als er selbst von einer London-Reise zurück nach Lyon kommt, findet er dort im Liebesnest hinter dem schönen Klingelschild "Paradies" die Geliebte nicht mehr vor.
Gabrielle Deneige hat die kleine Wohnung genauso kommentarlos verlassen, wie Saint-Denis nach den ersten Liebesnächten nach London gefahren war. Der Mann mobil, die Frau im Bett - so hatte er sich das wohl vorgestellt, und so mag es ein Leben lang auch gelaufen sein. Saint-Denis dürfte auf die sechzig zugehen; Gabrielle aber ist mehr als dreißig Jahre jünger und gehört damit einer Generation an, für die das Rollenbild von Frau und Mann nicht mehr ganz so eindeutig festgelegt ist. Dennoch ist sie dem schreibenden Schwerenöter verfallen, nicht zuletzt auch, weil außerdem noch der junge Schnösel Paul Gaudens hinter ihr her ist, ein Mutter- und Millionärssöhnchen, das keine anderen Grenzen akzeptiert als den Inhalt seines Portemonnaies - also keine. Entsprechend subtil fallen seine Werbungen um die Gunst der schönen Fernsehmoderatorin Gabrielle aus.
Das Dreieck mündet erst in eine Eheschließung und dann in einen Schuss. Was von beidem tragischer ist, mag dem Geschmack des Zuschauers überlassen bleiben, auch wenn Claude Chabrol in "Die zweigeteilte Frau" keinen Zweifel daran lässt, welchem der beiden Männer seine Sympathie gehört. Der beinahe siebenundsiebzigjährige Regisseur hat sich wieder einmal den erotischen, wirtschaftlichen und psychologischen Abgründen der Bourgeoisie zugewandt, die nur dadurch gemildert erscheinen, dass sie bisweilen einen künstlerischen Antrieb befeuern - und bei Chabrol ist Literatur nicht notwendig größere Kunst als Mord oder Ehebruch. Doch der junge Gaudens, Sohn eines vor zehn Jahren verstorbenen genialen Chemikers, der einen gewaltigen Konzern aufgebaut hat, den der Junior lenken soll, aber nicht will, hat keinerlei Talent, nicht zum Unternehmer, nicht zum Liebhaber und nicht zum Täter. Die Chemie stimmt nicht.
Benoît Magimel spielt diesen verzogenen Erben bemitleidenswert blasiert, während der Chabrol-Veteran François Berléand den Schriftsteller begeisternd blasiert gibt. Beides ist eine Leistung, und zwischen all dieser Blasiertheit hat die zauberhafte Ludivine Sagnier als Gabrielle keinen leichten Stand, denn sie kann noch nicht die notwendige schauspielerische Erfahrung in die Waagschale werfen, um bei einem Menschenbilderfänger wie Chabrol zu bestehen. Sein neuer Film ist wie gewohnt bis in die kleinste Rolle klug besetzt; da erstaunt die Wahl der Hauptdarstellerin denn doch etwas.
Überrascht wird man von Chabrol schon lange nicht mehr, aber immer auf hohem Niveau unterhalten. Das ist hier nicht anders, und gerade die winzigen Details machen ein intellektuelles Vergnügen aus, das sich dem verschließt, der allein auf Handlung abstellt. Mathilda May als tief ausgeschnittene Agentin des Schriftstellers ist eine diabolische Gestalt, die witzigerweise den Mönchsnamen Capucine trägt. Wenn sie zu Beginn des Films zum Anwesen von Saint-Denis fährt (dessen Heiligenname gleichsam in die Irre führt, weil er ihn sich als Nom de plume selbst zugelegt hat), ist alles außerhalb des Wagens in tiefes Rot getaucht, und dazu singt Turandot von der Todesdrohung für diejenigen, die ihr Rätsel nicht lösen können. Die größte Enttäuschung seiner Liebe zu Gabrielle erfährt Paul, als sie ihm einen Putto schenkt - eine asexuelle Engelsgestalt. Alle wollen hier gerne ein bisschen teuflisch sein, selbst Gabrielle, die ihre Initiation in die Gepflogenheiten eines eleganten Sexclubs sogar vor Publikum genießt (ohne dass Chabrol die Szene zeigt).
Am Schluss ist das Dreieck zerschlagen, und Gabrielle scheint es gar nicht besonders zu berühren: Diese Frau ist mit sich im Reinen. Doch dann greift eine letzte Figur ins Geschehen ein: Denis Deneige (Etienne Chicot), der Onkel von Gabrielle, der sich als Zauberer Merlin auf kleinen Bühnen durchschlägt. Er hatte vorher einen kleinen Auftritt im Film, aber von seiner Profession war da nichts zu erfahren. Nun sorgt er dafür, dass der bis dahin nur wie eine Behauptung klingende Filmtitel wenigstens äußerlich seine Berechtigung erhält.
ANDREAS PLATTHAUS
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