Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.11.2001Wie der Djinn durch die Wüste wirbelte
"Höck", sagte das Kamel, nur "Höck", als der Hund es aufforderte, in der funkelnagelneuen Welt mitzuarbeiten wie alle anderen. Es dachte nicht daran, den Trott mitzumachen, sondern fraß in aller Seelenruhe weiter Disteln und Tamariskenzweige. Auch für das Pferd und den Ochsen hatte es nur ein "Höck" übrig. Da beschwerten sich die drei beim Wüstenzauberer über das faule Trampeltier. Als aber der Djinn auch nur ein Höck zur Anwort bekam, zauberte der ihm zur Strafe einen gewaltigen Buckel auf den glatten Rücken.
Rudyard Kipling hat die Geschichte natürlich viel schöner erzählt, sie gehört zu den berühmten "Just-So-Stories", die der Dichter sich für seine sechs Jahre alte Tochter
ausgedacht hatte, als sie sterbenskrank im Bett lag. Diese "Just-So-Stories" müssen mit ihren vielen "O-Ohs" und rhythmischen Wiederholungen genau so und nicht anders nacherzählt werden. Wolf Harranth hat jetzt "Wie das Kamel zu seinem Höcker kam" neu übersetzt in ein dem englischen Wortwitz nachempfundenes Deutsch. Und Lisbeth Zwerger, deren Stil immer puristischer wird, hat sich vom hintergründigen Humor Kiplings verführen lassen und wunderbare, leuchtend-klare Bilder vom hochmütigen trägen Kamel und dem herumwirbelnden Djinn in der leeren Wüste gemalt.
MARIA FRISÉ.
Rudyard Kipling (Text), Lisbeth Zwerger (Ill.): "Wie das Kamel zu seinem Höcker kam". Übersetzt von Wolf Harranth. Michael Neugebauer Verlag, Zürich, Hamburg 2001. 24 S., geb., 29,80 DM. Ab 4 J.
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