Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.04.2000Deutschland
"Von Schleswig nach Holstein - Skizzen vom Ostseestrand" von Karin Reschke. Verlag Schöffling & Co, Frankfurt 1999. 142 Seiten. Gebunden, 26 Mark. ISBN 3-89561-568-4.
Eine solche Brieffreundin wünscht man sich. Karin Reschke, Berliner Schriftstellerin, seit den achtziger Jahren durch Romane und Erzählungen bekannt, viele aus der Umgebung, die gern als "Frauenliteratur" rubriziert wird, wählte diesmal eine knappere Form. "Skizzen" nennt sie ihre Betrachtungen aus Schleswig-Holstein im Untertitel, doch den Eindruck von Flüchtigkeit hinterlässt keiner der zwanzig Beiträge, wie kurz er auch sein mag. Sie sind pointiert, oft tiefsinnig, immer feinsinnig. Manche beginnen mit den Worten "Liebe Anne". Und dann
beschreibt Karin Reschke, was sie erlebt und die Freundin verpasst. Vielleicht musste sie erst die Figur Maruscha ihres Buchs "Birnbaums Bilder" erfinden (1998, ebenfalls bei Schöffling erschienen), eine Fotografin, die mit ihren Aufnahmen einem gelähmten alten Mann den Blick auf Berlin ermöglicht, ihm die Spuren des Wandels nach Hause bringt, um nun genau dies mit Worten zu tun, mit literarischen Momentaufnahmen beachtlicher Präzision, dabei behutsam komponiert. Die Bilder sind vielschichtig. Für die Arbeit einer Erzählerin sind sie unerwartet faktenreich; zumal dort, wo es darum geht, die Bedeutung dieser Landschaft als historischen wie kulturellen Schnittpunkt der Bewegungen in und aus allen Himmelrichtungen hervorzuheben - dann jagen sich Namen und Jahreszahlen wie früher die Völker und später die Dichter, die hier vorüberzogen und Spuren hinterließen. Und doch verlieren die Texte nie den Charme verhaltener Poesie, wenn Karin Reschke Landstriche, Städte und Gärten, Häuser und Zimmereinrichtungen, bisweilen Gefühle und einmal das Wesen des Winds schildert. Da liest man gern über Hohwacht und Lütjenburg, über Laboe und Selent - und denkt, was man wohl sonst noch alles verpasst hat auf Reisen. (F.L.)
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