mehrmals am seidenen Faden einer operativen Maßnahme hing.
Dialog und Schauplatz des von Dusan Kovacevic im Jahr 2002 inszenierten und für den Oscar eingereichten Films "The Professional" (Profesionalac) verraten das vorausgegangene Theaterstück des Autors. Während die Sekretärin und der Abgesandte der Drucker Einlaß begehren, nimmt drinnen der Dialog zwischen Täter und Opfer seinen Lauf, pendelnd zwischen Last und Lust der Erinnerung. Rückblenden leuchten die bizarren Situationen aus, in denen der Stasimann, die Pistole im Gewand, dem Dissidenten nahe kam, und sei es im Kostüm eines Weihnachtsmanns. Die Liaison der Tochter des Geheimdienstlers mit dem Bohemien, dessen Rebellion sich in frechen Sätzen über die Herrschaft der Partei erschöpfte, verleiht der unerwünschten Begegnung zusätzliche Brisanz. "The Professional" kommt, im serbischen Film eher eine Seltenheit, ohne Gewaltszenen und fast ohne zynischen Humor aus. Wieder einmal erweist sich die Komödie als adäquate filmische Antwort auf die Umbrüche in Osteuropa. Daß der Dissident von dem serbischen Kulturminister Branislav Lecic verkörpert wird, verhilft der Inszenierung zu politischer Pikanterie.
Dank einer Initiative des Berliner Progress Filmverleihs können "The Professional" und andere herausragende serbische Spiel- und Dokumentarwerke, die durch das dichte Netz der deutschen Filmfestivals fielen, in einer Reihe mit dem Titel "Nach dem Krieg und jenseits von Kusturica" nun in einzelnen Programmkinos besichtigt werden. Wie sehr die typisch jugoslawische, stets zu Wortwitz aufgelegte Komödie zuweilen tiefschwarz grundiert ist (wie schon bei Kusturica, der sich auf den Produzentensessel zurückgezogen hat), beweist der schon im Jahr 2000, wenige Monate nach dem Sturz von Milosevic, entstandene Film "War live" (Rat uzivo) von Darko Bajic, der den Zuschauer in die Wochen der nächtlichen Explosionen zurückversetzt, der Strafaktionen des Westens, die man in Serbien weder vergessen noch verzeihen will. Wieder einmal geht es um Film im Film: Der Produzent Sergej will sich durch die Angriffe das Geschäft nicht verderben lassen und bezieht darum seinen amerikanischen Sponsor, auch um ihn von der Lynchwut der Straße zu schützen, als Darsteller in die Dreharbeiten ein. Er bewegt ihn sogar dazu, vor laufender Kamera eine amerikanische Fahne zu verbrennen, wovon sich der stille Amerikaner nach seiner Rückkehr distanzieren wird. Immer deutlicher zieht ein Stasi-Mann an Sergejs Fäden, bis dieser sie radikal kappt. Zuerst verbrennt er den Film, dann sprengt er sich mit der Attrappe eines jugoslawischen Kampfjets in die Luft. Sein Selbstmord ist ein Notsignal der Ratlosigkeit, das in die fröhlichen Wiederaufbaujahre des Landes gesendet wird.
Zu dem Paket aus Restjugoslawien gehört auch der in einer einzigen Nacht in Belgrad spielende Musikfilm "Thunderbirds" (Munje) von Radivoje Andric, dessen Sound aus dem Fundus des legendären Oppositionssenders "B 52" stammt, ein serbischer Kinohit des Jahres 2002. Drei Dokumentarfilme halten tagebuchartig die Zeit der Angriffe auf Belgrad fest, die von Milosevic und seinem Apparat für ihre Zwecke genutzt wurden. Trotz verminderter Produktionsbedingungen - derzeit entstehen pro Jahr nicht mehr als sechs Spielfilme - zeigt die serbische Kinematographie wieder eine erstaunliche Frische und Qualität, die unsere Aufmerksamkeit verdient.
HANS-JÖRG ROTHER
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