Vom Spielkaiser zu Bertis Buben

waren auch diese gleich, dann die Abstöße." Fußballhistoriker Carl Koppehel schrieb 1954: "Die Feststellung dieser Stöße war oft nicht leicht und führte zu Streitigkeiten." Hat jemand die Abstöße der Türken mitgezählt?

Solche Fundsachen bietet ein kürzlich erschienenes Buch. Es dokumentiert die Ausstellung "Vom Spielkaiser zu Bertis Buben - zur Geschichte des Fußballspiels in Deutschland", die 1998 von Eduard Hoffmann und Jürgen Nendza für die Aachener Volkshochschule realisiert wurde und inzwischen eine erstaunliche Karriere gemacht hat. Sie erreicht am 20. Oktober in Ulm bereits ihre achte Station. Bis 2001 sind fünf weitere Orte fest gebucht. Für alle, die sie nicht persönlich sehen können, haben die Autoren die Illustrationen, Dokumente und begleitenden Texte in einem kurzweiligen Band versammelt, als Gelegenheit für den Leser, "für rund zweimal fünfundvierzig Minuten von der Wohnzimmer-Tribüne aus der variantenreichen Entwicklung des Fußballspiels zu folgen". Und das, wie Nendza bemerkt, "zum Preis einer Tribünenkarte, Regionalliga West".

Woher rührt diese Lust an der Fußballgeschichte, die sich in diesem Jahr gleich in einem halben Dutzend Büchern äußert? "Zauberwelt Fußball" (Sportverlag Berlin) versorgt den Leser mit einer Fülle an Zahlen und Anekdoten (dort erfahren wir, dass der Finne Pentti Kekkola nach seinem fünften Saison-Eigentor 1986 von den Mitspielern einen Kompass geschenkt bekam). Wer es noch flächendeckender haben will, für den hat der Agon Sportverlag seine akribische "Enzyklopädie des deutschen Ligafußballs" mit dem vierten und fünften Band komplettiert. Dazu hat der DFB am Freitag sein offizielles Jahrhundertwerk vorgelegt (siehe Bericht auf dieser Seite). Und der Verlag Die Werkstatt bringt in dieser Woche "Fußball für Millionen - die Geschichte der deutschen Nationalmannschaft" heraus - wobei man, um etwas Rundes zu präsentieren, den 23. November 1899, als eine deutsche Auswahl in Berlin gegen England spielte, als Geburtsstunde der Nationalelf nimmt und nicht das erste offizielle Länderspiel 1908 in der Schweiz.

Die Magie der runden Zahl, gleich ob man das Jahr 1874, mit den ersten Kicks des Braunschweiger Turnlehrers Konrad Koch, oder das "Länderspiel" 1899 oder die DFB-Gründung 1900 zum Anlass nimmt - sie allein kann es nicht sein, die das Retrospektive fördert. Vielleicht ist es vielmehr die Lust, sich an einen vielfältigeren, bunteren Fußball zu erinnern, einen, der anders ist als das allwöchentliche Champions-League-Einerlei, das von der pathetischen Hymne über den minutiösen Werbe-Zeitplan und den grauen Italo-Zwirn der Reporter bis hin zum kontrollierten 1:1-Vorrundenfußball manchem wegdämmernden Betrachter wie die Fußball-Version des Kino-Erfolges "Und täglich grüßt das Murmeltier" vorkommen mag. Wer wieder aufwacht, sollte wenigstens ein gutes Fußballbuch zur Hand haben.

CHRISTIAN EICHLER.

Besprochene Bücher: Eduard Hoffmann und Jürgen Nendza: "Vom Spielkaiser zu Bertis Buben. Zur Geschichte des Fußballspiels in Deutschland", Landpresse, Weilerswist, 96 Seiten, 25 Mark. - "Zauberwelt Fußball: Stars, Rekorde, Sensationen", Sportverlag, Berlin, 256 Seiten, 48 Mark. - Matthias Weinrich: "35 Jahre Bundesliga, Teil 2: Tore, Krisen & ein Erfolgstrio. 1975-1987", 390 Seiten, "Band 3: Boomjahre, Geld & Stars. 1987-1998", 368 Seiten + 32 Seiten Beilage "Spieler-ABC", ("Enzyklopädie des deutschen Ligafußballs, Band 4 und 5"), Agon Sportverlag, Kassel, je 75 Mark. - Dietrich Schulze-Marmeling (Herausgeber): "Fußball für Millionen. Die Geschichte der deutschen Nationalmannschaft", Verlag Die Werkstatt, Göttingen, 512 Seiten, 49,80 Mark.

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