war der junge Polizist, der nicht mitmachte und sich eine Kugel fing, weil seine Kollegen ihn im Stich ließen.
Sidney Lumet drehte diesen Film in den Straßen New Yorks 1973 mit einem Ausmaß an Realismus, der vor dem Eiterfleck auf dem Kopfkissen des Verletzten nicht haltmacht. Und er macht aus dem Cop einen Hippie - Haare und Bart Serpicos werden immer länger, während der Hund, den er als Welpe gekauft hatte, auf Kalbsgröße anwächst. Unglaublich, was Lumet an Zeitgeschichte in diesen Film packen kann, von der Party, auf der mit fuchtelnden Armen und gebeugten Knien getanzt wird und jeder etwas anderes werden will, als er ist, bis zum Beziehungsgespräch in einem Café in Greenwich Village. Und dann sind da natürlich die Ansichten von New York, das damals in keinem guten Zustand war - von den Dächern hinab in die vermüllten Schluchten, aus dem Rinnstein hinauf und an trüben Scheiben entlang, immer wieder nachts, die Dunkelheit durchschnitten von den Blaulichtern der Polizei. Die Sirenen heulen schon, bevor der Vorspann richtig losgeht.
Al Pacino hatte zwar schon die Rolle des Michael Corleone aus dem "Paten" in den Knochen, als er für Lumet den ehrlichen Cop und zwei Jahre später einen schwulen Drifter spielte, der sich an einem höllisch heißen Tag das Geld für die Geschlechtsumwandlung seines Freundes bei einem Banküberfall holen will - übrigens auch eine wahre Geschichte und wahrscheinlich die erste im Kino, in der ein Transsexueller eine entscheidende Rolle spielt. Aber wahrscheinlich haben "Serpico" (1973) und "Hundstage" (1975) seine Karriere mindestens ebenso beflügelt wie Coppolas Mafiaepos. Denn Lumet gibt ihm zwei Männer zu spielen, die auch in ihrer nächsten Umgebung Außenseiter sind, die gleichzeitig cool und nervös agieren und in denen sich etwas abgelagert zu haben scheint von der Stadt, in der sie leben: Cleverness, der Glaube, Unmögliches zu schaffen, eine Furchtlosigkeit im eigenen Anderssein. Beide Male geht es nicht gut aus für diese Figuren, aber es gibt auch witzige Szenen, wie die, in der Pacino, nachdem sich der Banküberfall zum Geiseldrama ausgewachsen hat, ein Fluchtflugzeug bestellt. "In welches Land willst du denn fliegen?", fragt er seinen Komplizen, den John Cazale mit unfassbarer Melancholie spielt. "Wyoming", sagt der, und das ist so komisch (und improvisiert), dass Lumet, so erzählte er einmal, beinahe die Tonaufnahme ruiniert hätte, weil er loslachen musste.
lue.
"Hundstage". Warner. 2 DVDs, 119 Min., Englisch, Deutsch, diverse Untertitel, Audiokommentar, Making-of, Doku.
"Serpico". Kinowelt. Blu-ray, 130 Min., Englisch, Deutsch, Untertitel.
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