und Finsternis im Moloch Moskau geplant. Aus dem Projekt wurde eine Kino-Trilogie, die mit Vampiren, Hexen und überforderten Exorzisten in ein zeitgenössisches Mittelalter versetzt, wo Leitgestirne von Produktmarken ihr ungesundes Licht über gehetzte Menschen und ihre Wohnruinen ausgießen. Der erste Teil, der jetzt nach Europa kommt, hat daheim beispiellose 16 Millionen Dollar eingespielt. Der zweite soll zum Jahreswechsel in Rußland anlaufen. Und die Fox-Studios wollen eine Prequel-Folge in russischer Sprache und mit russischen Schauspielern produzieren.
Konstantin Ernst zeigt sich befriedigt darüber, daß erstmals ein russisches Filmmärchen sich mit den Mitteln von Hollywood auf dem Weltmarkt durchsetzen kann. Die "Wächter der Nacht" dienen sich dem von virtuellen Welten erzogenen Publikum durch phantasmagorische Spezialeffekte an, einen dynamischen Schnittrhythmus, beachtliche Tonqualität. Das gelbgrüne Licht über der schummrigen Szene, zirkulierende Krähenschwärme, ein Eulenmädchen und eine verwunschene Jungfrau machen die schmuddeligen russischen Hauseingänge, die löchrigen Straßen und selbst die unappetitlich verschwitzten Helden zu Vokabeln einer neuen Designersprache. Mit ihr wird ein lokaler Hollywood-Mythos formuliert, in dem sich der russische Kinokonsument wiederfinden kann, stellt Konstantin Ernst stolz fest.
Wiederfinden sollen sich darin jedoch auch Millionen dürftig behauster Bewohner moderner Megastädte rund um den Globus. Für ein Lebensgefühl, das den einzelnen vor allem als arme geplagte Schachfigur wahrnimmt, erscheinen Amerikas Heldentypen zu tatkräftig und sehen zu gut aus. In den "Wächtern der Nacht" haben die Armeen von Licht und Finsternis einen Waffenstillstand geschlossen, damit ihr Dauerkrieg nicht die Welt in Schutt und Asche legt. Gut und Böse als untrennbar miteinander verwachsen anzusehen wie siamesische Zwillinge sei eine eher östlich fatalistische Vorstellung, erläutert Drehbuchautor Sergej Lukjanenko. Daß in einem amerikanischen Klassiker wie dem "Krieg der Sterne" der jugendliche Lichtheld das Böse in seinem leiblichen Vater bekämpfen muß, Licht und Schatten sich also innigst verketten, ignoriert Lukjanenko. Doch wenn die westliche Filmfigur vor allem eigenverantwortlich handelnd gezeichnet ist, charakterisiert die russische mehr sein Leiden. In den "Wächtern der Nacht" spürt der unglückliche Held im Dienst der Lichtmächte eine illegale Hexe auf, bittet sie dann aber um einen Zauber gegen seine untreue Frau. Um seinen Sohn, nach der Prophezeiung ein künftiger Menschheitsführer, duellieren sich im Finale die Befehlshaber der globalen Armeen. Als der Fürst der Finsternis zu siegen droht, will der Vater sein Kind, um die Welt zu retten, töten - da schlägt sich der Junge auf die Seite der Dunklen. Deren Dämonie sei wenigstens ehrlich, glaubt er, im Gegensatz zur gequälten Heuchelei ihrer Gegner.
Mit dem kommerziellen Erfolg der "Wächter der Nacht" scheint auch Rußlands eher zynische Auffassung von Wahrheit über Amerikas relativen Optimismus einen kleinen militärischen Sieg errungen zu haben. Den machte nicht zuletzt die gewaltige Werbekampagne des mächtigen Ersten Fernsehkanals möglich, wofür man Konstantin Ernst kritisierte. Der Fernsehchef rechtfertigte sich, auf dem Schlachtfeld des Kinomarktes trete er gegen übermächtige Gegner aus Übersee an.
Die "Wächter der Nacht" stellen vor allem eine professionelle kommerzielle Pioniertat dar, findet der Moskauer Filmtheoretiker und Kunstsoziologe Daniil Dondurej. Seine Produzenten hätten erreicht, daß russische Jugendliche, die sich weder Mangelwirtschaft noch ein Leben ohne Computer vorstellen könnten, ihren Kino-Appetit mit einheimischer Kost befriedigten. Doch das Werk, das visuelle Leckereien nach dem Reklameclip-Prinzip aneinanderreiht, leiste für die Filmkunst nichts. Es präge keine eigenen Formen, biete keine Dialoge. Auch daß die "Wächter der Nacht" Jenseits- und Gespenstervisionen kultivieren und keine moralischen Werte vermitteln, beunruhigt Dondurej. Der Kritiker, der sich seit Jahren für einen "positiven" russischen Kinomythos stark macht, hätte viel lieber einen tatkräftigen, findigen Filmhelden gesehen, der sich gegen westliche Konkurrenz, aber auch gegen einheimische Banditen behaupten kann. Das könnte auf seine Landsleute anspornend wirken im besten amerikanischen Sinn.
Aus Dondurej spricht der russische Seeleningenieur. Doch auch ein Meistermanipulator kann sein Menschenmaterial nur bearbeiten, kaum ändern. Die Väter der "Wächter der Nacht" handeln danach. Ernst und Bekmambetow geben offen zu, daß sie in ihren Filmen wie in der Werbung arbeiten. Ein vorzugsweise unreflektiertes Publikum füttern sie mit Märchen, welche die unlösbaren Rätsel der Welt unterhaltsam erklären.
KERSTIN HOLM
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