Jonathan Elphick. Das Buch besticht durch Mut zur Lücke und gut zusammengestellte Bilder aus der Bibliothek des Natural History Museum in London. Obendrauf gibt es noch sechsunddreißig separate Farbdrucke, die unter anderem aufwarten mit der famosen, um 1835 von William MacGillivray angefertigten Studie eines Graureihers und Edward Lears geradezu lebendig wirkendem Gelbbrustara aus dem Jahr 1832.
Elphick startet seinen Streifzug mit den Höhlenmalereien von Lascaux und Altamira, um in der Gegenwart zu enden. Tatsächlich hätte er deutlich früher einsetzen können, denn schon unter den rund dreißigtausend Jahre alten Bildern der Chauvet-Höhle findet sich eine Eule. Ob Totem, Symbol oder Ornament, der Zweck porträtierter Vögel variierte je nach Kultur und Epoche beträchtlich. Es waren schließlich frühneuzeitliche Tiermaler, die erstmals so wirklichkeitsgetreu arbeiteten, dass sie die Natur gleichsam zu beherrschen schienen. Ästhetischer und wissenschaftlicher Wert begannen fortan immer mehr miteinander zu verschmelzen.
Eine, wenn nicht die Lichtgestalt in der Geschichte der Vogelillustration ist John James Audubon. Der Amerikaner schoss seine Modelle vom Himmel und fixierte sie mit Draht, bevor er sie, Gipfel der Ironie, in beispiellos dynamischen Posen malte. Von seinem zwischen 1827 und 1838 veröffentlichten, mit über vierhundert handkolorierten Tafeln ausgestatteten Opus magnum "The Birds of America" sollen heute noch hundertzwanzig Exemplare der Originalausgabe existieren. Eines davon wurde vor sechs Jahren in New York für 7,9 Millionen Dollar versteigert.
Neben Audubons OEuvre werden die Werke anderer Vogelmaler des neunzehnten Jahrhunderts allzu leicht übersehen, etwa Joseph Wolfs plastisch anmutende Diamantfasane von 1872, die akademisch strengen Arbeiten des Niederländers John Gerrard Keulemans oder die Tableaus von John Gould. Letzterer erkannte übrigens zuerst, dass die Finken, welche sein Landsmann Darwin von den Galapagos-Inseln mitgebracht und ihm zur Untersuchung vorgelegt hatte, eng miteinander verwandt waren.
Warum Schönheit in der Vogelwelt eine so große Rolle spielt, wird von Forschern nach wie vor kontrovers diskutiert. Unstrittig ist, dass sie nicht nur Artgenossen, sondern auch Menschen in ihren Bann schlägt. Wie aus schöner Natur schöne Kunst wird, das zeigt Elphicks Buch auf eindrückliche Weise.
KAI SPANKE
Jonathan Elphick: "Vögel". Geschichte und Meisterwerke der Vogelillustration.
Haupt Verlag, Bern 2017. 224 S., 36 separate Farbprints, 160 Farbabb., geb., in Kassette, 59,- [Euro].
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