Sorj Chalandon
Gebundenes Buch
Verräterkind
Roman 'Brillant, schmerzhaft und monströs.' Le Journal de Dimanche
Übersetzung: Große, Brigitte
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Eine kraftvolle literarische Konfrontation mit der Schuld der Väter»Dein Vater stand auf der falschen Seite.« - ein Satz, der die Familie zerreißt. Seit seiner Kindheit quält den Erzähler eine Frage: Was hat der Vater während der Besatzungszeit gemacht? Doch er traut sich nie, ihn zu fragen, zu unberechenbar, zu gewalttätig ist dieser Vater. Im Mai 1987, als in Lyon der Prozess gegen den NS-Verbrecher Klaus Barbie eröffnet wird, berichtet der Sohn als Journalist einer großen französischen Tageszeitung. Und erfährt am selben Tag, dass die Gerichtsakte seines Vaters im Archiv schlumm...
Eine kraftvolle literarische Konfrontation mit der Schuld der Väter
»Dein Vater stand auf der falschen Seite.« - ein Satz, der die Familie zerreißt. Seit seiner Kindheit quält den Erzähler eine Frage: Was hat der Vater während der Besatzungszeit gemacht? Doch er traut sich nie, ihn zu fragen, zu unberechenbar, zu gewalttätig ist dieser Vater. Im Mai 1987, als in Lyon der Prozess gegen den NS-Verbrecher Klaus Barbie eröffnet wird, berichtet der Sohn als Journalist einer großen französischen Tageszeitung. Und erfährt am selben Tag, dass die Gerichtsakte seines Vaters im Archiv schlummert. Und so ist es nicht ein Prozess, der gerade begonnen hat, es sind zwei. Die sprachgewaltige, schmerzhafte Auseinandersetzung Chalandons mit der Wunde seines Lebens und Schreibens, dem Vater als Verräter.
»Dein Vater stand auf der falschen Seite.« - ein Satz, der die Familie zerreißt. Seit seiner Kindheit quält den Erzähler eine Frage: Was hat der Vater während der Besatzungszeit gemacht? Doch er traut sich nie, ihn zu fragen, zu unberechenbar, zu gewalttätig ist dieser Vater. Im Mai 1987, als in Lyon der Prozess gegen den NS-Verbrecher Klaus Barbie eröffnet wird, berichtet der Sohn als Journalist einer großen französischen Tageszeitung. Und erfährt am selben Tag, dass die Gerichtsakte seines Vaters im Archiv schlummert. Und so ist es nicht ein Prozess, der gerade begonnen hat, es sind zwei. Die sprachgewaltige, schmerzhafte Auseinandersetzung Chalandons mit der Wunde seines Lebens und Schreibens, dem Vater als Verräter.
Sorj Chalandon,geboren 1952 in Tunis, gilt als einer der bedeutendsten Journalisten und Schriftsteller Frankreichs. Viele Jahre lang schrieb er für die Zeitung ¿Libération¿, seit 2009 ist er Journalist bei der Wochenzeitung ¿Le Canard enchaîné¿. Für seine Reportagen über Nordirland und den Prozess gegen Klaus Barbie wurde er mit dem Albert-Londres-Preis ausgezeichnet. Auch sein schriftstellerisches Schaffen wurde mit zahlreichen Literaturpreisen gewürdigt, unter anderen dem Prix Médicis und dem großen Romanpreis der Académie française.
Produktdetails
- Verlag: DTV
- Originaltitel: Enfant de salaud
- 1. Auflage
- Seitenzahl: 304
- Erscheinungstermin: 16. November 2022
- Deutsch
- Abmessung: 205mm x 127mm x 30mm
- Gewicht: 402g
- ISBN-13: 9783423290333
- ISBN-10: 3423290331
- Artikelnr.: 63751612
Herstellerkennzeichnung
dtv Verlagsgesellschaft
Tumblingerstraße 21
80337 München
produktsicherheit@dtv.de
Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
"Verräterkind" ist nicht der erste Roman, in dem sich Chalandon mit seinem Vater und dessen Verhältnis zum NS-Regime auseinandersetzt, weiß Rezensentin Dina Netz. Nun jedoch macht der Journalist und Autor dem manipulativen Vater literarisch "den Prozess", wie Netz es ausdrückt. Nach einigen Recherchen des autofiktional angelegten Ich-Erzählers kommt heraus, dass alle Erzählungen des Vaters in Bezug auf seine Rolle im zweiten Weltkrieg erlogen waren. Was diese Erkenntnis in dem Sohn auslöst, wie sehr ihn die Lügen seines Vaters umtreiben, kann die Rezensentin dank Chalandons wunderbar genauen und kompakten Situationsbeschreibungen gut nachempfinden. Besonders scheint sich Netz über eine unvorhersehbare Wendung am Ende des Romans zu freuen. Hier zeigt sich, dass Sorj Chalandon eben nicht nur ein guter Reporter ist, sondern auch ein "großer Romancier", so die begeisterte Rezensentin.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Der Roman ist der Versuch eines Sohnes, mit der Schande weiterzuleben, indem er sich schonungslos offenbart. Der Wechsel zwischen Straf- und privatem Gerichtshof gelingt brillant. Auch die Sprache, die Chalandon findet, ist eindrucksvoll. Ulrich Rüdenauer SWR 2 Kaffee oder Tee 20221116
Als der Erzähler im zarten Alter von zehn Jahren von seinem Großvater erfährt: "Dein Vater stand im Krieg auf der falschen Seite", ist das eine solch prägende Information, dass sie das weitere Leben des Jungen erheblich beeinflussen wird. Noch dazu, weil der …
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Als der Erzähler im zarten Alter von zehn Jahren von seinem Großvater erfährt: "Dein Vater stand im Krieg auf der falschen Seite", ist das eine solch prägende Information, dass sie das weitere Leben des Jungen erheblich beeinflussen wird. Noch dazu, weil der Großvater ergänzt, er sei ein "Verräterkind". Ein Begriff, der nicht nur den Vater brandmarkt, sondern auch das Kind. Dabei hatte ihm der Vater doch ausführlich über seine Heldentaten in der französischen Résistance berichtet. Was macht es mit einem Menschen, wenn er erkennt, dass sein Vater ihn jahrelang belogen hat? Wie fühlt es sich an, ein "Verräterkind" zu sein? Darüber schreibt Sorj Chalandon in seinem neuesten gleichnamigen Roman, der in der deutschen Übersetzung von Brigitte Große jetzt bei dtv erschienen ist. Dass "Verräterkind" als Autofiktion und damit als äußerst persönliches Werk angesehen werden kann, erfahren die Leser:innen schon in der Widmung.
Bereits das erste Kapitel zieht der Leserschaft mit ungemeiner Wucht den Boden unter den Füßen weg. Der Ich-Erzähler reist im April 1987 nach Izieu, um sich auf die Spuren der 1944 aus dem dortigen Kinderheim deportierten jüdischen Kinder und ihrer Betreuer:innen zu begeben. Er bereitet sich auf seine Reportage über den Gerichtsprozess gegen den deutschen Gestapo-Leiter Klaus Barbie vor, jenen "Schlächter von Lyon", der unter anderem auch für diese Deportation verantwortlich war. Unschwer sind bereits hier die Gemeinsamkeiten zwischen Sorj Chalandon und dem Ich-Erzähler zu erkennen, denn für diese Reportage wurde der Autor und Journalist 1988 mit dem Albert-Londres-Preis gekrönt. Chalandon erzählt in kurzen, pointierten Sätzen und macht das Grauen von Izieu unmittelbar deutlich. Er findet in einer tieftraurigen Szene die Schultafel eines getöteten Kindes mit dem Wort "Apfel" und richtet verzweifelt später in einem eindringlichen "Du" das Wort erstmals direkt an seinen Vater: "Warum wurdest du zum Verräter, Papa?" Fast scheint es, als könnte dieses erste Kapitel die Grundlage des gesamten Romans sein.
In der Folge verknüpft Chalandon äußerst klug und geschickt die zwei entscheidenden Prozesse des Buches miteinander. Abwechselnd erzählt er vom Gerichtsprozess gegen Klaus Barbie und seinem eigenen, inneren Prozess: das Leben als Kind eines Lügners und Hochstaplers. Denn tatsächlich entpuppt sich die Geschichte des Vaters als so unglaublich, dass sie allein für einen mehrere hundert Seiten starken Roman ausgereicht hätte. Vater Jean wechselte im Zweiten Weltkrieg nämlich ständig die Seiten und Uniformen. Von französischen Legionären im Kampf gegen den Bolschewismus zur französichen Armee, von der deutschen Uniform zur französischen Résistance und wieder zurück. Ganz nebenbei erhält man zudem als Leser:in dabei einen hervorragenden Überblick über die verschiedenen politischen Strömungen und Bewegungen im besetzten Frankreich. Die Volten und Desertationen des Vaters sind so widersprüchlich, dass man ihnen kaum folgen kann. Und auch der Ich-Erzähler weiß gar nicht mehr, welche der zahlreichen Geschichten aus seiner Jugend er überhaupt noch glauben kann.
So leistet sich "Verräterkind" in der Darstellung der Figuren seine einzige kleine Schwäche, die aber aufgrund der zahlreichen Stärken kaum ins Gewicht fällt. Denn der Vater wird nahezu durchgehend als ungebildeter Taugenichts dargestellt und auch die Mutterfigur wirkt zwar warmherzig, aber äußerst schwach und einfach gestrickt. Es mag zwar keine positive Eigenschaft sein, aber wenn ein Mensch sich über mehrere Jahre immer wieder aus lebensbedrohlichen Situationen befreit, indem er als "Wendehals" seine Fühler mal in diese, mal in jene Richtung ausstreckt, so ist es doch kaum eine Figur, die nichts kann und nichts auf die Reihe bekommt. Zudem dauert es geschlagene 295 Seiten, bis einmal so etwas wie eine zärtliche Szene zwischen Vater und Sohn aufkommt.
Besonders stark sind die Szenen, in denen der Ich-Erzähler über seinen Vater und sich selbst sinniert. Still lässt Chalandon hier visuelle Eindrücke und Geräusche poetisch in seine ansonsten doch so prägant-schmerzhaften Sätze einfließen. Überhaupt dominiert der Schmerz, der auch für mich fast körperlich spürbar war. Diese Verletzungen und Zweifel, die Ängste und die Wut.
Und auch das Finale gelingt Chalandon brillant. Die letzte Schlüsselszene ist so bewegend und vieldeutig konstruiert, dass man als Leser:in in einem Rausch aus Trauer und Erstaunen versinkt, nur um mit dem Umblättern auf die letzte Seite des Romans wieder in eine ganz andere Richtung gelenkt zu werden.
Insgesamt ist "Verräterkind" ein grandioser Roman, der mit Sicherheit nicht zu Unrecht für den Prix Goncourt nominiert war. Intensiv, schmerzhaft, berührend, spannend und lehrreich lässt er die Leserschaft ungläubig zurück. Mit seinen zentralen Themen Schuld, Verrat, Schmerz und Moral leistet er auch mit Blick auf die heutige Gesellschaft einen wertvollen und unbedingt lesenswerten Beitrag.
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Wahnsinnig interessant;
Die Geschichte spielt im Jahr 1987 in Lyon. Während der Erzähler als Journalist über den Barbie-Prozess berichtet, wird ihm bewusst, dass einige Geschichten seines Vaters über dessen Aktivitäten während der Besatzungszeit zeitlich nicht …
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Wahnsinnig interessant;
Die Geschichte spielt im Jahr 1987 in Lyon. Während der Erzähler als Journalist über den Barbie-Prozess berichtet, wird ihm bewusst, dass einige Geschichten seines Vaters über dessen Aktivitäten während der Besatzungszeit zeitlich nicht zusammenpassen. So macht er sich auf die Suche nach Details und es wechseln sich in der Erzählung seine Rechercheergebnisse über den Vater und die Prozessberichterstattung ab. Es ist ein sehr emotionales Buch und man fiebert mit dem Erzählenden mit, der an den vielen Lügen seines Vaters verzweifelt. Die Perspektive des “Verräterkinds” wird selten erzählt und ist zusammen mit dem Barbie-Prozess hoch interessant. Die sich abwechselnden Episoden sind gut gemacht und behandeln das Thema wirklich treffend. Die Darstellung der Personen ist sehr gelungen und es ist glaubhaft, dass der Vater seine vielen Lügen am Ende selber glaubt und sich der Wahrheit nicht stellen will. Viele Details der französischen Besatzungszeit waren mir nicht klar und erfreulicherweise gibt es am Ende des Buches einige Erklärungen und Abkürzungen zum Nachschlagen. Ein sehr gelungenes und wahnsinnig interessantes Buch!
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»»Was denn, mein Gott, er ist doch noch ein Kind!« [Tante]
- »Genau! Ein Verräterkind, das sollte er wissen.« [Großvater]
1962 war das, da war ich zehn.«
(S.29)
Der französische Schriftsteller und Journalist Sorj Chalandon (*1952) …
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»»Was denn, mein Gott, er ist doch noch ein Kind!« [Tante]
- »Genau! Ein Verräterkind, das sollte er wissen.« [Großvater]
1962 war das, da war ich zehn.«
(S.29)
Der französische Schriftsteller und Journalist Sorj Chalandon (*1952) hat für sein Schaffen zahlreichen Preisen erhalten und u. a. für seine Reportagen über den Prozess gegen den Klaus Barbie mit dem Albert-Londres-Preis (dem renommierteste Journalistenpreis Frankreichs) ausgezeichnet.
In seinem autobiografischen Buch »Verräterkind« (»Enfant de salaud«, aus dem Französischen von Brigitte Große) schreibt der Autor in zwei Handlungssträngen über seine Erlebnisse als Journalist bei genau diesem Prozess gegen K. Barbie, und parallel über die Anwesenheit seines Vaters bei dem Prozess in Lyon, über toxische Familienverhältnisse und die Lügen und Wahrheiten seines Vaters, der im 2. Weltkrieg mehr als einmal desertiert ist. …
Es ist viel Zeit vergangen seit er als kleiner Junge von seinem Großvater als »Verräterkind« bezeichnet und von seinem Vater manipuliert worden ist. 1987 während des Prozess gegen den Nazi-Verbrecher K.Barbie erhält Sorj Chalandon die Akten über seinen Vater und sucht in diesen Protokollen, Dokumenten und Beweisen nach der Wahrheit über diesen ihm so nahen und doch so fremden Vater.
Warum sucht der Autor so vergeblich nach der Wahrheit seines Vaters?
»Du warst im Knast, du Idiot! […] Das hättest du mir erzählen sollen. Ich muss wissen, wer du bist, um zu verstehen, woher ich komme. Ich will, dass du mit mir redest, dass du mir zuhörst, verstehst du, das verlange ich von dir! Ich bin nicht mehr in dem Alter, in dem man alles glaubt, sondern in dem, wo man versteht und akzeptiert. Diese Wahrheit bist du mir schuldig.« (S.63)
Es ist ein aufwühlendes, emotionales Buch bei dem ich mehr als einmal schwer aufgeatmet habe. Der Prozess gegen einen Nazi-Verbrecher und die erschütternden Zeugenaussagen werden sehr gut in die autobiografische Erzählung gebettet. Ich habe sehr mit dem Autor mitgefühlt, der sich mit dem Lügenkonstrukt seines Vaters fast (?) schmerzhaft auseinandersetzt. Eine beeindruckende schriftstellerische Leistung, mit großartigen Formulierungen dank der großen Übersetzungsleistung!
» »Warum haben Sie gelogen?«, fragt er.
»Weil ich dachte, dass ich mir so besser Geltung verschaffen kann.«
»Geltung verschaffen« habe ich mit einem fetten Rotstift un-terstrichen. Als du diese Worte zum ersten Mal in den Mund nahmst, warst du zweiundzwanzig, und heute, dreiundvierzig Jahre später, ist dieser Wunsch noch immer dein Elend und unser Schrecken.«
(S. 126)
Kein einfaches Buch, aber ein sehr wichtiges, das viele verschiedene Themen beleuchtet und vor allem eines zeigt: Das Wahrheit schwer greifbar ist.
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