Mittelpunkt eines anschaulichen Bildes des Washingtoner Machtapparats und dessen Hauptfigur Präsident Bush, der Stimmung in der Regierung und der Spannungen - vor allem zwischen Außenminister Powell und Verteidigungsminister Rumsfeld - stellt. Weitere Hauptfiguren sind CIA-Direktor Tenet, der stellvertretende Außenminister Armitage, die Sicherheitsberaterin Rice. Blaß erscheinen dagegen die übrigen Mitglieder des "Kriegskabinetts": der Vorsitzende der Vereinigten Stabschefs, Myers, und Bushs Stabschef im Weißen Haus, Card. Auch über Vizepräsident Cheneys hätte man sich mehr Details gewünscht.
Woodward stützt sich auch auf Mitschriften von Sitzungen des Nationalen Sicherheitsrates sowie auf mehr als hundert Gespräche - darunter zwei, die er mit Bush führte. Wie schon in früheren Büchern nimmt der Autor sich die Freiheit, seinen Figuren Gedanken, Gefühle und Überzeugungen zuzuordnen, die entweder von diesen selbst oder von deren "Kollegen" stammten. Für diese Methode, bei der die Grenze zwischen Dichtung und Wirklichkeit verschwimmt, ist Woodward schon früher kritisiert worden. Der Autor ist weniger ein Chronist als ein Komponist, der den Darlegungen und Anekdoten seiner Informanten durch eigene Wertungen mal subtil, mal üppig zusätzliche Farbe verleiht. So endet der Abschnitt über Bushs Besuch auf "ground zero" mit der Bemerkung: "Wenn es möglich ist, ein ganzes Leben an einem einzigen Tag zu leben, dann war dies der Tag."
Als herausragende, fast ein wenig entrückte Gestalt erscheint Powell, den Woodward mit der Aura des nachdenklichen und weitblickenden Staatsmannes umgibt. Rumsfeld dagegen erscheint als brillanter, aber unduldsam-herrischer und selbstherrlicher Machtmensch. Zum Beweis führt Woodward unter anderem General Franks an: Auf die Frage des Präsidenten nach der persönlichen Meinung des Generals soll Franks versichert haben, er denke immer, was sein Chef Rumsfeld denke, was dieser jemals gedacht habe, denken werde oder glaube, irgendwann einmal zu denken. Dabei machte gerade der Verteidigungsminister nach der Darstellung Woodwards keine besonders glückliche Figur während der Kriegsvorbereitungen und während der Angriffe auf Afghanistan. Überhaupt gewinnt der Leser den Eindruck, als hätten zu jener Zeit Unentschlossenheit und Zweifel die Stimmung in der Regierung beherrscht. Die Ausnahme bildet allein der Präsident, den der Autor als furchtlosen und entschlossenen Oberkommandierenden beschreibt.
Bush und nicht Vizepräsident Cheney ist demnach derjenige, der die Beratungen geleitet und die Vorbereitungen für den Krieg in Afghanistan vorangetrieben hat. Zum Teil bestätigt der Autor dabei das Bild des texanischen Haudegen. So heißt es an einer Stelle, Bush habe nicht mehr reden, sondern handeln wollen: "Der Präsident wollte jemanden töten." An anderer Stelle ist allerdings auch die Rede davon, daß Bush wiederholt zu Geduld und Bedachtsamkeit gemahnt habe.
Den Kurs seiner Regierung soll der Präsident - so sieht es Woodward - "aus dem Bauch heraus" bestimmen. "Ein Dutzend mal", schreibt der Autor gegen Ende des Buches, habe Bush ihm im Interview gesagt, daß er sich von seinem "Instinkt" leiten lasse. Sein "Instinkt" befahl dem Präsidenten offenkundig auch, dem Drängen des stellvertretenden Verteidigungsministers Wolfowitz zu einem Militärschlag gegen den Irak unmittelbar nach den Terroranschlägen nicht nachzugeben. Auch in späteren Beratungen, in denen Rumsfeld die Sprache auf einen Krieg gegen Saddam Hussein brachte, hat Bush sich nach den Beschreibungen des Autors stets zurückhaltend geäußert. Wann der Präsident seine Auffassung zum Irak änderte und warum, darüber hätte man von Woodward gern mehr erfahren.
KATJA GELINSKY
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