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Mit diesem Szenario sieht sich in der Komödie "Jagdsaison" eine junge Frau namens Eva konfrontiert. Sie hat ihren Ex-Mann an einen Instagram-Star namens Bella verloren, und auch die Tochter lebt in dem neuen Familienzweig. Von einem solchen könnte man sprechen, wenn man die Sache konstruktiv sehen möchte, doch dazu ist Eva (Rosalie Thomass, bekannt zum Beispiel aus den "Känguru"-Filmen) keineswegs geneigt. Sie reagiert eher destruktiv auf ihre neue Rolle und hat sich auch drei Jahre nach der Trennung noch nicht so richtig mit ihr abgefunden, geschweige denn, dass sie selbst einen neuen Partner für einen potentiellen neuen Familienzweig gefunden hätte.
Die Vorbereitungen auf die nicht gut zu vermeidende Teilnahme an der Geburtstagsfeier der kleinen Olivia gleichen denn auch einem Rüstungswettlauf. Zuerst werden Plastikschießeisen in einem Superstore ausprobiert, dann schickt die Tochter eine Einladung, die bei jeder Berührung aggressive Töne von sich gibt - vor allem dann, wenn man das Ding zum Schweigen bringen möchte, wozu Eva allen Anlass hat, als sie einer von Olivias Lehrerinnen gegenübersitzt, neben sich ihren Ex-Mann und die immer perfekte Bella. Mit derlei Tücke des Objekts haben Komödien seit jeher gearbeitet, und auch diese Szene ist wirklich lustig, zumal wie Rosalie Thomass sie spielt.
Der Regisseur Aron Lehmann wurde 2018 mit der romantischen Komödie "Das schönste Mädchen der Welt" bekannt. Nun hat er sich einen Hit aus Dänemark als Vorlage genommen: "Jagdsaison" (2019) hieß auch schon im Nachbarland so. Zu Beginn stehen die Zeichen auf Zickenkrieg, aber das wäre eine Variante, die längst als nicht mehr zeitgemäß erkannt wurde. Es geht vielmehr darum, weibliche Solidarität in einem Umfeld zu entdecken, in dem man satisfaktionsfähige Männer ohnehin nicht so leicht findet. "Sisters before misters" lautet eine einschlägige Parole. In "Jagdsaison" gibt es neben Eva und Bella noch eine Marlene, die zur Komplettierung der Frauenriege beiträgt und die auch das Waidmannswesen ins Spiel bringt. Sie hat auf einer Tagung in Finnland einen Mann kennengelernt, der ihre Beziehung gefährden könnte. Dieser Gefahr will sie durch eine paradoxe Intervention begegnen: Marlene will die Affäre mit dem Finnen, die noch gar nicht begonnen hat, dringend abarbeiten, um in die Beziehungsroutine zurückkehren zu können, nach Möglichkeit inspiriert.
Sie will ihr Bedürfnis nach einem Seitensprung "wegvögeln" - auch in "Jagdsaison" werden gelegentlich Sachverhalte umschrieben, öfter jedoch geht es begrifflich, inhaltlich und auch ästhetisch sehr direkt zur Sache. Zum Beispiel, als Eva sich eine Schamhaarfrisur machen lassen will (im Angebot unter anderem das Modell "Hitlerbärtchen") und dabei auf den Gedanken gebracht wird, im Intimbereich gäbe es Jahresringe. Um diesbezüglich Klarheit zu gewinnen, braucht sie ihr Telefon, das aber, wenn man nicht aufpasst, Bilder auch gleich verschickt.
In Amerika hat sich seit den Neunzigerjahren ein Komödientypus entwickelt, der virtuos mit Ekel und Peinlichkeit spielt (das englische Wort "gross" für Unanständiges der gröberen Art gab die Richtung vor). Mit "Jagdsaison" ist dieses Phänomen, das anfangs vor allem auf ewige Adoleszenz setzte, in der Mitte der Lebensgeschichten und in der Mitte der Gesellschaft angekommen.
Es ist keineswegs ein Jungsphänomen geblieben und ließ sich sogar vom Stigma der ewigen Regression befreien: Die Schwestern bei Aron Lehmann sind progressiv "gross", im Grunde wird auch allmählich deutlicher, dass Bella diejenige ist, die aus ihrem Elfenbeinturm befreit werden muss. Die Männer sind, bis auf einen Clown, allesamt in ihrer wie gecasteten Makellosigkeit vollkommen uninteressant. Oder explizit nur als Träger eines Körperteils relevant, der in Textnachrichten durch Auberginen repräsentiert wird.
Die beste Pointe hat "Jagdsaison" übrigens im Abspann, wo mit dem Hit "Ich find' dich scheiße" von Tic Tac Toe aus dem Jahr 1996 erkennbar wird, dass Frauen wie Eva keineswegs traditionslos durch das Leben gehen müssen. Sie brauchen keine "American Pies", um neue Familienzweige ohne zweifelhaftes Gemüse zu gründen. Auch Deutschland war schon "sassy", als im Kino noch "Der bewegte Mann" als Anlass zur Heiterkeit dienen musste. BERT REBHANDL
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