Hazanavicius mit "The Artist" den großen Publikumserfolg geschafft hat, der Kaurismäki seinerzeit verwehrt blieb: Der finnische Regisseur wählte die für ihn typische Form des Melodrams. Damit steht er durchaus in der Tradition des Stummfilms der zehner und zwanziger Jahre, aber das, was man heute mit dieser Kinozeit verbindet (natürlich vor allem vermittelt durchs Fernsehen), ist der Slapstick, wie ihn Harry Langdon, Harold Lloyd, Buster Keaton oder Charlie Chaplin mit ihren Filmen geprägt haben. "The Artist" knüpft mit seinem teilweise überschäumenden Tempo (und auch dem Hündchen Uggie) sehr geschickt an diese Traditionslinie an, ohne die spezifisch melodramatische Stimmung jener Kinoepoche zu vernachlässigen. "Juha" dagegen bleibt vor allem als trauriger Film in Erinnerung.
Aber es gibt auch Beispiele für erfolgreiche Stummfilme in der Tonfilmzeit, denen schon genau diese populäre Mischung geglückt ist - und die berühmtesten und besten stammen natürlich von Charlie Chaplin, der 1931 mit "Lichter der Großstadt" und 1936 mit "Moderne Zeiten" wunderbare tragikomische Werke schuf, in denen man den Ton keine Sekunde lang vermisst (beide auf DVD bei Arthaus und noch viel schöner bei Criterion, aber da nur in Regionalcode 1). Oder nehmen wir mit gehörigem zeitlichen Abstand sowohl zu "Lichter der Großstadt" als auch zu "The Artist" Ettore Scolas "Le bal" - ein Film aus dem Jahr 1983, in dem auch kein Wort gesagt wird (derzeit nur als Import aus Frankreich, TF1 Video). Allerdings setzt Scolas Handlung in den dreißiger Jahren ein und schreitet dann voran bis zu seiner Gegenwart, während "The Artist" konsequent in den zwanziger Jahren bleibt.
Und Hazanavicius erlaubte sich sogar den Spaß, die Zahl seiner Filmbilder auf 22 statt 24 pro Sekunde zu reduzieren, um dem optischen Eindruck der Vergangenheit nahezukommen. So konsequent war dann doch keiner seiner Vorläufer.
apl
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