wird. Und "Adaptation" handelt davon, wie Charlie Kaufman an der Adaption eines Buches scheitert. Der liebste Gegenstand von Charlie Kaufmans Büchern ist also eigentlich Charlie Kaufman selbst, der mit der Realität Pingpong spielt.
Wenn also seine erste Regiearbeit "Synecdoche, New York" heißt, dann kann man den Bezug auf die rhetorische Figur der Synekdoche, bei der ein Wort durch einen Begriff engerer oder weiterer Bedeutung ersetzt wird, getrost auch auf den Film ausdehnen, in dem Charlie Kaufman durch eine Figur ersetzt wird, die mehr oder weniger mit ihm zu tun hat. Und weil diese Art von Selbstbezüglichkeit bei ihm Methode hat, handelt der Film von einem Mann, der sein eigenes Leben als Stück inszeniert, das so ausufert, das am Ende das Inszenieren des Stückes selbst in dem Stück vorkommt, bis sich am Ende wieder mal alles in den Schwanz beißt.
Philip Seymour Hoffman spielt diesen Mann Caden Cotard, der mit einer Malerin (Catherine Keener) unglücklich verheiratet ist und sich hauptsächlich mit seinen mehr oder minder eingebildeten Krankheiten befasst, wenn er nicht gerade "Tod eines Handlungsreisenden" inszeniert. Das Stück wird zwar ein Erfolg und bringt seinem Regisseur ein Stipendium mit nahezu unbegrenzten Möglichkeiten, aber seine Frau zieht mit der kleinen Tochter nach Berlin, und die Gebrechen nehmen immer realere Formen an.
Ehe man sich bei Kaufman in Nacherzählungen verliert, muss man dazusagen, dass das Geschehen kaum dem Schema von Ursache und Wirkung folgt. Es ist geradezu so, dass vieles in dieser Welt ohne Wirkung bleibt, als sei alles nur ein böser Traum, in dem sich keiner über irgendetwas zu wundern scheint. So leidet Cotard immer wieder an seltsamen Hautausschlägen, die in der nächsten Szene wieder verschwunden sind; und aus dem Berlin-Trip, der eigentlich nur für einen Monat geplant war, sind auf einmal Jahre geworden, in denen der Vater die gesamte Kindheit seiner Tochter verpasst hat, ohne dass er es überhaupt gemerkt hätte. Als Cotard sie später besucht, arbeitet sie als ganzkörpertätowierte Stripperin, was Kaufman zu einer bizarren Parodie von "Paris, Texas" verleitet.
Und als sei das der Absurditäten noch nicht genug, sieht man Samantha Morton immer wieder in ihrer Wohnung, in der es überall glimmt und glüht, ohne dass irgendjemand je das Feuer zur Kenntnis nehmen würde.
In dieser immer surrealeren Charlie-Kaufman-Welt macht sich der Regisseur also an die Inszenierung seines Stückes, das nicht nur die ganz großen Themen behandeln soll, sondern auch in einem Hangar inszeniert wird, in dem problemlos Zeppeline herumfliegen können. Überhaupt scheint das Stück bald die Grenzen zur Wirklichkeit zu sprengen, indem der Regisseur sein Leben in immer größeren Kreisen in ein Stück verwandelt, bis man kaum mehr auseinanderhalten kann, wer "reale" Figur und wer Schauspieler sein soll, weil das Stück im Stück auch schon wieder davon handelt, wie ein Mann sein Leben in ein Stück verwandelt.
Wen das an Jorge Luis Borges' Geschichte von den Landvermessern erinnert, die in "Von der Strenge der Wissenschaft" eine Karte schaffen, die genau die Größe des Reiches hatte und sich mit ihm an jedem Punkte deckte, der hat verstanden, wie Kaufmans Film tickt. Das ist natürlich nicht ohne Witz in Szene gesetzt, aber doch auch relativ schnell ermüdend. Denn hier frisst nicht nur die Fiktion die Wirklichkeit, sondern der ganze Film frisst sich selbst.
Das Problem bei Kaufman ist, dass er so hingebungsvoll an der Konstruktion seiner Bücher arbeitet, dass er ihnen das Leben austreibt. Aber auch das hat er natürlich bereits mitgedacht: Der Name seines Helden bezieht sich auf das Cotard-Syndrom, einen nihilistischen Wahn, bei dem der Kranke überzeugt davon ist, dass er tot ist, nicht existiert oder innerlich verwest. So gesehen ist "Synecdoche" der reinste Zombiefilm.
MICHAEL ALTHEN
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