englischer Sprache. Wolf verbindet einen didaktischen Ansatz mit einer tiefgehenden Analyse. Zwar muß man ein wenig Geduld mitbringen, wenn man sich durch die längeren Argumentationen vorwärtsarbeitet. Doch Wolfs Sprache macht die Lektüre zur Freude. Sie fließt in einer schlichten, messerscharfen Prosa dahin, die eines George Orwell würdig wäre, und mündet in standfeste, kraftvoll dargebotene Schlußfolgerungen. Bester angelsächsicher empirischer Tradition entsprechend, läßt der Autor eigene Beobachtungen einfließen, um nützliche Theorie mit praktischer Erfahrung zu verbinden. Kurz: Dieses Buch bietet dem intelligenten und interessierten Leser fesselnde Ökonomie. Zudem ist es in klassisch-liberalem, ordnungspolitisch sauberem Geist verfaßt.
Das Buch beginnt mit einem erhellenden autobiographischen Vorwort. Dann bestimmt der Autor den Ton der Diskussion, indem er illiberale, globalisierungsfeindliche Kräfte einer progressiven grenzüberschreitenden Integration durch Märkte gegenüberstellt. Der zweite Teil des Buches enthält eine wohlfundierte Verteidigung der globalen Marktwirtschaft. Wolfs zentrale Aussage besteht darin, daß das Plädoyer für die wirtschaftliche Globalisierung nichts anderes darstellt als eine logische Verlängerung des Plädoyers für die Marktwirtschaft. Wolf charakterisiert die Marktwirtschaft systematisch und präzise, widmet sich ihrer Geschichte, ihren Grundlagen (vor allem der persönlichen Freiheit, den Eigentumsrechten und einer funktionierenden Regierung), er schildert die Bezüge zu Demokratie und internationaler Politik und beschäftigt sich anschließend noch mit ihrer globalen Ausdehnung.
Der dritte Teil ist der langfristigen Darstellung der Globalisierung gewidmet, mit einem Schwerpunkt auf den vergangenen beiden Jahrhunderten. Hier besteht Wolfs zentrale Aussage darin, daß die Globalisierung - entgegen gängigen Auffassungen - ein weiterhin bemerkenswert eingegrenztes Phänomen ist, besonders mit Blick auf den Transfer von Kapital in Entwicklungsländer und die grenzüberschreitende Mobilität der Menschen. Im vierten Teil des Buches befaßt sich der Autor mit Schlüsselthemen der Wirtschaftspolitik: Armut, Ungleichheit, Handel, multinationale Unternehmen, globales Kapital und Rolle des Staats. Hier geht es dann um die Details der im Titel des Buches gestellten Frage "Warum funktioniert die Globalisierung?" Wolf verbindet seine Antwort mit Abrißarbeiten an radikalen, mitunter als schick geltenden Meinungen und populären Mythen.
Im abschließenden Kapitel wagt Wolf einen vorsichtig optimistischen Ausblick in die Zukunft. Die globalisierungsfeindlichen Kräfte seien derzeit nicht halb so zerstörerisch wie in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, schreibt er. In der zweiten Hälfte seien kraftvolle Gegengewichte entstanden, welche die globale Marktwirtschaft schützten. Doch internationale politische Rivalitäten, protektionistische Interessen und marktfeindliche ideologische Strömungen könnten die weitere Globalisierung immer noch verlangsamen oder zum Stillstand bringen. Dies müßten die Freunde der Marktwirtschaft verhindern, wenn die Wohltaten des globalen Markts auch noch die Hunderte von Millionen Menschen erreichen sollten, die in bitterer Armut lebten, irgendwo in den nicht entwickelten oder unterentwickelten Teilen der Welt. Nach Auffassung von Wolf besteht das größte Hindernis für die weitere Globalisierung im Staatsversagen, das in den ärmsten Winkeln der sogenannten Dritten Welt zu gewärtigen ist. Hier ist das Regierungsversagen - für den Verfasser regelmäßig ein größeres Problem als Marktversagen - auf seinem Höhepunkt.
Natürlich gibt es an diesem Buch auch etwas zu kritisieren. Wolf geht zu milde mit der Front der Globalisierungsgegner um, wenn er diese bloß für ein abseitiges, verrücktes Straßentheater hält. Im Gegenteil, unter Eingeweihten ist sie fest verankert. Auch läßt Wolfs neoklassische Wohlfahrtsanalyse noch viel zuviel Raum für staatliche Markteingriffe. Wolf ist zu nachgiebig gegenüber Argumenten zugunsten von Protektionismus und Förderung neuer Industrien, zugunsten von Rettungsaktionen durch den Internationalen Währungsfonds (IWF) und "global governance". Seine abschließende Erörterung des Dilemmas zwischen aufgesplitterter Souveränität und Regierungsverantwortung in der zusammenwachsenden Welt ist übertrieben, zumal er dabei eines seiner ausschlaggebenden Argumente völlig unnötigerweise schmälert. Der Nationalstaat, Hüter öffentlicher Güter und Sitz der ultimativen - vorwiegend immobilen - Ressource, der Menschen, ist wichtiger denn je, wenn es darum geht, die Geschicke der globalen Marktwirtschaft zu lenken. Doch dies sind nur kleine Einwände. Neunzig Prozent der Argumentation von Wolf vermögen uneingeschränkt zu überzeugen. Das Buch verdient die Lobpreisungen, die es in der angelsächsischen Welt erhalten hat, vollkommen. Möge es auch in der nicht englischsprachigen Welt gelesen werden.
RAZEEN SALLY
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