtig.
Gute Literatur ist etwas anderes!
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Antworten 3 von 7 finden diese Rezension hilfreich
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