Münchener Hochschule.
Die Geschichte dieses dokumentarischen Spielfilms könnte fast eine autobiographische sein: Nansa, ein sechsjähriges Mädchen, kommt im Sommer aus der Stadt, wo sie die Schule besucht, zu den Eltern und Geschwistern ins Sommerlager im Norden des Landes. Beim Umherstreifen entdeckt sie in einer Höhle einen kleinen Hund, den der Vater nicht dulden will. Weil er jedoch mit seiner Drohung nicht gleich Ernst macht, sondern mit dem Motorrad zu Geschäften in die Stadt fährt, wird es für Nansa ein schöner Sommer mit dem Hund, dem Pferd und mit Geschichten wie der von der Höhle des gelben Hundes. Ein Mensch kann als Hund wiedergeboren werden, erfährt sie. Den Vater stimmt die Legende dagegen nicht versöhnlich. Als die Familie weiterzieht, muß das kleine Tier zurückbleiben.
Byambasuren Davaas Film ist eine Mischung aus Fiktion und Dokument. Die Familie spielt sich selbst, nach den Anweisungen der Regisseurin, die keinen ethnographischen Guckkasten installieren, sondern auch die Schatten der Neuzeit über der ihr vertrauten Kultur spiegeln wollte. Da wird den Kindern aus der Stadt ein quäkender, pinkfarbener Stoffhund mitgebracht und der Mutter eine giftgrüne Schöpfkelle aus Kunststoff, die über dem offenen Feuer sofort ihre Form verliert. In der Schlußszene fahren das Gespann mit der spärlichen Habe der Familie und ein Lautsprecherwagen, der zur Teilnahme an den Wahlen auffordert, mitten im menschenleeren Steppenland aneinander vorbei - ein absurdes Bild.
Die Regisseurin versteckt ihre Bestürzung hinter Lakonik. Das Dokumentarische liegt ihr, dramatische Konflikte scheint sie lieber zu meiden. Das Leben der Nomadenfamilien dürfte viel schwerer sein, als es hier die Sicht einer Sechsjährigen wiedergibt. Byambasuren Davaa will weder gründlich erkunden noch - wie Nikita Michalkow in "Urga" - zur spektakulären Erzählung ausholen, sondern ihre behütete Erinnerung in eine Gegenwart tragen, in die sie schon fast nicht mehr hineinpaßt.
HANS-JÖRG ROTHER
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