und Sam geht den Weg aller einsamen Väter: zum Anwalt.
Sean Penn ist Sam Dawson. Dies ist, sieben Jahre nach "Dead Man Walking", wieder eine jener Rollen, die Penn zu lieben scheint, ein Part, in dem er sich verausgaben, verlieren, verzehren kann. Und so verzehrt er sich, aber zu schnell. Von Dustin Hoffmans Auftritt als "Rain Man" hätte Penn lernen können, daß man Behinderte, und nicht bloß Autisten, eher nach innen als nach außen spielen muß, daß ihre Glaubwürdigkeit keine Frage der Lautstärke ist. Doch Penn, scheint es, wollte unbedingt einen Oscar für "Ich bin Sam" haben, jenen Oscar, den dann Denzel Washington bekam für "Training Day". Einen Trainingsfilm für Sean Penn, so könnte man "Ich bin Sam" nennen, wenn das nicht zu gemein wäre.
Aber nach einer halben Stunde im Kino ist das sowieso egal, denn bis dahin hat der Film mit seinen hastig geschwenkten, nach "Dogma"-Art geschnittenen Bildern alles verspielt, worum er eigentlich kämpft, unseren Glauben, unsere Rührung, unsere Sympathie. Dann jedoch kommen die Regisseurin Jessie Nelson und ihre Koautorin Kristine Johnson auf die übermütige Idee, Michelle Pfeiffer als Anwältin mit Penn zusammenzubringen, und auf einmal rastet etwas ein zwischen den beiden, die da vor der Kamera stehen, etwas Unnennbares, das man auch in tausend Filmkritiken nicht ergründen kann. Und so schaut man erst interessiert, dann gebannt zu, wie Pfeiffers Eleganz und Penns Furor einen unwahrscheinlichen Einklang bilden, bis das Drehbuch wieder die Oberhand gewinnt.
Der Film endet unentschieden. Das liegt nicht daran, daß er besonders intelligent und independent wäre, sondern daß er gar nicht genau weiß, was er uns eigentlich erzählen will. Soll Sam seine Tochter wiederbekommen? Soll er sie bei der netten Pflegemutter (Laura Dern) lassen? Jessie Nelson möchte uns mit der Antwort nicht belasten, deshalb spielt sie uns lieber ein paar Coverversionen von alten Beatles-Liedern vor, angeblich, weil Sam Dawson ein Fan der vier Pilzköpfe ist, in Wahrheit aber, damit wir nicht merken, was da für ein Durcheinander auf der Leinwand angerichtet wird. Einmal, als Zeuge vor Gericht, sagt Sam einen ganzen Monolog aus "Kramer gegen Kramer" auswendig auf, und da merkt man plötzlich, woher der Schwung für "Ich bin Sam" gekommen ist. Weit getragen hat er leider nicht.
kil.
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