Häuser und Straßen, die so aussehen wie das expressionistische Mitteleuropa des Weimarer Kinos.
Es ist dieser hübsche kleine Trick, die Welt auf den Kopf zu stellen, welcher einen sofort für Tim Burtons erneuten Ausflug ins Animationsgenre einnimmt. Und wenn er auch digital kräftiger nachgeholfen hat als in seinem "Nightmare before Christmas", so ist doch die Wirkung der im alten Stop-Motion-Verfahren animierten Figuren grandios. Wenn sie Bein zeigen und die Schatten fallen, erinnert ihr Design an De Chirico. Doch sie haben spitz zulaufende Gesichter, große Augen, beredte Brauen und monströse Köpfe, und dem bösartigen Pastor ist sogar sein Buckel über den Kopf gewachsen, während sein Kinn wie ein Schuh aussieht.
Für dieses charmant-morbide Figurentheater braucht man auch keine sonderlich ausgefallene Story. Eine neureiche Fischhändlerfamilie will ihren Sohn mit der Tochter einer versnobten und verarmten Adelsfamilie verheiraten. Victor, der von ferne nicht nur aussieht wie Johnny Depp, sondern im Original auch von ihm gesprochen wird, trifft also Victoria, und man kann das, so voller Anspielungen wie der Film ist, als flüchtige Verbeugung vor Blake Edwards verstehen. Leider patzt der Bräutigam bei der Hochzeitsprobe. Geknickt geht er zum Üben in den Wald und steckt den Ring über den Finger einer Toten, welchen er für einen Ast gehalten hat. Nun ist er schon verheiratet, und wie durch ein Wunder hat seine untote Emily noch ihre Oberweite, obwohl ihr eine Made aus dem Auge kriecht, deren Stimme im Original wie die von Peter Lorre in seinen englischsprachigen Filmen klingt. Ein torsoloser Kopf schenkt bei der Hochzeitsfeier aus, die "Bonejangles" rasseln mit den Knochen, und selbst Victors Hund hat sauber skelettiert diesen heiteren Hades erreicht. Der Tod steht ihnen also ganz gut.
Was sich ein wenig eklig anhört, das ist, sobald man es vor Augen hat, überhaupt nicht unangenehm. Das Loch, welches in Emilys Wange klafft und den Blick auf Backenzähne freigibt, sieht eher aus wie ein Make-up-Defekt, und im Grunde ist diese Welt der fidelen Untoten ganz und gar nicht schrecklich. All die Bilder, die Literatur, Malerei und Kino vom Hades, von Unterwelt und Schattenreich über die Jahrhunderte produziert haben, durchlaufen hier eine Inversion des Schreckens; der kurze, aber heftige Flirt mit der Nekrophilie geht sogar so weit, daß Victor ernstlich überlegen muß, ob er nun zu Victoria zurückkehren oder bleiben soll.
Tim Burton und sein Koregisseur Mike Johnson haben daraus einen danse macabre gemacht, in dem Burton seine Vorliebe fürs Morbide und Märchenhafte austoben kann. Für die von Hollywood-Strategen umworbene jugendliche Zielgruppe kommt der Film rechtzeitig zu Halloween, wohingegen die gebildetere Klientel die Tradition der Friedhofshochzeit schon bis ins ukrainische Schtetl des 17. Jahrhunderts zurückverfolgt hat. Nach all den Untoten, die man in letzter Zeit gesehen hat im amerikanischen Kino, von den "Piraten der Karibik" über "Resident Evil" bis zu George A. Romeros Zombies, fragt man sich allerdings schon, was eigentlich hinter diesen Wiedervereinigungen der Lebenden und der Toten steckt. Steht's so schlecht um Hollywood, daß das Jenseits schon als das bessere Diesseits erscheint?
PETER KÖRTE
Ab Donnerstag im Kino.
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