doppelten Ausbruch des künstlichen, vor allem aber kunstvollen Vulkans, in dem Fürst Franz von Anhalt-Dessau seine daheim zur Ideallandschaft gewordenen Reiseimpressionen gipfeln ließ, muss man sich nun als Schaulustiger erst einmal wieder längere Zeit gedulden, denn den Einsatz dieser Attraktion überlegt man sich schon des Aufwands wegen in Wörlitz genau.
Vulkan und Insel Stein sind im Bildband "Wörlitz - Eine Annäherung" nur einmal aus der Ferne festgehalten: im Hintergrund eines Fotos aus einer Suite von Ansichten, die Schochs Garten zeigen, der nach dem wichtigsten Gärtner aus der Ursprungszeit des Parks, Johann Leopold Ludwig Schoch dem Älteren, benannt ist, den Fürst Franz 1793 hier begraben ließ. Gemeinsam hatten die beiden Männer die Vision des Gartenreichs verfolgt, doch nun erweist sich der Fotograf János Stekovics in ihrem Bund der Visionäre als Dritter - mit mehr als zweihundert Jahren Abstand.
Stekovics ist der eigentliche Autor des Bildbandes, auch wenn sein Name auf den ersten Blick nur als Verleger erscheint. Der 1959 in Ungarn geborene Fotograf gründete den nach ihm benannten Verlag 1992 in der Kleinstadt Wettin in Sachsen-Anhalt, dem Stammsitz der Wettiner-Dynastie, und passenderweise spezialisierte er sich auf kulturwissenschaftliche Regionalbände. Wobei die Kultur der dortigen Region Weltnivau hat, nicht nur im Falle des Dessau-Wörlitzer Gartenreichs.
Das gilt auch für Stekovics als Fotograf, der den größten Teil des Bildmaterials für seine Verlagsprodukte selbst erstellt. Mit dem Wörlitz-Band hat er sein bisheriges Hauptwerk geschaffen: ein Fotoporträt von Schloss und Park im Wandel der Jahreszeiten, elegisch, romantisch, auch phantastisch, denn es findet sich kein einziger Mensch in seinen Bildern der Touristenattraktion. So kann man beim Betrachten des Bands ins Träumen geraten und sich das Gartenreich vorstellen, wie Fürst Franz es sich als Letzter darbieten lassen konnte, wenn er es denn wünschte: als Privatpark. Wobei schon er die Anlage für seine Untertanen und neugierige Besucher von auswärts öffnen ließ.
Eingestreut wie die märchenartigen Gebäude im und am Park - etwa das Gothische Haus, der Venustempel, die Synagoge, natürlich das Schloss selbst - sind im Buch kurze Essays von sechs renommierte Autoren, darunter Vittorio Magnago Lampugnani, Bazon Brock und Michael Stürmer, die in konzentrierter, bisweilen auch sehr persönlicher Form ihre jeweiligen schriftlichen Annäherungen Wörlitz widmen (zweisprachig, Deutsch und Englisch). Architektur- und geistesgeschichtlich bleiben da keine Wünsche offen. Doch der Clou sind eben die Fotografien, die das Innere des erst kürzlich restaurierten Schlosses ebenso als eine Kulturlandschaft inszenieren wie den Garten. Und wie aus den Booten auf den Wasserwegen eröffnet sich auch im Buch auf der Tour durch den Park eine überraschende Ansicht nach der anderen. Dass dabei gerade jene Perspektiven fehlen, die man zuvorderst erwartet hätte, das verdankt sich dem Mut des Verlegers und der Kunst des Fotografen János Stekovics.
ANDREAS PLATTHAUS
"Wörlitz". Eine Annäherung.
Verlag János Stekovics, Wettin 2017. 352 S., Abb., geb., 39,95 [Euro].
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