Milo Dor

Gebundenes Buch

Wien, Juli 1999

Eine Geschichte

Beschreibung

Im Österreich des Jahres 1998 hat die "Bewegung" bei den Wahlen die Macht im Staat übernommen. Ihr Führer schwingt sich auf zum Volkstribun. "Der Notstand, in den uns die alten Parteien versetzt haben, erfordert Sofortmaßnahmen," tönt es aus den gleichgeschalteten Medien. Für Ausländer werden zwecks Abschiebung Sammelstellen errichtet, "arbeitsscheue Elemente" werden in Arbeitslager gesteckt. Anläßlich einer Massenkundgebung sollen weitere Maßnahmen verkündet werden...
Melancholie und Trotz, Poesie und Mut zur Parteinahme zeichnen Milo Dors menetekelhafte Geschichte aus der ein Motto von Rabbi Menasse Ben Israel vorangestellt ist: "Was einmal war, bleibt ewig möglich."

Autor

Milo Dor, geboren 1923 in Budapest als Sohn eines serbischen Arztes und verstorben am 5. Dezember 2005 in Wien. Er verbrachte seine Jugend in Belgrad, wurde 1942 als Widerstandskämpfer verhaftet und 1943 zur Zwangsarbeit nach Wien gebracht. Hier lebte Dor seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges als freier Schriftsteller. Zahlreiche Veröffentlichungen, unter anderem die Raikow-Saga, Auf dem falschen Dampfer, Leb wohl, Jugoslawien und Wien, Juli 1999.

Produktdetails

• Verlag: Paul Zsolnay Verlag
• Artikelnr. des Verlages: 551/04847
• 3. Aufl.
• Seitenzahl: 120
• Deutsch
• Abmessung: 194mm x 119mm x 14mm
• Gewicht: 200g
• ISBN-13: 9783552048478
• ISBN-10: 3552048472
• Artikelnr.: 24815950

Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.12.1997

Der böse Herr Haselgruber
Vor allem gut gemeint: Milo Dor verschlüsselt Jörg Haider

Im Sommer 1999 hat in Österreich der Rechtsextremist Karl Haselgruber als Führer der Blauhemden die Macht ergriffen. Die "Dritte Republik" ist angebrochen. Fremdenfeindlichkeit triumphiert, Ausländer werden gejagt und vertrieben, die Todesstrafe ist wieder eingeführt, der große Lauschangriff schüchtert Oppositionelle ein. Mladen Raikow, ein älterer Herr humanistischer Prägung, der viel erlebt und erlitten hat, schwankt zwischen Selbstmordgedanken und Fluchtplänen. Eines Tages ist er verschwunden, wahrscheinlich nach Italien emigriert. Zuvor hat er einem Freund seine Aufzeichnungen anvertraut, die dieser - ein bewährter

literarischer Trick - uns nun gleichsam als Herausgeber vorlegt.

Mladen Raikow ist ein guter Bekannter des Lesers. Man hat ihn in drei Romanen von Milo Dor, die später unter dem Titel "Raikow Saga" zusammengefaßt werden sollten, schätzengelernt. Der gleichnamige gebrochene Held trägt viele autobiographische Züge des Verfassers. Dors Geschichte "Wien, Juli 1999" präsentiert sich als düstere, utopische Realsatire. Daß mit Haselgruber Jörg Haider gemeint ist, steht außer Zweifel, obwohl in der Rahmenhandlung das Gegenteil behauptet wird.

Ein schöner Spruch von Rabbi Menasse ben Israel aus dem siebzehnten Jahrhundert dient dem schmalen Band als Motto: "Was einmal wirklich war, bleibt ewig möglich." Aus diesem Bewußtsein schöpft die Erzählung ihren apokalyptischen Impetus, speisen sich Zorn und Angst und Ekel. Dors Gesinnung berührt sympathisch, sein Stil ist klar wie und je. Daß der Text literarisch dennoch nicht besonders geglückt wirkt, hat vor allem einen Grund: Die politische Analyse, die in den zahlreichen leitartikelartigen Abschnitten vorherrscht, überzeugt bloß sehr bedingt. Der Aufstieg Jörg Haiders läßt sich mit dem einfachen Rückgriff auf historische Muster kaum genau beschreiben: Naturgemäß schleichen sich dabei Unschärfen und Klischees ein. Und weil die Parallelisierung mit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft die tatsächliche Bedrohung durch modernen demagogischen Populismus verharmlost, stellt sich bei der Lektüre alsbald Enttäuschung ein. Die kalte Wut einer Elfriede Jelinek mit ihrer obsessiven Montagetechnik scheint hier weitaus treffsicherer und ästhetisch angemessener als die resignative Melancholie, die das Buch von Milo Dor bestimmt. ULRICH WEINZIERL

Milo Dor: "Wien, Juli 1999". Eine Geschichte. Paul Zsolnay Verlag, Wien 1997. 120 S., geb.,26,- DM.

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