Dinge für den Jungen herzlich ernst stehen. So kommentiert er die Einsamkeit, die ihn auf dem Schulweg umgibt, mit den resignierten Worten: "Nicht, daß ich die anderen nicht leiden kann - aber ich gehe lieber allein nach Hause. Außerdem bin ich es so gewohnt."
Der dänische Spielfilm "Hodder rettet die Welt" von Henrik Ruben Genz nach Bjarne Reuters schönem Kinderbuch von 1998 konzentriert sich ganz auf die Perspektive des Jungen, ohne ihm je das Rätsel zu nehmen, das ihn umgibt. Das ist eine Gratwanderung, im Ergebnis aber ein großer Gewinn. Denn die Tagträume, die Hodder heimsuchen, allen voran eine Fee, die ihm mitteilt, er sei "auserwählt" und müsse "die Welt retten", ein freundlicher reimender Boxer, genannt "der Poet des Rings", der den Jungen bei der Mission unterstützen will, oder schließlich der buntgekleidete Südseeinsulaner William Ludo, der über den Ozean gekommen ist, nur um Hodder "für deine Taten zu ehren" - all diese Phantasien, die den Jungen überfallen, wurzeln in einer Einsamkeit, deren bedrückende Gewalt auch für den Zuschauer eine Zeitlang verborgen bleibt. Erst muß Hodder den Versuch unternehmen, buchstäblich übers Wasser zu gehen, bis sich der Druck, der auf dem Jungen lastet, und die Suggestion, die von seinem selbstgeformten Weltbild ausgeht, vollständig offenbaren.
Frederik Christian Johansen verleiht dem vereinsamten Hodder einen brüchigen Charme, der den Film hindurch anhält und hinter dem um Fassung bemühten Kinderlächeln tatsächlich immer wieder virtuos Risse sichtbar macht - eine erstaunliche Leistung, hinter der die glänzend ausgesuchten übrigen jugendlichen Darsteller nicht zurückstehen: Da ist der fiese Alex, der durchtriebene Anführer der Klasse, der ungestraft Hodder nach Hause schicken darf, weil der die anderen beim Unterricht nur störe; die kleine rothaarige Isländerin Kamma, die im Biologieunterricht immer Anschauungsmaterial aus dem Schafstall präsentiert ("In Island essen wir die Schafsnieren roh!"), und schließlich der starke Filip, der sehr unter der Trennung seiner Eltern leidet, was keiner wissen soll.
Am Ende wird Hodder sich von der Bürde befreien, gleich die ganze Welt retten zu müssen - er fängt bei sich selbst an. Daß er dabei auf einmal nicht mehr allein dasteht, daß die Phantasiehelfer bereitwillig Menschen aus Fleisch und Blut Platz machen, ohne daß die Ebene der Tagträume dadurch diffamiert würde, ist die erfreulichste Wendung in einem der schönsten Kinderfilme seit langem.
TILMAN SPRECKELSEN
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