in Gegenrichtung des Uhrzeigersinns erzählt jetzt Brian Helgeland "A Knight's Tale" (so der Originaltitel). Auch seine Ouvertüre ist einer der unzerstörbaren Songs von "Queen", der Band des 1991 verstorbenen Freddie Mercury. Programmatisch bringt "We will rock you" die Menschenmenge, die um einen mittelalterlichen Turnierplatz versammelt ist, in rhythmische Schwingungen, während die Kamera liebevoll den Ort der Handlung und seine Personnage abtastet. Am Rande des Geschehens haucht in der Wettkampfpause ein in die Jahre gekommener Recke unter einem Baum sein ziemlich ungepflegtes Leben aus, kurz bevor er mit einem letzten Lanzengefecht vielleicht gewonnen hätte. Sein junger Junker William ergreift die unerlaubte Chance und das zerbeulte Blech der Rüstung seines Herrn samt dessen Gaul, reitet die letzte Bahn und bleibt - unerkannt - Sieger: A star is born. Ab jetzt wird getjostet und gerockt.
Der Melancholie, die Christopher Lambert dem Highlander Connor MacLeod verlieh, setzt "Ritter aus Leidenschaft" die strahlende Blondheit des William Thatcher entgegen, der sich fortan Ulrich von Lichtenstein nennen wird, und dessen Leitspruch: "Ein Mann kann seine Sterne neu ordnen." Mit fulminantem Aufwand wird die uralte immerfrische Parabel des Homo novus inszeniert, den nicht das Blut adelt, sondern Kühnheit, Menschlichkeit, Treue und Stolz - weniger geistige Gewandtheit. Den Part des Geistes in der Parvenu-Story übernimmt für William und seine Getreuen ein gewisser Geoff Chaucer, der ihm einen falschen Adelsbrief schreibt und fortan sein Herold wird. Die Einführung dieser Figur hat wirklich Witz; denn sie verleiht dem Film genau die Doppelbödigkeit, die ihn zum fast reinen Vergnügen machen kann. Geoff Chaucer ist an den Schöpfer der "Canterbury Tales" nicht biographisch angelehnt, aber von der ironischen Haltung her, die jede historische Wirklichkeit ständig als Fiktion entlarvt. So gewinnt der Film in der Figur des nervösen Dichters, der zwischen den Zeiten flottiert, vorsätzlich die lächelnde Unentschiedenheit, die ihn liebenswürdig macht.
Brian Helgeland schrieb das Drehbuch für "Ritter aus Leidenschaft" und führte Regie. Für das Drehbuch von "L.A. Confidential" in der Regie von Curtis Hanson erhielt Helgeland 1998 einen Oscar. Auch wenn die beiden Filme sternenweit voneinander entfernt sind, verraten sie doch dieselbe Handschrift. Hinter der scheinbar mühelosen Leichtigkeit des juvenilen Rittermärchens steht eine sorgfältige Choreographie, die die schweren schnaubenden Rösser und die jederzeit zum Brillieren auf eigene Faust sprungbereiten Hauptdarsteller mit ruhiger, sicherer Hand auf Kandare reitet. Dabei sekundiert unter Dauerdröhnung die "Shakespeare in Love"-erprobte, ständig aufmerksame Kamera von Richard Greatrex. Sie zirkelt die Arenen für den Kampf von Gut und Böse genau ab. Ob dabei Heath Ledger in der Hauptrolle des William gut - oder nur ungestüm und gut geführt - spielt, ist in der herrschenden Rasanz schwer zu sagen. Jedenfalls funktioniert er als hübscher Naiver - gewiß nicht als reiner Tor; aber ein Parzival ist schließlich nicht von ihm verlangt. Das Sinistre schlechthin dagegen gibt der englische Schauspieler Rufus Sewell als Graf Adhemar, Williams mächtiger Rivale: schwarz, verfeinert, grundverdorben. Paul Bettany verleiht seinem Geoff Chaucer mitreißend das flackernde Temperament des Suchtgetriebenen.
Wer es also mag, wenn zu guter alter Musik von David Bowie, Eric Clapton oder "Sly & The Family Stone" die Fetzen fliegen, bis die Lanzen splittern, ist bestens bedient. Gastmahle mutieren zu Discofesten, und die Kostümierungen kommen eher von Tom Ford als aus der Kemenate der hohen Frouwe. Leider einigermaßen zahmlahm ist die Lovestory zwischen William und seiner bezaubernden Dame Jocelyn - wahrlich, Lanzelot bot da einst mehr heißes Blut an König Artus' Hof. Hier treffen sich eher das uptown girl und der downtown boy im zeitverschobenen "Saturday Night Fever". Aber diese Weichzeichnerleidenschaft wird vom hitzigen Staub der Kampfplätze, dem streitsüchtigen Zusammenhalt der vier um William versammelten ungleichen Freunde auf Aventure, vom Pomp und Tempowechsel der Geschichte wettgemacht.
Verfügt man über ein kindliches Gemüt, bleibt vom Ritterspiel ungefähr der Spaß hängen, den der Lärm eines gelungenen Rockkonzerts verursacht. Und die Erkenntnis am triumphalen Schluß, daß doch noch ein anderer als Freddie Mercury selbst "We are the Champions" röhren kann, die globale Hymne der Berufsjugendlichen. Robbie Williams schafft auch das: noch so ein Ritter des Pop, der durchkam.
ROSE-MARIA GROPP
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